Sie mag eine muntere Französin seyn, denn die Sentimentalität, die sie manchmal versucht, gelingt ihr gar nicht; sie bringt keine Thräne zu Stande, und wenn sie darauf hinarbeitet, sieht es so komisch aus, wie ein Mensch, der niesen möchte und nicht kann. "Une fete au Palais-Royal" von Salvandy, dem Schüler Chateaubriands in Styl und Politik, beschreibt das glänzende Fest, welches der Herzog von Orleans vier Wochen vor der Revolution dem Könige von Neapel gegeben, wobei Charles X. zugegen war. Da war leicht schön beschreiben; schon dieses mein kurzes Inhalts-Verzeichniß ist ein Gemälde, ein Gedicht, ein Drama. Sal¬ vandy ist einer von den bequemen Carlisten, die in Pantoffeln und im Schlafrock die Rück¬ kehr Heinrichs V. abwarten, und unterdessen manche Thräne in ihren Wein fallen lassen. Er erinnert sich mit Wehmuth jenes herrlichen Festes, das auf der Grenze zweier Mon¬
8 *
Sie mag eine muntere Franzoͤſin ſeyn, denn die Sentimentalitaͤt, die ſie manchmal verſucht, gelingt ihr gar nicht; ſie bringt keine Thraͤne zu Stande, und wenn ſie darauf hinarbeitet, ſieht es ſo komiſch aus, wie ein Menſch, der nieſen moͤchte und nicht kann. „Une fête au Palais-Royal“ von Salvandy, dem Schuͤler Chateaubriands in Styl und Politik, beſchreibt das glaͤnzende Feſt, welches der Herzog von Orleans vier Wochen vor der Revolution dem Koͤnige von Neapel gegeben, wobei Charles X. zugegen war. Da war leicht ſchoͤn beſchreiben; ſchon dieſes mein kurzes Inhalts-Verzeichniß iſt ein Gemaͤlde, ein Gedicht, ein Drama. Sal¬ vandy iſt einer von den bequemen Carliſten, die in Pantoffeln und im Schlafrock die Ruͤck¬ kehr Heinrichs V. abwarten, und unterdeſſen manche Thraͤne in ihren Wein fallen laſſen. Er erinnert ſich mit Wehmuth jenes herrlichen Feſtes, das auf der Grenze zweier Mon¬
8 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0129"n="115"/>
Sie mag eine muntere Franzoͤſin ſeyn, denn<lb/>
die Sentimentalitaͤt, die ſie manchmal verſucht,<lb/>
gelingt ihr gar nicht; ſie bringt keine Thraͤne<lb/>
zu Stande, und wenn ſie darauf hinarbeitet,<lb/>ſieht es ſo komiſch aus, wie ein Menſch, der<lb/>
nieſen moͤchte und nicht kann. „<hirendition="#aq">Une fête au<lb/>
Palais-Royal</hi>“ von Salvandy, dem Schuͤler<lb/>
Chateaubriands in Styl und Politik, beſchreibt<lb/>
das glaͤnzende Feſt, welches der Herzog von<lb/>
Orleans vier Wochen vor der Revolution dem<lb/>
Koͤnige von Neapel gegeben, wobei Charles <hirendition="#aq">X</hi>.<lb/>
zugegen war. Da war leicht ſchoͤn beſchreiben;<lb/>ſchon dieſes mein kurzes Inhalts-Verzeichniß iſt<lb/>
ein Gemaͤlde, ein Gedicht, ein Drama. Sal¬<lb/>
vandy iſt einer von den bequemen Carliſten,<lb/>
die in Pantoffeln und im Schlafrock die Ruͤck¬<lb/>
kehr Heinrichs <hirendition="#aq">V</hi>. abwarten, und unterdeſſen<lb/>
manche Thraͤne in ihren Wein fallen laſſen.<lb/>
Er erinnert ſich mit Wehmuth jenes herrlichen<lb/>
Feſtes, das auf <hirendition="#g">der Grenze zweier Mon¬</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">8 *<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[115/0129]
Sie mag eine muntere Franzoͤſin ſeyn, denn
die Sentimentalitaͤt, die ſie manchmal verſucht,
gelingt ihr gar nicht; ſie bringt keine Thraͤne
zu Stande, und wenn ſie darauf hinarbeitet,
ſieht es ſo komiſch aus, wie ein Menſch, der
nieſen moͤchte und nicht kann. „Une fête au
Palais-Royal“ von Salvandy, dem Schuͤler
Chateaubriands in Styl und Politik, beſchreibt
das glaͤnzende Feſt, welches der Herzog von
Orleans vier Wochen vor der Revolution dem
Koͤnige von Neapel gegeben, wobei Charles X.
zugegen war. Da war leicht ſchoͤn beſchreiben;
ſchon dieſes mein kurzes Inhalts-Verzeichniß iſt
ein Gemaͤlde, ein Gedicht, ein Drama. Sal¬
vandy iſt einer von den bequemen Carliſten,
die in Pantoffeln und im Schlafrock die Ruͤck¬
kehr Heinrichs V. abwarten, und unterdeſſen
manche Thraͤne in ihren Wein fallen laſſen.
Er erinnert ſich mit Wehmuth jenes herrlichen
Feſtes, das auf der Grenze zweier Mon¬
8 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/129>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.