die deutschen Leser für Vögel an. Ach, daß es nicht wahr wäre! Es ist zum Erstaunen, wie gemein und schlecht jenes Aristokraten-Manifest wieder geschrieben ist. Es scheint, die Minister dort lassen ihre Kriegs-Artikel von ihren Kö¬ chen verfertigen. So sehr hat die Macht allen Kredit verlohren, daß sich nicht einmal ein Worttrödler findet, der, die Armuth ihrer Ge¬ sinnung zu bedecken, ihnen auf einen Tag einen anständigen Rock leiht. Wie habe ich es dies¬ mal getroffen, wie genau habe ich alles vorher berechnet! Es war mir klar, daß es jetzt dar¬ auf ankäme, jetzt wo der Kampf in Deutsch¬ land beginnt, kein Juste-Milieu aufkommen zu lassen, das die Streitenden trennend, sich bald dort, bald hier hinneigend, um von beiden Sei¬ ten Vortheil zu ziehen, einen sumpfigen Frieden bildet, der die Luft verpestet und nur den qua¬ kenden Fröschen wohl thut. Die Franzosen ha¬ ben kein Temperament zum Juste-Milieu. Was
die deutſchen Leſer fuͤr Voͤgel an. Ach, daß es nicht wahr waͤre! Es iſt zum Erſtaunen, wie gemein und ſchlecht jenes Ariſtokraten-Manifeſt wieder geſchrieben iſt. Es ſcheint, die Miniſter dort laſſen ihre Kriegs-Artikel von ihren Koͤ¬ chen verfertigen. So ſehr hat die Macht allen Kredit verlohren, daß ſich nicht einmal ein Worttroͤdler findet, der, die Armuth ihrer Ge¬ ſinnung zu bedecken, ihnen auf einen Tag einen anſtaͤndigen Rock leiht. Wie habe ich es dies¬ mal getroffen, wie genau habe ich alles vorher berechnet! Es war mir klar, daß es jetzt dar¬ auf ankaͤme, jetzt wo der Kampf in Deutſch¬ land beginnt, kein Juſte-Milieu aufkommen zu laſſen, das die Streitenden trennend, ſich bald dort, bald hier hinneigend, um von beiden Sei¬ ten Vortheil zu ziehen, einen ſumpfigen Frieden bildet, der die Luft verpeſtet und nur den qua¬ kenden Froͤſchen wohl thut. Die Franzoſen ha¬ ben kein Temperament zum Juſte-Milieu. Was
<TEI><text><body><divn="1"><div><p><pbfacs="#f0330"n="316"/>
die deutſchen Leſer fuͤr Voͤgel an. Ach, daß es<lb/>
nicht wahr waͤre! Es iſt zum Erſtaunen, wie<lb/>
gemein und ſchlecht jenes Ariſtokraten-Manifeſt<lb/>
wieder geſchrieben iſt. Es ſcheint, die Miniſter<lb/>
dort laſſen ihre Kriegs-Artikel von ihren Koͤ¬<lb/>
chen verfertigen. So ſehr hat die Macht allen<lb/>
Kredit verlohren, daß ſich nicht einmal ein<lb/>
Worttroͤdler findet, der, die Armuth ihrer Ge¬<lb/>ſinnung zu bedecken, ihnen auf einen Tag einen<lb/>
anſtaͤndigen Rock leiht. Wie habe ich es dies¬<lb/>
mal getroffen, wie genau habe ich alles vorher<lb/>
berechnet! Es war mir klar, daß es jetzt dar¬<lb/>
auf ankaͤme, jetzt wo der Kampf in Deutſch¬<lb/>
land beginnt, kein Juſte-Milieu aufkommen zu<lb/>
laſſen, das die Streitenden trennend, ſich bald<lb/>
dort, bald hier hinneigend, um von beiden Sei¬<lb/>
ten Vortheil zu ziehen, einen ſumpfigen Frieden<lb/>
bildet, der die Luft verpeſtet und nur den qua¬<lb/>
kenden Froͤſchen wohl thut. Die Franzoſen ha¬<lb/>
ben kein Temperament zum Juſte-Milieu. Was<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[316/0330]
die deutſchen Leſer fuͤr Voͤgel an. Ach, daß es
nicht wahr waͤre! Es iſt zum Erſtaunen, wie
gemein und ſchlecht jenes Ariſtokraten-Manifeſt
wieder geſchrieben iſt. Es ſcheint, die Miniſter
dort laſſen ihre Kriegs-Artikel von ihren Koͤ¬
chen verfertigen. So ſehr hat die Macht allen
Kredit verlohren, daß ſich nicht einmal ein
Worttroͤdler findet, der, die Armuth ihrer Ge¬
ſinnung zu bedecken, ihnen auf einen Tag einen
anſtaͤndigen Rock leiht. Wie habe ich es dies¬
mal getroffen, wie genau habe ich alles vorher
berechnet! Es war mir klar, daß es jetzt dar¬
auf ankaͤme, jetzt wo der Kampf in Deutſch¬
land beginnt, kein Juſte-Milieu aufkommen zu
laſſen, das die Streitenden trennend, ſich bald
dort, bald hier hinneigend, um von beiden Sei¬
ten Vortheil zu ziehen, einen ſumpfigen Frieden
bildet, der die Luft verpeſtet und nur den qua¬
kenden Froͤſchen wohl thut. Die Franzoſen ha¬
ben kein Temperament zum Juſte-Milieu. Was
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/330>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.