"gerade das Gegentheil. Der Deutsche ist zahm, "gutmüthig, räuberlich aber gar nicht räube¬ "risch, und weint so aufrichtige Thränen, als "ein Kind, wenn es die Ruthe bekömmt. Wenn "ich das deutsche Volk ein Krokodill genannt, "so geschah es blos wegen seiner Körperbedeckung, "die ganz der eines Krokodills gleicht. Sie hat "dicke harte Schuppen, und ist wie ein Schie¬ "ferdach. Was festes darauf fällt, prallt ab, "was flüssiges, fließt hinunter. Jetzt denken "Sie sich, meine Herrn, Sie wollten ein sol¬ "ches Krokodill thierisch magnetisiren; zweitens, "um es später von seinen schwachen Nerven zu "heilen; erstens, um es früher hellsehend zu "machen, daß es in sein Inneres hinein schaue, "seine Krankheit erkenne, und die dienlichen "Heilmittel errathe. Wie würden Sie das an¬ "fangen? Würden Sie mit zarter gewärmter "Hand auf den Panzer des Krokodills herum¬ "streicheln? Gewiß nicht, Sie wären zu ver¬
„gerade das Gegentheil. Der Deutſche iſt zahm, „gutmuͤthig, raͤuberlich aber gar nicht raͤube¬ „riſch, und weint ſo aufrichtige Thraͤnen, als „ein Kind, wenn es die Ruthe bekoͤmmt. Wenn „ich das deutſche Volk ein Krokodill genannt, „ſo geſchah es blos wegen ſeiner Koͤrperbedeckung, „die ganz der eines Krokodills gleicht. Sie hat „dicke harte Schuppen, und iſt wie ein Schie¬ „ferdach. Was feſtes darauf faͤllt, prallt ab, „was fluͤſſiges, fließt hinunter. Jetzt denken „Sie ſich, meine Herrn, Sie wollten ein ſol¬ „ches Krokodill thieriſch magnetiſiren; zweitens, „um es ſpaͤter von ſeinen ſchwachen Nerven zu „heilen; erſtens, um es fruͤher hellſehend zu „machen, daß es in ſein Inneres hinein ſchaue, „ſeine Krankheit erkenne, und die dienlichen „Heilmittel errathe. Wie wuͤrden Sie das an¬ „fangen? Wuͤrden Sie mit zarter gewaͤrmter „Hand auf den Panzer des Krokodills herum¬ „ſtreicheln? Gewiß nicht, Sie waͤren zu ver¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0277"n="263"/>„gerade das Gegentheil. Der Deutſche iſt zahm,<lb/>„gutmuͤthig, raͤuberlich aber gar nicht raͤube¬<lb/>„riſch, und weint ſo aufrichtige Thraͤnen, als<lb/>„ein Kind, wenn es die Ruthe bekoͤmmt. Wenn<lb/>„ich das deutſche Volk ein Krokodill genannt,<lb/>„ſo geſchah es blos wegen ſeiner Koͤrperbedeckung,<lb/>„die ganz der eines Krokodills gleicht. Sie hat<lb/>„dicke harte Schuppen, und iſt wie ein Schie¬<lb/>„ferdach. Was feſtes darauf faͤllt, prallt ab,<lb/>„was fluͤſſiges, fließt hinunter. Jetzt denken<lb/>„Sie ſich, meine Herrn, Sie wollten ein ſol¬<lb/>„ches Krokodill thieriſch magnetiſiren; zweitens,<lb/>„um es ſpaͤter von ſeinen ſchwachen Nerven zu<lb/>„heilen; erſtens, um es fruͤher hellſehend zu<lb/>„machen, daß es in ſein Inneres hinein ſchaue,<lb/>„ſeine Krankheit erkenne, und die dienlichen<lb/>„Heilmittel errathe. Wie wuͤrden Sie das an¬<lb/>„fangen? Wuͤrden Sie mit zarter gewaͤrmter<lb/>„Hand auf den Panzer des Krokodills herum¬<lb/>„ſtreicheln? Gewiß nicht, Sie waͤren zu ver¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[263/0277]
„gerade das Gegentheil. Der Deutſche iſt zahm,
„gutmuͤthig, raͤuberlich aber gar nicht raͤube¬
„riſch, und weint ſo aufrichtige Thraͤnen, als
„ein Kind, wenn es die Ruthe bekoͤmmt. Wenn
„ich das deutſche Volk ein Krokodill genannt,
„ſo geſchah es blos wegen ſeiner Koͤrperbedeckung,
„die ganz der eines Krokodills gleicht. Sie hat
„dicke harte Schuppen, und iſt wie ein Schie¬
„ferdach. Was feſtes darauf faͤllt, prallt ab,
„was fluͤſſiges, fließt hinunter. Jetzt denken
„Sie ſich, meine Herrn, Sie wollten ein ſol¬
„ches Krokodill thieriſch magnetiſiren; zweitens,
„um es ſpaͤter von ſeinen ſchwachen Nerven zu
„heilen; erſtens, um es fruͤher hellſehend zu
„machen, daß es in ſein Inneres hinein ſchaue,
„ſeine Krankheit erkenne, und die dienlichen
„Heilmittel errathe. Wie wuͤrden Sie das an¬
„fangen? Wuͤrden Sie mit zarter gewaͤrmter
„Hand auf den Panzer des Krokodills herum¬
„ſtreicheln? Gewiß nicht, Sie waͤren zu ver¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/277>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.