wie verwünsche ich die Cholera, daß sie mir durch ihre Räucherungen mein Glück so ver¬ säuert! Sie fragen mich: wie es denn meine Bekannten hier machen, wenn die Cholera kömmt? Mein Gott, wenn Sie darunter fremde Deutsche verstehen, so sind ja das meistens sorgenlose junge Leute, die erstens solche Gefahren gar nicht beunruhigen, und die, da es ihnen oft an Geld fehlt, an wei¬ te Flucht nicht denken können. Heine sagt mir, er würde nicht hier bleiben, sondern nach der Schweiz gehen. Sie können sich denken, daß die reichen lebenslustigen Pariser, die keine Nothwendigkeit an Paris fesselt, fortlaufen werden. Was mich betrifft, so will ich mir voraus gar nicht darüber den Kopf zerbrechen. Da die Nachricht von der Cholera in England heute widerrufen wird, sehe ich nicht ein, wie sie so schnell nach Paris kommen soll, und das wird sich wohl noch bis zum Frühlinge
9*
wie verwuͤnſche ich die Cholera, daß ſie mir durch ihre Raͤucherungen mein Gluͤck ſo ver¬ ſaͤuert! Sie fragen mich: wie es denn meine Bekannten hier machen, wenn die Cholera koͤmmt? Mein Gott, wenn Sie darunter fremde Deutſche verſtehen, ſo ſind ja das meiſtens ſorgenloſe junge Leute, die erſtens ſolche Gefahren gar nicht beunruhigen, und die, da es ihnen oft an Geld fehlt, an wei¬ te Flucht nicht denken koͤnnen. Heine ſagt mir, er wuͤrde nicht hier bleiben, ſondern nach der Schweiz gehen. Sie koͤnnen ſich denken, daß die reichen lebensluſtigen Pariſer, die keine Nothwendigkeit an Paris feſſelt, fortlaufen werden. Was mich betrifft, ſo will ich mir voraus gar nicht daruͤber den Kopf zerbrechen. Da die Nachricht von der Cholera in England heute widerrufen wird, ſehe ich nicht ein, wie ſie ſo ſchnell nach Paris kommen ſoll, und das wird ſich wohl noch bis zum Fruͤhlinge
9*
<TEI><text><body><divn="1"><div><p><pbfacs="#f0145"n="131"/>
wie verwuͤnſche ich die Cholera, daß ſie mir<lb/>
durch ihre Raͤucherungen mein Gluͤck ſo ver¬<lb/>ſaͤuert! Sie fragen mich: wie es denn meine<lb/>
Bekannten hier machen, wenn die Cholera<lb/>
koͤmmt? Mein Gott, wenn Sie darunter<lb/>
fremde Deutſche verſtehen, ſo ſind ja das<lb/>
meiſtens ſorgenloſe junge Leute, die erſtens<lb/>ſolche Gefahren gar nicht beunruhigen, und<lb/>
die, da es ihnen oft an Geld fehlt, an wei¬<lb/>
te Flucht nicht denken koͤnnen. Heine ſagt<lb/>
mir, er wuͤrde nicht hier bleiben, ſondern nach<lb/>
der Schweiz gehen. Sie koͤnnen ſich denken,<lb/>
daß die reichen lebensluſtigen Pariſer, die keine<lb/>
Nothwendigkeit an Paris feſſelt, fortlaufen<lb/>
werden. Was mich betrifft, ſo will ich mir<lb/>
voraus gar nicht daruͤber den Kopf zerbrechen.<lb/>
Da die Nachricht von der Cholera in England<lb/>
heute widerrufen wird, ſehe ich nicht ein, wie<lb/>ſie ſo ſchnell nach Paris kommen ſoll, und<lb/>
das wird ſich wohl noch bis zum Fruͤhlinge<lb/><fwplace="bottom"type="sig">9*<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[131/0145]
wie verwuͤnſche ich die Cholera, daß ſie mir
durch ihre Raͤucherungen mein Gluͤck ſo ver¬
ſaͤuert! Sie fragen mich: wie es denn meine
Bekannten hier machen, wenn die Cholera
koͤmmt? Mein Gott, wenn Sie darunter
fremde Deutſche verſtehen, ſo ſind ja das
meiſtens ſorgenloſe junge Leute, die erſtens
ſolche Gefahren gar nicht beunruhigen, und
die, da es ihnen oft an Geld fehlt, an wei¬
te Flucht nicht denken koͤnnen. Heine ſagt
mir, er wuͤrde nicht hier bleiben, ſondern nach
der Schweiz gehen. Sie koͤnnen ſich denken,
daß die reichen lebensluſtigen Pariſer, die keine
Nothwendigkeit an Paris feſſelt, fortlaufen
werden. Was mich betrifft, ſo will ich mir
voraus gar nicht daruͤber den Kopf zerbrechen.
Da die Nachricht von der Cholera in England
heute widerrufen wird, ſehe ich nicht ein, wie
ſie ſo ſchnell nach Paris kommen ſoll, und
das wird ſich wohl noch bis zum Fruͤhlinge
9*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/145>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.