Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.täglichen Gedankenstriche Euerer Censur nicht wenig¬ Mein wohlmeinender Freund in der deutschen täglichen Gedankenſtriche Euerer Cenſur nicht wenig¬ Mein wohlmeinender Freund in der deutſchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0151" n="137"/> täglichen Gedankenſtriche Euerer Cenſur nicht wenig¬<lb/> ſtens im Errathen einige Uebung gegeben? Ach, das<lb/> iſt eben der Jammer mit den Deutſchen. Weil ſie<lb/> immer ſo gründlich, ſo vollſtändig ſind; weil ſie Alles,<lb/> was ſie thun, mit dem Anfange anfangen, und mit<lb/> dem Ende aller Dinge endigen; weil, ſo oft ſie leh¬<lb/> ren, ſie Alles lehren, was ſie wiſſen über Alles; weil<lb/> ſie, wäre auch nur zu reden von der Angelegenheit<lb/> dieſer Stunde, von den Verhältniſſen eines beſchränk¬<lb/> ten Raumes, ſie die ganze Ewigkeit, die ganze Un¬<lb/> endlichkeit durchſprechen; weil ſie hinausſchiffen in<lb/> den großen Ocean, ſo oft ſie ſich die Hände waſchen<lb/> wollen- urtheilen ſie, findet ſich einmal ein Mann,<lb/> der ſagt, was zu wiſſen nur eben Noth thut, es ſey<lb/> ein oberflächlicher, einſeitiger Menſch, der luftige<lb/> Worte ſpräche und nichts <hi rendition="#g">gründliches</hi> ſage. Was<lb/> iſt da zu thun? Ach, geſtehet es nur, wenn wir<lb/> uns wechſelſeitig unerträglich ſind, ſo iſt doch meine<lb/> Laſt viel größer, als die Euere. Meine kleine<lb/> Bür e unter dreißig Millionen Menſchen vertheilt:<lb/> das gibt jedem von Euch gar wenig zu tragen.<lb/> Aber mir hocken dreißig Millionen Deutſche auf<lb/> dem Rücken, und die ſind ſehr ſchwer, ſehr<lb/> ſchwer! Geſteht es nur, ich brauche mehr Geduld<lb/> mit Euch, als Ihr Geduld mit mir braucht.</p><lb/> <p>Mein wohlmeinender Freund in der deutſchen<lb/> allgemeinen Zeitung ſagt: man möge nicht vergeſſen,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0151]
täglichen Gedankenſtriche Euerer Cenſur nicht wenig¬
ſtens im Errathen einige Uebung gegeben? Ach, das
iſt eben der Jammer mit den Deutſchen. Weil ſie
immer ſo gründlich, ſo vollſtändig ſind; weil ſie Alles,
was ſie thun, mit dem Anfange anfangen, und mit
dem Ende aller Dinge endigen; weil, ſo oft ſie leh¬
ren, ſie Alles lehren, was ſie wiſſen über Alles; weil
ſie, wäre auch nur zu reden von der Angelegenheit
dieſer Stunde, von den Verhältniſſen eines beſchränk¬
ten Raumes, ſie die ganze Ewigkeit, die ganze Un¬
endlichkeit durchſprechen; weil ſie hinausſchiffen in
den großen Ocean, ſo oft ſie ſich die Hände waſchen
wollen- urtheilen ſie, findet ſich einmal ein Mann,
der ſagt, was zu wiſſen nur eben Noth thut, es ſey
ein oberflächlicher, einſeitiger Menſch, der luftige
Worte ſpräche und nichts gründliches ſage. Was
iſt da zu thun? Ach, geſtehet es nur, wenn wir
uns wechſelſeitig unerträglich ſind, ſo iſt doch meine
Laſt viel größer, als die Euere. Meine kleine
Bür e unter dreißig Millionen Menſchen vertheilt:
das gibt jedem von Euch gar wenig zu tragen.
Aber mir hocken dreißig Millionen Deutſche auf
dem Rücken, und die ſind ſehr ſchwer, ſehr
ſchwer! Geſteht es nur, ich brauche mehr Geduld
mit Euch, als Ihr Geduld mit mir braucht.
Mein wohlmeinender Freund in der deutſchen
allgemeinen Zeitung ſagt: man möge nicht vergeſſen,
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