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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

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so wie ich ihn beschrieben, mit verschränkten Ar¬
men unter einem kleinen Zelte, dessen Inneres
eine Landschafts-Dekoration vorstellte. Es war
eine Felsengegend, im Hintergrunde das Thor
einer Stadt oder eines Dorfes. Der Mann
schien aus der Fremde in die Heimath zurück¬
gekehrt zu seyn. Jetzt erhob er den Kopf und
sah sich im Vaterlande umher. Trauer und
Schmerz, Zorn und Verachtung malten sich in
seinen schwarzen Augen. Jetzt senkte er Kopf
und Blick zur Erde, und eine Bewegung des
Mitleids zuckte ihm durch Arme und Schultern,
leise und trübe, wie der Schatten einer Wolke.
Doch, hat vielleicht meine Phantasie das alles
in den Mann hineingedichtet, oder mein Spott
hineingelogen? Nein, nein. Ueber seinem Kopfe
hing eine Tafel, worauf mit großen Buchsta¬
ben: France geschrieben war. Hätte Louis
Philipp dieses trauernde Frankreich von Wachs
gesehen, es wäre ihm durch Mark und Bein

ſo wie ich ihn beſchrieben, mit verſchraͤnkten Ar¬
men unter einem kleinen Zelte, deſſen Inneres
eine Landſchafts-Dekoration vorſtellte. Es war
eine Felſengegend, im Hintergrunde das Thor
einer Stadt oder eines Dorfes. Der Mann
ſchien aus der Fremde in die Heimath zuruͤck¬
gekehrt zu ſeyn. Jetzt erhob er den Kopf und
ſah ſich im Vaterlande umher. Trauer und
Schmerz, Zorn und Verachtung malten ſich in
ſeinen ſchwarzen Augen. Jetzt ſenkte er Kopf
und Blick zur Erde, und eine Bewegung des
Mitleids zuckte ihm durch Arme und Schultern,
leiſe und truͤbe, wie der Schatten einer Wolke.
Doch, hat vielleicht meine Phantaſie das alles
in den Mann hineingedichtet, oder mein Spott
hineingelogen? Nein, nein. Ueber ſeinem Kopfe
hing eine Tafel, worauf mit großen Buchſta¬
ben: France geſchrieben war. Haͤtte Louis
Philipp dieſes trauernde Frankreich von Wachs
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[314/0328] ſo wie ich ihn beſchrieben, mit verſchraͤnkten Ar¬ men unter einem kleinen Zelte, deſſen Inneres eine Landſchafts-Dekoration vorſtellte. Es war eine Felſengegend, im Hintergrunde das Thor einer Stadt oder eines Dorfes. Der Mann ſchien aus der Fremde in die Heimath zuruͤck¬ gekehrt zu ſeyn. Jetzt erhob er den Kopf und ſah ſich im Vaterlande umher. Trauer und Schmerz, Zorn und Verachtung malten ſich in ſeinen ſchwarzen Augen. Jetzt ſenkte er Kopf und Blick zur Erde, und eine Bewegung des Mitleids zuckte ihm durch Arme und Schultern, leiſe und truͤbe, wie der Schatten einer Wolke. Doch, hat vielleicht meine Phantaſie das alles in den Mann hineingedichtet, oder mein Spott hineingelogen? Nein, nein. Ueber ſeinem Kopfe hing eine Tafel, worauf mit großen Buchſta¬ ben: France geſchrieben war. Haͤtte Louis Philipp dieſes trauernde Frankreich von Wachs geſehen, es waͤre ihm durch Mark und Bein

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/328>, abgerufen am 19.04.2024.