nur allein stellen, alle Schuld auf mich allein häufen; das ist ein Pfiff, den sie von irgend einem abgesetz¬ ten Polizei-Diener gelernt. Vielleicht hoffen sie auch auf diese Weise, mir den Namen des braven Man¬ nes abzulocken, der den Brief geschrieben. O! geht, geht. Ich bin ein gerader schlichter Mann, aber für euch bin ich noch zehntausendmal zu schlau.
Der Referendär hat mir auch vorgeworfen, ich hätte nichts gelernt, ich wäre ein unwissender Mensch! Oder hat es mir Robert vorgeworfen, oder Pittschaft, oder ein Anderer? Die vielen Grobheiten haben mich ganz verwirrt gemacht; daher kann ich unmög¬ lich darüber Buch und Rechnung führen. Ich muß es mit meinen Gegnern machen, wie es einmal Schinderhannes mit einem Trupp Juden gemacht, der ihm in seine Hand gefallen. Er zwang sie alle, ihre schmutzigen Stiefel auszuziehen; diese warf er untereinander und befahl ihnen, sie jetzt wieder anzu¬ ziehen. Nun hätte man das Geschrei und Zanken der Juden hören müssen, wie sie einander in die Haare fielen und sich die Stiefel aus den Händen rissen. Schinderhannes stand dabei und hielt sich die Seiten. Wie kommt es aber, daß mich noch keiner von euch Schinderhannes genannt? Ihr seyd doch im S eures Schimpfwörterbuchs und schon über die Schmeisfliege hinaus. Aber jetzt ist es zu spät. Wer mich jetzt Schinderhannes nennt, der ist
nur allein ſtellen, alle Schuld auf mich allein häufen; das iſt ein Pfiff, den ſie von irgend einem abgeſetz¬ ten Polizei-Diener gelernt. Vielleicht hoffen ſie auch auf dieſe Weiſe, mir den Namen des braven Man¬ nes abzulocken, der den Brief geſchrieben. O! geht, geht. Ich bin ein gerader ſchlichter Mann, aber für euch bin ich noch zehntauſendmal zu ſchlau.
Der Referendär hat mir auch vorgeworfen, ich hätte nichts gelernt, ich wäre ein unwiſſender Menſch! Oder hat es mir Robert vorgeworfen, oder Pittſchaft, oder ein Anderer? Die vielen Grobheiten haben mich ganz verwirrt gemacht; daher kann ich unmög¬ lich darüber Buch und Rechnung führen. Ich muß es mit meinen Gegnern machen, wie es einmal Schinderhannes mit einem Trupp Juden gemacht, der ihm in ſeine Hand gefallen. Er zwang ſie alle, ihre ſchmutzigen Stiefel auszuziehen; dieſe warf er untereinander und befahl ihnen, ſie jetzt wieder anzu¬ ziehen. Nun hätte man das Geſchrei und Zanken der Juden hören müſſen, wie ſie einander in die Haare fielen und ſich die Stiefel aus den Händen riſſen. Schinderhannes ſtand dabei und hielt ſich die Seiten. Wie kommt es aber, daß mich noch keiner von euch Schinderhannes genannt? Ihr ſeyd doch im S eures Schimpfwörterbuchs und ſchon über die Schmeisfliege hinaus. Aber jetzt iſt es zu ſpät. Wer mich jetzt Schinderhannes nennt, der iſt
<TEI><text><body><divn="1"><div><divn="3"><p><pbfacs="#f0192"n="178"/>
nur allein ſtellen, alle Schuld auf mich allein häufen;<lb/>
das iſt ein Pfiff, den ſie von irgend einem abgeſetz¬<lb/>
ten Polizei-Diener gelernt. Vielleicht hoffen ſie auch<lb/>
auf dieſe Weiſe, mir den Namen des braven Man¬<lb/>
nes abzulocken, der den Brief geſchrieben. O! geht,<lb/>
geht. Ich bin ein gerader ſchlichter Mann, aber für<lb/>
euch bin ich noch zehntauſendmal zu ſchlau.</p><lb/><p>Der Referendär hat mir auch vorgeworfen, ich<lb/>
hätte nichts gelernt, ich wäre ein unwiſſender Menſch!<lb/>
Oder hat es mir Robert vorgeworfen, oder Pittſchaft,<lb/>
oder ein Anderer? Die vielen Grobheiten haben<lb/>
mich ganz verwirrt gemacht; daher kann ich unmög¬<lb/>
lich darüber Buch und Rechnung führen. Ich muß<lb/>
es mit meinen Gegnern machen, wie es einmal<lb/>
Schinderhannes mit einem Trupp Juden gemacht, der<lb/>
ihm in ſeine Hand gefallen. Er zwang ſie alle,<lb/>
ihre ſchmutzigen Stiefel auszuziehen; dieſe warf er<lb/>
untereinander und befahl ihnen, ſie jetzt wieder anzu¬<lb/>
ziehen. Nun hätte man das Geſchrei und Zanken<lb/>
der Juden hören müſſen, wie ſie einander in die<lb/>
Haare fielen und ſich die Stiefel aus den Händen<lb/>
riſſen. Schinderhannes ſtand dabei und hielt ſich die<lb/>
Seiten. Wie kommt es aber, daß mich noch keiner<lb/>
von euch <hirendition="#g">Schinderhannes</hi> genannt? Ihr ſeyd<lb/>
doch im S eures Schimpfwörterbuchs und ſchon über<lb/>
die <hirendition="#g">Schmeisfliege</hi> hinaus. Aber jetzt iſt es zu<lb/>ſpät. Wer mich jetzt Schinderhannes nennt, der iſt<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[178/0192]
nur allein ſtellen, alle Schuld auf mich allein häufen;
das iſt ein Pfiff, den ſie von irgend einem abgeſetz¬
ten Polizei-Diener gelernt. Vielleicht hoffen ſie auch
auf dieſe Weiſe, mir den Namen des braven Man¬
nes abzulocken, der den Brief geſchrieben. O! geht,
geht. Ich bin ein gerader ſchlichter Mann, aber für
euch bin ich noch zehntauſendmal zu ſchlau.
Der Referendär hat mir auch vorgeworfen, ich
hätte nichts gelernt, ich wäre ein unwiſſender Menſch!
Oder hat es mir Robert vorgeworfen, oder Pittſchaft,
oder ein Anderer? Die vielen Grobheiten haben
mich ganz verwirrt gemacht; daher kann ich unmög¬
lich darüber Buch und Rechnung führen. Ich muß
es mit meinen Gegnern machen, wie es einmal
Schinderhannes mit einem Trupp Juden gemacht, der
ihm in ſeine Hand gefallen. Er zwang ſie alle,
ihre ſchmutzigen Stiefel auszuziehen; dieſe warf er
untereinander und befahl ihnen, ſie jetzt wieder anzu¬
ziehen. Nun hätte man das Geſchrei und Zanken
der Juden hören müſſen, wie ſie einander in die
Haare fielen und ſich die Stiefel aus den Händen
riſſen. Schinderhannes ſtand dabei und hielt ſich die
Seiten. Wie kommt es aber, daß mich noch keiner
von euch Schinderhannes genannt? Ihr ſeyd
doch im S eures Schimpfwörterbuchs und ſchon über
die Schmeisfliege hinaus. Aber jetzt iſt es zu
ſpät. Wer mich jetzt Schinderhannes nennt, der iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/192>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.