Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

ren Blättern ärgern sich gar sehr darüber, und
lassen sagen: ob denn das Mitleid wäre, wenn
man den unglücklichen Polen jeden Abend das
Bild ihrer Leiden vor die Augen bringe? Bis
zur Gemeinheit zeigen sie ihren Aerger. Die
Hauptrolle im Stanislas hat der zwar alte aber
noch immer frische Pottier, und da sagen die
ministeriellen Theater-Artikel, das Stück sollte
nicht heißen la vieillesse de Stanislas, sondern
la vieillesse de Pottier. Sie möchten gern
ihre zugleich niederträchtige und wahnsinnige
Politik, die sie gegen Polen und Rußland be¬
folgt haben, vergessen machen, und es muß sie
darum aufbringen, jeden Abend im Theater die
Begeisterung, den Spott und den Groll der
Pariser neu angefacht zu sehen. Die vielen
Polen, die jetzt hier zusammentreffen, machen
den Ministern grausame Kopfschmerzen, und sie
gehen mit dem Gedanken um, sie alle nach
dem südlichen Frankreich zu verweisen. Es ist

ren Blaͤttern aͤrgern ſich gar ſehr daruͤber, und
laſſen ſagen: ob denn das Mitleid waͤre, wenn
man den ungluͤcklichen Polen jeden Abend das
Bild ihrer Leiden vor die Augen bringe? Bis
zur Gemeinheit zeigen ſie ihren Aerger. Die
Hauptrolle im Stanislas hat der zwar alte aber
noch immer friſche Pottier, und da ſagen die
miniſteriellen Theater-Artikel, das Stuͤck ſollte
nicht heißen la vieillesse de Stanislas, ſondern
la vieillesse de Pottier. Sie moͤchten gern
ihre zugleich niedertraͤchtige und wahnſinnige
Politik, die ſie gegen Polen und Rußland be¬
folgt haben, vergeſſen machen, und es muß ſie
darum aufbringen, jeden Abend im Theater die
Begeiſterung, den Spott und den Groll der
Pariſer neu angefacht zu ſehen. Die vielen
Polen, die jetzt hier zuſammentreffen, machen
den Miniſtern grauſame Kopfſchmerzen, und ſie
gehen mit dem Gedanken um, ſie alle nach
dem ſuͤdlichen Frankreich zu verweiſen. Es iſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0189" n="175"/>
ren Bla&#x0364;ttern a&#x0364;rgern &#x017F;ich gar &#x017F;ehr daru&#x0364;ber, und<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;agen: ob denn das Mitleid wa&#x0364;re, wenn<lb/>
man den unglu&#x0364;cklichen Polen jeden Abend das<lb/>
Bild ihrer Leiden vor die Augen bringe? Bis<lb/>
zur Gemeinheit zeigen &#x017F;ie ihren Aerger. Die<lb/>
Hauptrolle im <hi rendition="#aq">Stanislas</hi> hat der zwar alte aber<lb/>
noch immer fri&#x017F;che Pottier, und da &#x017F;agen die<lb/>
mini&#x017F;teriellen Theater-Artikel, das Stu&#x0364;ck &#x017F;ollte<lb/>
nicht heißen <hi rendition="#aq">la vieillesse de Stanislas</hi>, &#x017F;ondern<lb/><hi rendition="#aq">la vieillesse de Pottier</hi>. Sie mo&#x0364;chten gern<lb/>
ihre zugleich niedertra&#x0364;chtige und wahn&#x017F;innige<lb/>
Politik, die &#x017F;ie gegen Polen und Rußland be¬<lb/>
folgt haben, verge&#x017F;&#x017F;en machen, und es muß &#x017F;ie<lb/>
darum aufbringen, jeden Abend im Theater die<lb/>
Begei&#x017F;terung, den Spott und den Groll der<lb/>
Pari&#x017F;er neu angefacht zu &#x017F;ehen. Die vielen<lb/>
Polen, die jetzt hier zu&#x017F;ammentreffen, machen<lb/>
den Mini&#x017F;tern grau&#x017F;ame Kopf&#x017F;chmerzen, und &#x017F;ie<lb/>
gehen mit dem Gedanken um, &#x017F;ie alle nach<lb/>
dem &#x017F;u&#x0364;dlichen Frankreich zu verwei&#x017F;en. Es i&#x017F;t<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0189] ren Blaͤttern aͤrgern ſich gar ſehr daruͤber, und laſſen ſagen: ob denn das Mitleid waͤre, wenn man den ungluͤcklichen Polen jeden Abend das Bild ihrer Leiden vor die Augen bringe? Bis zur Gemeinheit zeigen ſie ihren Aerger. Die Hauptrolle im Stanislas hat der zwar alte aber noch immer friſche Pottier, und da ſagen die miniſteriellen Theater-Artikel, das Stuͤck ſollte nicht heißen la vieillesse de Stanislas, ſondern la vieillesse de Pottier. Sie moͤchten gern ihre zugleich niedertraͤchtige und wahnſinnige Politik, die ſie gegen Polen und Rußland be¬ folgt haben, vergeſſen machen, und es muß ſie darum aufbringen, jeden Abend im Theater die Begeiſterung, den Spott und den Groll der Pariſer neu angefacht zu ſehen. Die vielen Polen, die jetzt hier zuſammentreffen, machen den Miniſtern grauſame Kopfſchmerzen, und ſie gehen mit dem Gedanken um, ſie alle nach dem ſuͤdlichen Frankreich zu verweiſen. Es iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/189
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/189>, abgerufen am 24.11.2024.