Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

lichen Seelen. Das sind schöne männliche See¬
len, die sich eine solche Behandlung gefallen
lassen, und sich dabei nicht soviel rühren, als
die Scholle hinter dem Pfluge! Nichts macht
einen komischeren Eindruck, als wenn man nach
den prächtigen kaiserlichen Strafen der polni¬
schen Rebellen die armseligen Belohnungen liest,
mit welchen man die treugebliebenen Polen er¬
freut. So wurde ein litthauischer Edelmann,
"der beim Ausbruch des Aufstandes seinen Bau¬
ern die Waffen abnahm, und selbst als einfa¬
cher (sollte heißen einfältiger) Freiwilliger in
der russischen Armee gegen die Insurgenten
kämpfte, worin er sich augenscheinlichen Gefah¬
ren aussetzte, in Betracht "seiner so ausgezeich¬
neten treuen Dienstleistungen" -- zum Titu¬
lar-Rath
ernannt. Da sind doch unsere
deutschen Hofräthe klüger; sie setzen sich für
ihre Titel keiner größern Gefahr aus, als höch¬
stens zum Narren gehalten zu werden. Was

lichen Seelen. Das ſind ſchoͤne maͤnnliche See¬
len, die ſich eine ſolche Behandlung gefallen
laſſen, und ſich dabei nicht ſoviel ruͤhren, als
die Scholle hinter dem Pfluge! Nichts macht
einen komiſcheren Eindruck, als wenn man nach
den praͤchtigen kaiſerlichen Strafen der polni¬
ſchen Rebellen die armſeligen Belohnungen lieſt,
mit welchen man die treugebliebenen Polen er¬
freut. So wurde ein litthauiſcher Edelmann,
„der beim Ausbruch des Aufſtandes ſeinen Bau¬
ern die Waffen abnahm, und ſelbſt als einfa¬
cher (ſollte heißen einfaͤltiger) Freiwilliger in
der ruſſiſchen Armee gegen die Inſurgenten
kaͤmpfte, worin er ſich augenſcheinlichen Gefah¬
ren ausſetzte, in Betracht „ſeiner ſo ausgezeich¬
neten treuen Dienſtleiſtungen“ — zum Titu¬
lar-Rath
ernannt. Da ſind doch unſere
deutſchen Hofraͤthe kluͤger; ſie ſetzen ſich fuͤr
ihre Titel keiner groͤßern Gefahr aus, als hoͤch¬
ſtens zum Narren gehalten zu werden. Was

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0192" n="178"/>
lichen Seelen. Das &#x017F;ind &#x017F;cho&#x0364;ne ma&#x0364;nnliche See¬<lb/>
len, die &#x017F;ich eine &#x017F;olche Behandlung gefallen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ich dabei nicht &#x017F;oviel ru&#x0364;hren, als<lb/>
die Scholle hinter dem Pfluge! Nichts macht<lb/>
einen komi&#x017F;cheren Eindruck, als wenn man nach<lb/>
den pra&#x0364;chtigen kai&#x017F;erlichen Strafen der polni¬<lb/>
&#x017F;chen Rebellen die arm&#x017F;eligen Belohnungen lie&#x017F;t,<lb/>
mit welchen man die treugebliebenen Polen er¬<lb/>
freut. So wurde ein litthaui&#x017F;cher Edelmann,<lb/>
&#x201E;der beim Ausbruch des Auf&#x017F;tandes &#x017F;einen Bau¬<lb/>
ern die Waffen abnahm, und &#x017F;elb&#x017F;t als einfa¬<lb/>
cher (&#x017F;ollte heißen einfa&#x0364;ltiger) Freiwilliger in<lb/>
der ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Armee gegen die In&#x017F;urgenten<lb/>
ka&#x0364;mpfte, worin er &#x017F;ich augen&#x017F;cheinlichen Gefah¬<lb/>
ren aus&#x017F;etzte, in Betracht &#x201E;&#x017F;einer &#x017F;o ausgezeich¬<lb/>
neten treuen Dien&#x017F;tlei&#x017F;tungen&#x201C; &#x2014; zum <hi rendition="#g">Titu¬<lb/>
lar-Rath</hi> ernannt. Da &#x017F;ind doch un&#x017F;ere<lb/>
deut&#x017F;chen Hofra&#x0364;the klu&#x0364;ger; &#x017F;ie &#x017F;etzen &#x017F;ich fu&#x0364;r<lb/>
ihre Titel keiner gro&#x0364;ßern Gefahr aus, als ho&#x0364;ch¬<lb/>
&#x017F;tens zum Narren gehalten zu werden. Was<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0192] lichen Seelen. Das ſind ſchoͤne maͤnnliche See¬ len, die ſich eine ſolche Behandlung gefallen laſſen, und ſich dabei nicht ſoviel ruͤhren, als die Scholle hinter dem Pfluge! Nichts macht einen komiſcheren Eindruck, als wenn man nach den praͤchtigen kaiſerlichen Strafen der polni¬ ſchen Rebellen die armſeligen Belohnungen lieſt, mit welchen man die treugebliebenen Polen er¬ freut. So wurde ein litthauiſcher Edelmann, „der beim Ausbruch des Aufſtandes ſeinen Bau¬ ern die Waffen abnahm, und ſelbſt als einfa¬ cher (ſollte heißen einfaͤltiger) Freiwilliger in der ruſſiſchen Armee gegen die Inſurgenten kaͤmpfte, worin er ſich augenſcheinlichen Gefah¬ ren ausſetzte, in Betracht „ſeiner ſo ausgezeich¬ neten treuen Dienſtleiſtungen“ — zum Titu¬ lar-Rath ernannt. Da ſind doch unſere deutſchen Hofraͤthe kluͤger; ſie ſetzen ſich fuͤr ihre Titel keiner groͤßern Gefahr aus, als hoͤch¬ ſtens zum Narren gehalten zu werden. Was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/192
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/192>, abgerufen am 26.04.2024.