Güter zu besitzen -- bekenne ich denn damit, daß jene glücklicher sind als ich, und daß ich mit ihnen tauschen möchte? Ich, mit ihnen tauschen? Der Teufel mag sie holen alle drei. Nur ihre Vorzüge wünsche ich mir, weil mir diese Güter fehlen. Mir würden sie zum Guten gereichen; aber jenen, die sie besitzen, gedeihen sie nicht, weil es die einzigen Gü¬ ter sind, die ihnen nicht fehlen. Wenn ich den Deutschen sage: Macht, daß Euer Herz stark genug werde für Euern Geist; daß Euere Zunge feurig genug werde für Euer Herz; daß Euer Arm schnell genug werde für Euere Zunge; eignet Euch die Vorzüge der Franzosen an; und Ihr werdet das erste Volk der Welt -- habe ich denn damit erklärt, daß die Deutschen Zwerge sind, und die Franzosen Riesen? Austauschen, nicht tauschen sollen wir mit Frankreich. Käme ein Gott zu mir und spräche: Ich will dich in einen Franzosen umwandeln mit allen deinen Gedanken und Gefühlen, mit allen dei¬ nen Erinnerungen und Hoffnungen -- ich würde ihm antworten: Ich danke, Herr Gott. Ich will ein Deutscher bleiben mit allen seinen Mängeln und Auswüchsen; ein Deutscher mit seinen sechs und dreißig Fürsten, mit seinen heimlichen Gerichten, mit seiner Censur, mit seiner unfruchtbaren Gelehrsam¬ keit, mit seinem Demuthe, seinem Hochmuthe, seinen Hofräthen, seinen Philistern -- -- auch mit seinen
Güter zu beſitzen — bekenne ich denn damit, daß jene glücklicher ſind als ich, und daß ich mit ihnen tauſchen möchte? Ich, mit ihnen tauſchen? Der Teufel mag ſie holen alle drei. Nur ihre Vorzüge wünſche ich mir, weil mir dieſe Güter fehlen. Mir würden ſie zum Guten gereichen; aber jenen, die ſie beſitzen, gedeihen ſie nicht, weil es die einzigen Gü¬ ter ſind, die ihnen nicht fehlen. Wenn ich den Deutſchen ſage: Macht, daß Euer Herz ſtark genug werde für Euern Geiſt; daß Euere Zunge feurig genug werde für Euer Herz; daß Euer Arm ſchnell genug werde für Euere Zunge; eignet Euch die Vorzüge der Franzoſen an; und Ihr werdet das erſte Volk der Welt — habe ich denn damit erklärt, daß die Deutſchen Zwerge ſind, und die Franzoſen Rieſen? Austauſchen, nicht tauſchen ſollen wir mit Frankreich. Käme ein Gott zu mir und ſpräche: Ich will dich in einen Franzoſen umwandeln mit allen deinen Gedanken und Gefühlen, mit allen dei¬ nen Erinnerungen und Hoffnungen — ich würde ihm antworten: Ich danke, Herr Gott. Ich will ein Deutſcher bleiben mit allen ſeinen Mängeln und Auswüchſen; ein Deutſcher mit ſeinen ſechs und dreißig Fürſten, mit ſeinen heimlichen Gerichten, mit ſeiner Cenſur, mit ſeiner unfruchtbaren Gelehrſam¬ keit, mit ſeinem Demuthe, ſeinem Hochmuthe, ſeinen Hofräthen, ſeinen Philiſtern — — auch mit ſeinen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0156"n="142"/>
Güter zu beſitzen — bekenne ich denn damit, daß<lb/>
jene glücklicher ſind als ich, und daß ich mit ihnen<lb/>
tauſchen möchte? Ich, mit ihnen tauſchen? Der<lb/>
Teufel mag ſie holen alle drei. Nur ihre Vorzüge<lb/>
wünſche ich mir, weil mir dieſe Güter fehlen. <hirendition="#g">Mir</hi><lb/>
würden ſie zum Guten gereichen; aber jenen, die ſie<lb/>
beſitzen, gedeihen ſie nicht, weil es die einzigen Gü¬<lb/>
ter ſind, die ihnen <hirendition="#g">nicht</hi> fehlen. Wenn ich den<lb/>
Deutſchen ſage: Macht, daß Euer Herz ſtark genug<lb/>
werde für Euern Geiſt; daß Euere Zunge feurig<lb/>
genug werde für Euer Herz; daß Euer Arm ſchnell<lb/>
genug werde für Euere Zunge; eignet Euch die<lb/>
Vorzüge der Franzoſen an; und Ihr werdet das<lb/>
erſte Volk der Welt — habe ich denn damit erklärt,<lb/>
daß die Deutſchen Zwerge ſind, und die Franzoſen<lb/>
Rieſen? Austauſchen, nicht tauſchen ſollen wir mit<lb/>
Frankreich. Käme ein Gott zu mir und ſpräche:<lb/>
Ich will dich in einen Franzoſen umwandeln mit<lb/>
allen deinen Gedanken und Gefühlen, mit allen dei¬<lb/>
nen Erinnerungen und Hoffnungen — ich würde ihm<lb/>
antworten: Ich danke, Herr Gott. Ich will ein<lb/>
Deutſcher bleiben mit allen ſeinen Mängeln und<lb/>
Auswüchſen; ein Deutſcher mit ſeinen ſechs und<lb/>
dreißig Fürſten, mit ſeinen heimlichen Gerichten, mit<lb/>ſeiner Cenſur, mit ſeiner unfruchtbaren Gelehrſam¬<lb/>
keit, mit ſeinem Demuthe, ſeinem Hochmuthe, ſeinen<lb/>
Hofräthen, ſeinen Philiſtern —— auch mit ſeinen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[142/0156]
Güter zu beſitzen — bekenne ich denn damit, daß
jene glücklicher ſind als ich, und daß ich mit ihnen
tauſchen möchte? Ich, mit ihnen tauſchen? Der
Teufel mag ſie holen alle drei. Nur ihre Vorzüge
wünſche ich mir, weil mir dieſe Güter fehlen. Mir
würden ſie zum Guten gereichen; aber jenen, die ſie
beſitzen, gedeihen ſie nicht, weil es die einzigen Gü¬
ter ſind, die ihnen nicht fehlen. Wenn ich den
Deutſchen ſage: Macht, daß Euer Herz ſtark genug
werde für Euern Geiſt; daß Euere Zunge feurig
genug werde für Euer Herz; daß Euer Arm ſchnell
genug werde für Euere Zunge; eignet Euch die
Vorzüge der Franzoſen an; und Ihr werdet das
erſte Volk der Welt — habe ich denn damit erklärt,
daß die Deutſchen Zwerge ſind, und die Franzoſen
Rieſen? Austauſchen, nicht tauſchen ſollen wir mit
Frankreich. Käme ein Gott zu mir und ſpräche:
Ich will dich in einen Franzoſen umwandeln mit
allen deinen Gedanken und Gefühlen, mit allen dei¬
nen Erinnerungen und Hoffnungen — ich würde ihm
antworten: Ich danke, Herr Gott. Ich will ein
Deutſcher bleiben mit allen ſeinen Mängeln und
Auswüchſen; ein Deutſcher mit ſeinen ſechs und
dreißig Fürſten, mit ſeinen heimlichen Gerichten, mit
ſeiner Cenſur, mit ſeiner unfruchtbaren Gelehrſam¬
keit, mit ſeinem Demuthe, ſeinem Hochmuthe, ſeinen
Hofräthen, ſeinen Philiſtern — — auch mit ſeinen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/156>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.