Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

glücklichen Zeit wenigstens die Schadenfreude,
wahrzunehmen, wie sehr sich die deutschen
Fürsten seit einem Jahre geärgert haben.
Jetzt steigt ihnen die Säure auf, so stark, in
solcher Menge, daß man die ganze nordische
Briefpost an der französischen Grenze damit
desinfiziren könnte. Es giebt doch nichts ko¬
mischers, als solch eine altväterische Regie¬
rung. Von der Cholera, die doch gewiß kon¬
tagiös ist, haben sie aus politischen Gründen
behauptet, sie sey miasmatisch, und von der
Politik, die miasmatisch ist, behaupten sie aus
cholerischen Gründen, sie sey kontagiös. O!
Doch will ich mit diesem O! keineswegs ge¬
sagt haben, daß mir der König Philipp nicht
auch soll gestohlen werden. Hat mir dieser
Volks-König, der sich ein halbes Jahr lang
den Parisern nie anders zeigt, als wie ein
deutscher Opern-König mit der Hand auf
dem Herzen, ein großes Stück von meinen

gluͤcklichen Zeit wenigſtens die Schadenfreude,
wahrzunehmen, wie ſehr ſich die deutſchen
Fuͤrſten ſeit einem Jahre geaͤrgert haben.
Jetzt ſteigt ihnen die Saͤure auf, ſo ſtark, in
ſolcher Menge, daß man die ganze nordiſche
Briefpoſt an der franzoͤſiſchen Grenze damit
desinfiziren koͤnnte. Es giebt doch nichts ko¬
miſchers, als ſolch eine altvaͤteriſche Regie¬
rung. Von der Cholera, die doch gewiß kon¬
tagioͤs iſt, haben ſie aus politiſchen Gruͤnden
behauptet, ſie ſey miasmatiſch, und von der
Politik, die miasmatiſch iſt, behaupten ſie aus
choleriſchen Gruͤnden, ſie ſey kontagioͤs. O!
Doch will ich mit dieſem O! keineswegs ge¬
ſagt haben, daß mir der Koͤnig Philipp nicht
auch ſoll geſtohlen werden. Hat mir dieſer
Volks-Koͤnig, der ſich ein halbes Jahr lang
den Pariſern nie anders zeigt, als wie ein
deutſcher Opern-Koͤnig mit der Hand auf
dem Herzen, ein großes Stuͤck von meinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0151" n="137"/>
glu&#x0364;cklichen Zeit wenig&#x017F;tens die Schadenfreude,<lb/>
wahrzunehmen, wie &#x017F;ehr &#x017F;ich die deut&#x017F;chen<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;eit einem Jahre gea&#x0364;rgert haben.<lb/>
Jetzt &#x017F;teigt ihnen die Sa&#x0364;ure auf, &#x017F;o &#x017F;tark, in<lb/>
&#x017F;olcher Menge, daß man die ganze nordi&#x017F;che<lb/>
Briefpo&#x017F;t an der franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Grenze damit<lb/>
desinfiziren ko&#x0364;nnte. Es giebt doch nichts ko¬<lb/>
mi&#x017F;chers, als &#x017F;olch eine altva&#x0364;teri&#x017F;che Regie¬<lb/>
rung. Von der Cholera, die doch gewiß kon¬<lb/>
tagio&#x0364;s i&#x017F;t, haben &#x017F;ie aus politi&#x017F;chen Gru&#x0364;nden<lb/>
behauptet, &#x017F;ie &#x017F;ey miasmati&#x017F;ch, und von der<lb/>
Politik, die miasmati&#x017F;ch i&#x017F;t, behaupten &#x017F;ie aus<lb/>
choleri&#x017F;chen Gru&#x0364;nden, &#x017F;ie &#x017F;ey kontagio&#x0364;s. O!<lb/>
Doch will ich mit die&#x017F;em O! keineswegs ge¬<lb/>
&#x017F;agt haben, daß mir der Ko&#x0364;nig Philipp nicht<lb/>
auch &#x017F;oll ge&#x017F;tohlen werden. Hat mir die&#x017F;er<lb/>
Volks-Ko&#x0364;nig, der &#x017F;ich ein halbes Jahr lang<lb/>
den Pari&#x017F;ern nie anders zeigt, als wie ein<lb/>
deut&#x017F;cher Opern-Ko&#x0364;nig mit der Hand auf<lb/>
dem Herzen, ein großes Stu&#x0364;ck von meinen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0151] gluͤcklichen Zeit wenigſtens die Schadenfreude, wahrzunehmen, wie ſehr ſich die deutſchen Fuͤrſten ſeit einem Jahre geaͤrgert haben. Jetzt ſteigt ihnen die Saͤure auf, ſo ſtark, in ſolcher Menge, daß man die ganze nordiſche Briefpoſt an der franzoͤſiſchen Grenze damit desinfiziren koͤnnte. Es giebt doch nichts ko¬ miſchers, als ſolch eine altvaͤteriſche Regie¬ rung. Von der Cholera, die doch gewiß kon¬ tagioͤs iſt, haben ſie aus politiſchen Gruͤnden behauptet, ſie ſey miasmatiſch, und von der Politik, die miasmatiſch iſt, behaupten ſie aus choleriſchen Gruͤnden, ſie ſey kontagioͤs. O! Doch will ich mit dieſem O! keineswegs ge¬ ſagt haben, daß mir der Koͤnig Philipp nicht auch ſoll geſtohlen werden. Hat mir dieſer Volks-Koͤnig, der ſich ein halbes Jahr lang den Pariſern nie anders zeigt, als wie ein deutſcher Opern-Koͤnig mit der Hand auf dem Herzen, ein großes Stuͤck von meinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/151
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/151>, abgerufen am 28.03.2024.