Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.werth) wäre so übel gar nicht, aber es ist sentimen¬ -- Im Gymnase sah ich auch die Leontine Fay werth) wäre ſo übel gar nicht, aber es iſt ſentimen¬ — Im Gymnaſe ſah ich auch die Leontine Fay <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0090" n="76"/> werth) wäre ſo übel gar nicht, aber es iſt ſentimen¬<lb/> tal auf deutſche Art, und wenn man Franzoſen bür¬<lb/> gerliche Thränen vergießen ſieht, möchte man ſich ge¬<lb/> rade todt lachen; es gibt nichts komiſcheres. Und dann<lb/> die Vaudeville-Form, die leichten Liederchen zwiſchen<lb/> den ſchwerſten Empfindungen. Das iſt gerade das<lb/> Gegentheil von unſern deutſchen Opern. Wenn bei<lb/> uns die Sänger die Höhe einer Arie erreicht haben,<lb/> bleiben ſie ſtehen um auszuſchnaufen, und ſprechen<lb/> zu ihrer Erholung proſaiſches dummes Zeug. Die<lb/> Franzoſen aber in den Baudevillen, keuchen den pro¬<lb/> ſaiſchen Steg hinauf und oben machen ſie Halt und<lb/> ſingen, bis ihnen das Herz wieder ruhig geworden.</p><lb/> <p>— Im Gymnaſe ſah ich auch die Leontine Fay<lb/> wieder, die uns vor ſieben Jahren in Kinderrollen<lb/> ſo vieles Vergnügen gemacht. Aus dem artigen<lb/> Kinde iſt eine große ſchöne und prächtige Dame ge¬<lb/> worden, aus dem Kolibri ein Vogel Strauß. Sie<lb/> ſpielt gut, auch verſtändig; aber etwas ſteif, etwas<lb/> ſchwer. Sie iſt zugleich Gouvernante und Zögling,<lb/> und ruft ſich immerfort zu: grade gehalten, Fräulein,<lb/> Sie ſind kein Kind mehr! Sie hat große herrliche<lb/> Augen, und weiß es, und damit bombardirt ſie das<lb/> Haus, daß man jeden Augenblick erwartet, es werde<lb/> zuſammen brechen. Dieſes Kokettiren gibt ihrem Ge¬<lb/> ſicht, ihrem Spiele eine ganz falſche Art. Um ihre<lb/> großen Augen zu zeigen, nimmt ſie oft eine nach¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0090]
werth) wäre ſo übel gar nicht, aber es iſt ſentimen¬
tal auf deutſche Art, und wenn man Franzoſen bür¬
gerliche Thränen vergießen ſieht, möchte man ſich ge¬
rade todt lachen; es gibt nichts komiſcheres. Und dann
die Vaudeville-Form, die leichten Liederchen zwiſchen
den ſchwerſten Empfindungen. Das iſt gerade das
Gegentheil von unſern deutſchen Opern. Wenn bei
uns die Sänger die Höhe einer Arie erreicht haben,
bleiben ſie ſtehen um auszuſchnaufen, und ſprechen
zu ihrer Erholung proſaiſches dummes Zeug. Die
Franzoſen aber in den Baudevillen, keuchen den pro¬
ſaiſchen Steg hinauf und oben machen ſie Halt und
ſingen, bis ihnen das Herz wieder ruhig geworden.
— Im Gymnaſe ſah ich auch die Leontine Fay
wieder, die uns vor ſieben Jahren in Kinderrollen
ſo vieles Vergnügen gemacht. Aus dem artigen
Kinde iſt eine große ſchöne und prächtige Dame ge¬
worden, aus dem Kolibri ein Vogel Strauß. Sie
ſpielt gut, auch verſtändig; aber etwas ſteif, etwas
ſchwer. Sie iſt zugleich Gouvernante und Zögling,
und ruft ſich immerfort zu: grade gehalten, Fräulein,
Sie ſind kein Kind mehr! Sie hat große herrliche
Augen, und weiß es, und damit bombardirt ſie das
Haus, daß man jeden Augenblick erwartet, es werde
zuſammen brechen. Dieſes Kokettiren gibt ihrem Ge¬
ſicht, ihrem Spiele eine ganz falſche Art. Um ihre
großen Augen zu zeigen, nimmt ſie oft eine nach¬
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