Stimme erschleichen oder erkaufen. So spre¬ chen sie, um das Gegentheil von dem zu sa¬ gen, was sie denken. Weil es unter den ar¬ men Leuten mehr ehrliche giebt als unter den Reichen, weil sie seltener als die andern sich bestechen lassen, wollen sie die Minister nicht unter den Volksvertretern sehen. Sie mögen uns ihre geheimen Register öffnen, sie mögen uns die Namen ihrer Anhänger, ihrer Angeber, ihrer politischen Kuppler, ihrer Spione lesen lassen -- und dann wird sich's zeigen, ob mehr Reiche, um ihren Ehrgeitz und ihre schnöden Lü¬ ste zu befriedigen, oder mehr Arme, um ihren Hunger zu stillen, das Gewissen verkauft ha¬ ben. Die reichen Leute machen allein die Ge¬ setze, sie allein vertheilen die Auflagen, davon sie den größten und schwersten Theil den Armen aufbürden. Das Herz empört sich, wenn man sieht, mit welcher Ungerechtigkeit alle Staats¬ lasten vertheilt sind. Hat man denn je einen
III. 15
Stimme erſchleichen oder erkaufen. So ſpre¬ chen ſie, um das Gegentheil von dem zu ſa¬ gen, was ſie denken. Weil es unter den ar¬ men Leuten mehr ehrliche giebt als unter den Reichen, weil ſie ſeltener als die andern ſich beſtechen laſſen, wollen ſie die Miniſter nicht unter den Volksvertretern ſehen. Sie moͤgen uns ihre geheimen Regiſter oͤffnen, ſie moͤgen uns die Namen ihrer Anhaͤnger, ihrer Angeber, ihrer politiſchen Kuppler, ihrer Spione leſen laſſen — und dann wird ſich's zeigen, ob mehr Reiche, um ihren Ehrgeitz und ihre ſchnoͤden Luͤ¬ ſte zu befriedigen, oder mehr Arme, um ihren Hunger zu ſtillen, das Gewiſſen verkauft ha¬ ben. Die reichen Leute machen allein die Ge¬ ſetze, ſie allein vertheilen die Auflagen, davon ſie den groͤßten und ſchwerſten Theil den Armen aufbuͤrden. Das Herz empoͤrt ſich, wenn man ſieht, mit welcher Ungerechtigkeit alle Staats¬ laſten vertheilt ſind. Hat man denn je einen
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Stimme erſchleichen oder erkaufen. So ſpre¬
chen ſie, um das Gegentheil von dem zu ſa¬
gen, was ſie denken. Weil es unter den ar¬
men Leuten mehr ehrliche giebt als unter den
Reichen, weil ſie ſeltener als die andern ſich
beſtechen laſſen, wollen ſie die Miniſter nicht
unter den Volksvertretern ſehen. Sie moͤgen
uns ihre geheimen Regiſter oͤffnen, ſie moͤgen
uns die Namen ihrer Anhaͤnger, ihrer Angeber,
ihrer politiſchen Kuppler, ihrer Spione leſen
laſſen — und dann wird ſich's zeigen, ob mehr
Reiche, um ihren Ehrgeitz und ihre ſchnoͤden Luͤ¬
ſte zu befriedigen, oder mehr Arme, um ihren
Hunger zu ſtillen, das Gewiſſen verkauft ha¬
ben. Die reichen Leute machen allein die Ge¬
ſetze, ſie allein vertheilen die Auflagen, davon
ſie den groͤßten und ſchwerſten Theil den Armen
aufbuͤrden. Das Herz empoͤrt ſich, wenn man
ſieht, mit welcher Ungerechtigkeit alle Staats¬
laſten vertheilt ſind. Hat man denn je einen
III. 15
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/239>, abgerufen am 25.11.2024.
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