Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

"Allerhöchstdieselben in Allerhöchstderen gerechtem
"Zorne, wenn ich mich allerunterthänigst so aus¬
"drücken darf, es unserm unglücklichen Lande nicht
"anrechnen, daß einige schlechte Hofräthe sich erkühnt,
"in Gegenwart Allerhöstderen geheiligter Person um¬
"zufallen und zu sterben. Es sind junge Leute,
"die erst vor zehn Jahren von Jena zurückgekommen,
"wo ihnen die Burschenschaft heillose demagogische
"Schwärmereien in den Kopf gesetzt. Wollen Aller¬
"höchstdieselben Gnade für Recht ergehen lassen, und
"sich damit begnügen, daß wir zu Allerhöchstderen
"Satisfaction gleich morgen früh unsern Censor auf¬
"knüpfen, weil er, wie dieses Beispiel der frechsten
"majestätsschändenden Todesart lehrt, den revolutio¬
"nairen Grundsätzen nicht streng genug Einhalt ge¬
"than. Gnade! Friede! O, wäre die Stumme
"von Portici hier, daß sie selbst für uns reden
könnte!" Heimball gerieth in den heftigsten Zorn
und sprach. "Ihr feigen Hunde habt nicht den Muth
"mit uns zu kämpfen, und wollt uns meuchelmörderisch
"in den Rücken fallen! Ihr sprecht von Frieden,
"und im ganzen Lande erschallen die Sturmglocken!
"Ihr sprecht von Ergebenheit, und rings umher ver¬
"rathen zahllose Wachtfeuer ein zahlloses Heer!" --
Der Zwerg schlug sich vor die Stirn und erwiederte:
"O jammervolles, o allerhöchstbetrübtes Misverständ¬
"niß! Allerhöchstdieselben geruhen nichts zu wissen,

„Allerhöchſtdieſelben in Allerhöchſtderen gerechtem
„Zorne, wenn ich mich allerunterthänigſt ſo aus¬
„drücken darf, es unſerm unglücklichen Lande nicht
„anrechnen, daß einige ſchlechte Hofräthe ſich erkühnt,
„in Gegenwart Allerhöſtderen geheiligter Perſon um¬
„zufallen und zu ſterben. Es ſind junge Leute,
„die erſt vor zehn Jahren von Jena zurückgekommen,
„wo ihnen die Burſchenſchaft heilloſe demagogiſche
„Schwärmereien in den Kopf geſetzt. Wollen Aller¬
„höchſtdieſelben Gnade für Recht ergehen laſſen, und
„ſich damit begnügen, daß wir zu Allerhöchſtderen
„Satisfaction gleich morgen früh unſern Cenſor auf¬
„knüpfen, weil er, wie dieſes Beiſpiel der frechſten
„majeſtätsſchändenden Todesart lehrt, den revolutio¬
„nairen Grundſätzen nicht ſtreng genug Einhalt ge¬
„than. Gnade! Friede! O, wäre die Stumme
„von Portici hier, daß ſie ſelbſt für uns reden
könnte!“ Heimball gerieth in den heftigſten Zorn
und ſprach. „Ihr feigen Hunde habt nicht den Muth
„mit uns zu kämpfen, und wollt uns meuchelmörderiſch
„in den Rücken fallen! Ihr ſprecht von Frieden,
„und im ganzen Lande erſchallen die Sturmglocken!
„Ihr ſprecht von Ergebenheit, und rings umher ver¬
„rathen zahlloſe Wachtfeuer ein zahlloſes Heer!“ —
Der Zwerg ſchlug ſich vor die Stirn und erwiederte:
„O jammervolles, o allerhöchſtbetrübtes Misverſtänd¬
„niß! Allerhöchſtdieſelben geruhen nichts zu wiſſen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0174" n="160"/>
&#x201E;Allerhöch&#x017F;tdie&#x017F;elben in Allerhöch&#x017F;tderen gerechtem<lb/>
&#x201E;Zorne, wenn ich mich allerunterthänig&#x017F;t &#x017F;o aus¬<lb/>
&#x201E;drücken darf, es un&#x017F;erm unglücklichen Lande nicht<lb/>
&#x201E;anrechnen, daß einige &#x017F;chlechte Hofräthe &#x017F;ich erkühnt,<lb/>
&#x201E;in Gegenwart Allerhö&#x017F;tderen geheiligter Per&#x017F;on um¬<lb/>
&#x201E;zufallen und zu &#x017F;terben. Es &#x017F;ind junge Leute,<lb/>
&#x201E;die er&#x017F;t vor zehn Jahren von Jena zurückgekommen,<lb/>
&#x201E;wo ihnen die Bur&#x017F;chen&#x017F;chaft heillo&#x017F;e demagogi&#x017F;che<lb/>
&#x201E;Schwärmereien in den Kopf ge&#x017F;etzt. Wollen Aller¬<lb/>
&#x201E;höch&#x017F;tdie&#x017F;elben Gnade für Recht ergehen la&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich damit begnügen, daß wir zu Allerhöch&#x017F;tderen<lb/>
&#x201E;Satisfaction gleich morgen früh un&#x017F;ern Cen&#x017F;or auf¬<lb/>
&#x201E;knüpfen, weil er, wie die&#x017F;es Bei&#x017F;piel der frech&#x017F;ten<lb/>
&#x201E;maje&#x017F;täts&#x017F;chändenden Todesart lehrt, den revolutio¬<lb/>
&#x201E;nairen Grund&#x017F;ätzen nicht &#x017F;treng genug Einhalt ge¬<lb/>
&#x201E;than. Gnade! Friede! O, wäre die Stumme<lb/>
&#x201E;von Portici hier, daß &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t für uns reden<lb/>
könnte!&#x201C; Heimball gerieth in den heftig&#x017F;ten Zorn<lb/>
und &#x017F;prach. &#x201E;Ihr feigen Hunde habt nicht den Muth<lb/>
&#x201E;mit uns zu kämpfen, und wollt uns meuchelmörderi&#x017F;ch<lb/>
&#x201E;in den Rücken fallen! Ihr &#x017F;precht von Frieden,<lb/>
&#x201E;und im ganzen Lande er&#x017F;challen die Sturmglocken!<lb/>
&#x201E;Ihr &#x017F;precht von Ergebenheit, und rings umher ver¬<lb/>
&#x201E;rathen zahllo&#x017F;e Wachtfeuer ein zahllo&#x017F;es Heer!&#x201C; &#x2014;<lb/>
Der Zwerg &#x017F;chlug &#x017F;ich vor die Stirn und erwiederte:<lb/>
&#x201E;O jammervolles, o allerhöch&#x017F;tbetrübtes Misver&#x017F;tänd¬<lb/>
&#x201E;niß! Allerhöch&#x017F;tdie&#x017F;elben geruhen nichts zu wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0174] „Allerhöchſtdieſelben in Allerhöchſtderen gerechtem „Zorne, wenn ich mich allerunterthänigſt ſo aus¬ „drücken darf, es unſerm unglücklichen Lande nicht „anrechnen, daß einige ſchlechte Hofräthe ſich erkühnt, „in Gegenwart Allerhöſtderen geheiligter Perſon um¬ „zufallen und zu ſterben. Es ſind junge Leute, „die erſt vor zehn Jahren von Jena zurückgekommen, „wo ihnen die Burſchenſchaft heilloſe demagogiſche „Schwärmereien in den Kopf geſetzt. Wollen Aller¬ „höchſtdieſelben Gnade für Recht ergehen laſſen, und „ſich damit begnügen, daß wir zu Allerhöchſtderen „Satisfaction gleich morgen früh unſern Cenſor auf¬ „knüpfen, weil er, wie dieſes Beiſpiel der frechſten „majeſtätsſchändenden Todesart lehrt, den revolutio¬ „nairen Grundſätzen nicht ſtreng genug Einhalt ge¬ „than. Gnade! Friede! O, wäre die Stumme „von Portici hier, daß ſie ſelbſt für uns reden könnte!“ Heimball gerieth in den heftigſten Zorn und ſprach. „Ihr feigen Hunde habt nicht den Muth „mit uns zu kämpfen, und wollt uns meuchelmörderiſch „in den Rücken fallen! Ihr ſprecht von Frieden, „und im ganzen Lande erſchallen die Sturmglocken! „Ihr ſprecht von Ergebenheit, und rings umher ver¬ „rathen zahlloſe Wachtfeuer ein zahlloſes Heer!“ — Der Zwerg ſchlug ſich vor die Stirn und erwiederte: „O jammervolles, o allerhöchſtbetrübtes Misverſtänd¬ „niß! Allerhöchſtdieſelben geruhen nichts zu wiſſen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/174
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/174>, abgerufen am 02.05.2024.