Gestern Abend hatten wir ein patriotisches Es¬ sen, etwa sechszig Deutsche, meistens Handlungs-Kom¬ mis. Der Zweck der deutschen Association für die Preßfreiheit wurde besprochen, und da zeigte sich denn wieder, was sich in jeder Gesellschaft zeigt. Einige sind begeistert; die Andern, der Wärme froh, die ihnen fehlt, sonnen sich gern; die meisten sind kalt, bleiben es gern und müssen mit Gewalt ins Feuer geworfen werden. Deutsche Bedenklichkeiten ohne Ende. Von den Juli-Tagen wollte der Eine nicht gesprochen haben: das könne uns verdächtig machen. Andere unterschrieben, aber nur mit Buchstaben, und erklärten alle Theilnahme zu verweigern, wenn sie ihre Namen nennen müßten. Es war zum Lachen. Sie stürzten nach dem Essen, als sie warm gewor¬ den, wie blind nach dem Tische zu, worauf der Sub¬ scribtions-Zettel lag, gleich Einem, der in Gefahr, vor der er zittert, die er aber nicht fliehen kann, mit geschlossenen Augen stürzt. Deutsche Art trat in dem Antrage mächtig hervor: sie müssen doch eine Regierung haben, ein Komite, Präsidenten, Sekre¬ tair. Sie wollten für eine Freiheit kämpfen, die ih¬
Montag, den 27. Februar.
Geſtern Abend hatten wir ein patriotiſches Eſ¬ ſen, etwa ſechszig Deutſche, meiſtens Handlungs-Kom¬ mis. Der Zweck der deutſchen Aſſociation für die Preßfreiheit wurde beſprochen, und da zeigte ſich denn wieder, was ſich in jeder Geſellſchaft zeigt. Einige ſind begeiſtert; die Andern, der Wärme froh, die ihnen fehlt, ſonnen ſich gern; die meiſten ſind kalt, bleiben es gern und müſſen mit Gewalt ins Feuer geworfen werden. Deutſche Bedenklichkeiten ohne Ende. Von den Juli-Tagen wollte der Eine nicht geſprochen haben: das könne uns verdächtig machen. Andere unterſchrieben, aber nur mit Buchſtaben, und erklärten alle Theilnahme zu verweigern, wenn ſie ihre Namen nennen müßten. Es war zum Lachen. Sie ſtürzten nach dem Eſſen, als ſie warm gewor¬ den, wie blind nach dem Tiſche zu, worauf der Sub¬ ſcribtions-Zettel lag, gleich Einem, der in Gefahr, vor der er zittert, die er aber nicht fliehen kann, mit geſchloſſenen Augen ſtürzt. Deutſche Art trat in dem Antrage mächtig hervor: ſie müſſen doch eine Regierung haben, ein Komité, Präſidenten, Sekre¬ tair. Sie wollten für eine Freiheit kämpfen, die ih¬
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Montag, den 27. Februar.
Geſtern Abend hatten wir ein patriotiſches Eſ¬
ſen, etwa ſechszig Deutſche, meiſtens Handlungs-Kom¬
mis. Der Zweck der deutſchen Aſſociation für die
Preßfreiheit wurde beſprochen, und da zeigte ſich denn
wieder, was ſich in jeder Geſellſchaft zeigt. Einige
ſind begeiſtert; die Andern, der Wärme froh, die
ihnen fehlt, ſonnen ſich gern; die meiſten ſind kalt,
bleiben es gern und müſſen mit Gewalt ins Feuer
geworfen werden. Deutſche Bedenklichkeiten ohne
Ende. Von den Juli-Tagen wollte der Eine nicht
geſprochen haben: das könne uns verdächtig machen.
Andere unterſchrieben, aber nur mit Buchſtaben, und
erklärten alle Theilnahme zu verweigern, wenn ſie
ihre Namen nennen müßten. Es war zum Lachen.
Sie ſtürzten nach dem Eſſen, als ſie warm gewor¬
den, wie blind nach dem Tiſche zu, worauf der Sub¬
ſcribtions-Zettel lag, gleich Einem, der in Gefahr,
vor der er zittert, die er aber nicht fliehen kann, mit
geſchloſſenen Augen ſtürzt. Deutſche Art trat in
dem Antrage mächtig hervor: ſie müſſen doch eine
Regierung haben, ein Komité, Präſidenten, Sekre¬
tair. Sie wollten für eine Freiheit kämpfen, die ih¬
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/245>, abgerufen am 29.11.2024.
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