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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

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träger, Schriftsteller und Zahnärzte zu Rathe
gezogen, sey er endlich bei der Idee stehen ge¬
blieben: daß die Tochter des I. G. Mil¬
ler ein Sohn sey
. Diese Sache ist für ei¬
nen Franzosen zu tief, in Deutschland wird man
es leichter herausbringen. Machen Sie sich al¬
so an das Werk. Ich hätte große Lust die Sa¬
che in eine Frankfurter Zeitung zu setzen, um
die dortigen Gelehrten aufzufordern sich mit die¬
ser wichtigen Angelegenheit zu beschäftigen: aber
die Censur würde den Artikel streichen. Denn
das Mädchen aus dem Thale heißt unglücklicher
Weise Betzy, und diesen Namen führt auch in
Frankfurt ein Pastetenbäcker. Es wäre Preßfrech¬
heit, so etwas drucken zu lassen.

Nichts pikanteres giebt es zum Frühstücke, als
die täglich hier erscheinenden kleinen Blätter nicht¬
politischen Inhalts. Es ist wie Austern und Ca¬
viar. Mich wundert nur, daß bei dem großen
Beifalle, den sie nothwendig finden müssen, de¬

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traͤger, Schriftſteller und Zahnaͤrzte zu Rathe
gezogen, ſey er endlich bei der Idee ſtehen ge¬
blieben: daß die Tochter des I. G. Mil¬
ler ein Sohn ſey
. Dieſe Sache iſt fuͤr ei¬
nen Franzoſen zu tief, in Deutſchland wird man
es leichter herausbringen. Machen Sie ſich al¬
ſo an das Werk. Ich haͤtte große Luſt die Sa¬
che in eine Frankfurter Zeitung zu ſetzen, um
die dortigen Gelehrten aufzufordern ſich mit die¬
ſer wichtigen Angelegenheit zu beſchaͤftigen: aber
die Cenſur wuͤrde den Artikel ſtreichen. Denn
das Maͤdchen aus dem Thale heißt ungluͤcklicher
Weiſe Betzy, und dieſen Namen fuͤhrt auch in
Frankfurt ein Paſtetenbaͤcker. Es waͤre Preßfrech¬
heit, ſo etwas drucken zu laſſen.

Nichts pikanteres giebt es zum Fruͤhſtuͤcke, als
die taͤglich hier erſcheinenden kleinen Blaͤtter nicht¬
politiſchen Inhalts. Es iſt wie Auſtern und Ca¬
viar. Mich wundert nur, daß bei dem großen
Beifalle, den ſie nothwendig finden muͤſſen, de¬

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[163/0177] traͤger, Schriftſteller und Zahnaͤrzte zu Rathe gezogen, ſey er endlich bei der Idee ſtehen ge¬ blieben: daß die Tochter des I. G. Mil¬ ler ein Sohn ſey. Dieſe Sache iſt fuͤr ei¬ nen Franzoſen zu tief, in Deutſchland wird man es leichter herausbringen. Machen Sie ſich al¬ ſo an das Werk. Ich haͤtte große Luſt die Sa¬ che in eine Frankfurter Zeitung zu ſetzen, um die dortigen Gelehrten aufzufordern ſich mit die¬ ſer wichtigen Angelegenheit zu beſchaͤftigen: aber die Cenſur wuͤrde den Artikel ſtreichen. Denn das Maͤdchen aus dem Thale heißt ungluͤcklicher Weiſe Betzy, und dieſen Namen fuͤhrt auch in Frankfurt ein Paſtetenbaͤcker. Es waͤre Preßfrech¬ heit, ſo etwas drucken zu laſſen. Nichts pikanteres giebt es zum Fruͤhſtuͤcke, als die taͤglich hier erſcheinenden kleinen Blaͤtter nicht¬ politiſchen Inhalts. Es iſt wie Auſtern und Ca¬ viar. Mich wundert nur, daß bei dem großen Beifalle, den ſie nothwendig finden muͤſſen, de¬ 11 *

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/177>, abgerufen am 25.04.2024.