Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

Er sagt: In meinem Buche wäre keine
neue Idee. "Nichts als leeres, langweiliges
"Kaffeehaus- und Zeitungsgeschwätz, von der
"Oberfläche geschöpfte Bemerkungen, wie tau¬
"send vorlaute Resonnärs sie täglich machen."
Da haben sie den alten Deutschen wieder!
Neue Ideen wollen sie haben! Eine Idee,
wenn sie sie achten sollen, muß eine Hand¬
schrift seyn, auf Pergament geschrieben, in
Schweinsleder gebunden, und als einziges
Exemplar in einer einzigen Bibliothek verwahrt
werden. Was in tausend Jahrbüchern der
Geschichte gedruckt zu lesen, was der Himmel
selbst herabgedonnert, was drei Welttheile
wiederhallten, was der Lastträger auf der Gasse,
wie der Denker in seinem Zimmer, was der
Bürger in seiner Werkstätte, der Bauer hinter
dem Pfluge, der Soldat unter seinem Joche,
der Bettler in seinen Lumpen spricht, denkt,
fühlt, klagt, wünscht und hofft -- das ver¬

13*

Er ſagt: In meinem Buche waͤre keine
neue Idee. „Nichts als leeres, langweiliges
„Kaffeehaus- und Zeitungsgeſchwaͤtz, von der
„Oberflaͤche geſchoͤpfte Bemerkungen, wie tau¬
„ſend vorlaute Reſonnaͤrs ſie taͤglich machen.“
Da haben ſie den alten Deutſchen wieder!
Neue Ideen wollen ſie haben! Eine Idee,
wenn ſie ſie achten ſollen, muß eine Hand¬
ſchrift ſeyn, auf Pergament geſchrieben, in
Schweinsleder gebunden, und als einziges
Exemplar in einer einzigen Bibliothek verwahrt
werden. Was in tauſend Jahrbuͤchern der
Geſchichte gedruckt zu leſen, was der Himmel
ſelbſt herabgedonnert, was drei Welttheile
wiederhallten, was der Laſttraͤger auf der Gaſſe,
wie der Denker in ſeinem Zimmer, was der
Buͤrger in ſeiner Werkſtaͤtte, der Bauer hinter
dem Pfluge, der Soldat unter ſeinem Joche,
der Bettler in ſeinen Lumpen ſpricht, denkt,
fuͤhlt, klagt, wuͤnſcht und hofft — das ver¬

13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0209" n="195"/>
          <p>Er &#x017F;agt: In meinem Buche wa&#x0364;re keine<lb/>
neue <hi rendition="#g">Idee</hi>. &#x201E;Nichts als leeres, langweiliges<lb/>
&#x201E;Kaffeehaus- und Zeitungsge&#x017F;chwa&#x0364;tz, von der<lb/>
&#x201E;Oberfla&#x0364;che ge&#x017F;cho&#x0364;pfte Bemerkungen, wie tau¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;end vorlaute Re&#x017F;onna&#x0364;rs &#x017F;ie ta&#x0364;glich machen.&#x201C;<lb/>
Da haben &#x017F;ie den alten Deut&#x017F;chen wieder!<lb/>
Neue Ideen wollen &#x017F;ie haben! Eine Idee,<lb/>
wenn &#x017F;ie &#x017F;ie achten &#x017F;ollen, muß eine Hand¬<lb/>
&#x017F;chrift &#x017F;eyn, auf Pergament ge&#x017F;chrieben, in<lb/>
Schweinsleder gebunden, und als einziges<lb/>
Exemplar in einer einzigen Bibliothek verwahrt<lb/>
werden. Was in tau&#x017F;end Jahrbu&#x0364;chern der<lb/>
Ge&#x017F;chichte gedruckt zu le&#x017F;en, was der Himmel<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t herabgedonnert, was drei Welttheile<lb/>
wiederhallten, was der La&#x017F;ttra&#x0364;ger auf der Ga&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
wie der Denker in &#x017F;einem Zimmer, was der<lb/>
Bu&#x0364;rger in &#x017F;einer Werk&#x017F;ta&#x0364;tte, der Bauer hinter<lb/>
dem Pfluge, der Soldat unter &#x017F;einem Joche,<lb/>
der Bettler in &#x017F;einen Lumpen &#x017F;pricht, denkt,<lb/>
fu&#x0364;hlt, klagt, wu&#x0364;n&#x017F;cht und hofft &#x2014; das ver¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0209] Er ſagt: In meinem Buche waͤre keine neue Idee. „Nichts als leeres, langweiliges „Kaffeehaus- und Zeitungsgeſchwaͤtz, von der „Oberflaͤche geſchoͤpfte Bemerkungen, wie tau¬ „ſend vorlaute Reſonnaͤrs ſie taͤglich machen.“ Da haben ſie den alten Deutſchen wieder! Neue Ideen wollen ſie haben! Eine Idee, wenn ſie ſie achten ſollen, muß eine Hand¬ ſchrift ſeyn, auf Pergament geſchrieben, in Schweinsleder gebunden, und als einziges Exemplar in einer einzigen Bibliothek verwahrt werden. Was in tauſend Jahrbuͤchern der Geſchichte gedruckt zu leſen, was der Himmel ſelbſt herabgedonnert, was drei Welttheile wiederhallten, was der Laſttraͤger auf der Gaſſe, wie der Denker in ſeinem Zimmer, was der Buͤrger in ſeiner Werkſtaͤtte, der Bauer hinter dem Pfluge, der Soldat unter ſeinem Joche, der Bettler in ſeinen Lumpen ſpricht, denkt, fuͤhlt, klagt, wuͤnſcht und hofft — das ver¬ 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/209
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/209>, abgerufen am 25.04.2024.