Adel; es sind keine parfümirten Diplomaten in seidenen Strümpfen und glasirten Hand¬ schuhen -- es ist eine Militair-Aristokratie, es sind die reichen wilden Janitscharen. Aber freilich ist Mahomet nicht am Kreuze gestor¬ ben, und Dulden und Warten wird seinen Gläubigen nicht als Heldenmuth gelehrt. Ich begreife nur nicht, wie sich der Sultan jetzt schon so viele Jahre, unter seinen zahllosen Feinden, gegen die, im Dunkeln schleichend, kein Muth schützt, hat erhalten können. Ganz gewiß ließ er sich von Wien einen Kunstverständigen kommen, der ihm eine ge¬ heime Polizei auf christlichen Fuße eingerich¬ tet hat.
Der König von Würtemberg hat einen öffentlichen Befehl erlassen, wodurch den Of¬ fizieren streng untersagt wird, von Politik zu sprechen und Gesellschaften zu besuchen, worin dieses geschieht. Ich habe doch in dieser un¬
Adel; es ſind keine parfuͤmirten Diplomaten in ſeidenen Struͤmpfen und glaſirten Hand¬ ſchuhen — es iſt eine Militair-Ariſtokratie, es ſind die reichen wilden Janitſcharen. Aber freilich iſt Mahomet nicht am Kreuze geſtor¬ ben, und Dulden und Warten wird ſeinen Glaͤubigen nicht als Heldenmuth gelehrt. Ich begreife nur nicht, wie ſich der Sultan jetzt ſchon ſo viele Jahre, unter ſeinen zahlloſen Feinden, gegen die, im Dunkeln ſchleichend, kein Muth ſchuͤtzt, hat erhalten koͤnnen. Ganz gewiß ließ er ſich von Wien einen Kunſtverſtaͤndigen kommen, der ihm eine ge¬ heime Polizei auf chriſtlichen Fuße eingerich¬ tet hat.
Der Koͤnig von Wuͤrtemberg hat einen oͤffentlichen Befehl erlaſſen, wodurch den Of¬ fizieren ſtreng unterſagt wird, von Politik zu ſprechen und Geſellſchaften zu beſuchen, worin dieſes geſchieht. Ich habe doch in dieſer un¬
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Adel; es ſind keine parfuͤmirten Diplomaten
in ſeidenen Struͤmpfen und glaſirten Hand¬
ſchuhen — es iſt eine Militair-Ariſtokratie,
es ſind die reichen wilden Janitſcharen. Aber
freilich iſt Mahomet nicht am Kreuze geſtor¬
ben, und Dulden und Warten wird ſeinen
Glaͤubigen nicht als Heldenmuth gelehrt. Ich
begreife nur nicht, wie ſich der Sultan jetzt
ſchon ſo viele Jahre, unter ſeinen zahlloſen
Feinden, gegen die, im Dunkeln ſchleichend,
kein Muth ſchuͤtzt, hat erhalten koͤnnen.
Ganz gewiß ließ er ſich von Wien einen
Kunſtverſtaͤndigen kommen, der ihm eine ge¬
heime Polizei auf chriſtlichen Fuße eingerich¬
tet hat.
Der Koͤnig von Wuͤrtemberg hat einen
oͤffentlichen Befehl erlaſſen, wodurch den Of¬
fizieren ſtreng unterſagt wird, von Politik zu
ſprechen und Geſellſchaften zu beſuchen, worin
dieſes geſchieht. Ich habe doch in dieſer un¬
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/150>, abgerufen am 27.11.2024.
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