Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Freiheit gefährlich ist nur Oesterreich allein. Die Freiheit gefährlich iſt nur Oeſterreich allein. Die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0068" n="54"/> Freiheit gefährlich iſt nur Oeſterreich allein. Die<lb/> Andern haben den Völkern nur die Freiheit geraubt;<lb/> Oeſterreich aber hat gemacht, daß ſie der Freiheit<lb/> unwürdig geworden. Wie das Herz der Welt über¬<lb/> haupt, ſo hat auch jedes Herz, auch des beſten Men¬<lb/> ſchen, einen Fleck, der iſt gut öſterreichiſch geſinnt<lb/> — er iſt das böſe Prinzip. Dieſen ſchwarzen Fleck<lb/> in der Welt wie im Menſchen, weiß Oeſterreich zu<lb/> treffen, und darum gelingt ihm ſo vieles. Jetzt wol¬<lb/> len wir ſehen, ob ihm Gott eine Arche gebauet, die<lb/> es allein rettet in dieſer allgemeinen Sündfluth. Aber<lb/> wie wird uns ſeyn, wenn Spanien und Portugal,<lb/> Italien und Polen frei ſeyn werden und wir noch<lb/> im Kerker ſchmachten? Wie wird uns ſeyn, wenn<lb/> im Lande Lojola's und des Papſtes die Preßfreiheit<lb/> grünt, dieſe Wurzel und Blüthe aller Freiheit und<lb/> dem Volke Luthers wird noch die Hand geführt, wie<lb/> dem Schulbübchen vom Schreibmeiſter? Wo ver¬<lb/> bergen wir unſre Schande? Die Vögel werden uns<lb/> auspfeifen, die Hunde werden uns anbellen, die Fi¬<lb/> ſche im Waſſer werden Stimme bekommen uns zu<lb/> verſpotten. Ach, Luther! — wie unglücklich hat der<lb/> uns gemacht! Er nahm uns das Herz und gab<lb/> uns Logik; er nahm uns den Glauben und gab uns<lb/> das Wiſſen; er lehrte uns rechnen und nahm uns<lb/> den Muth, der nicht zählet. Er hat uns die Frei¬<lb/> heit, dreihundert Jahre ehe ſie fällig war, ausbezahlt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0068]
Freiheit gefährlich iſt nur Oeſterreich allein. Die
Andern haben den Völkern nur die Freiheit geraubt;
Oeſterreich aber hat gemacht, daß ſie der Freiheit
unwürdig geworden. Wie das Herz der Welt über¬
haupt, ſo hat auch jedes Herz, auch des beſten Men¬
ſchen, einen Fleck, der iſt gut öſterreichiſch geſinnt
— er iſt das böſe Prinzip. Dieſen ſchwarzen Fleck
in der Welt wie im Menſchen, weiß Oeſterreich zu
treffen, und darum gelingt ihm ſo vieles. Jetzt wol¬
len wir ſehen, ob ihm Gott eine Arche gebauet, die
es allein rettet in dieſer allgemeinen Sündfluth. Aber
wie wird uns ſeyn, wenn Spanien und Portugal,
Italien und Polen frei ſeyn werden und wir noch
im Kerker ſchmachten? Wie wird uns ſeyn, wenn
im Lande Lojola's und des Papſtes die Preßfreiheit
grünt, dieſe Wurzel und Blüthe aller Freiheit und
dem Volke Luthers wird noch die Hand geführt, wie
dem Schulbübchen vom Schreibmeiſter? Wo ver¬
bergen wir unſre Schande? Die Vögel werden uns
auspfeifen, die Hunde werden uns anbellen, die Fi¬
ſche im Waſſer werden Stimme bekommen uns zu
verſpotten. Ach, Luther! — wie unglücklich hat der
uns gemacht! Er nahm uns das Herz und gab
uns Logik; er nahm uns den Glauben und gab uns
das Wiſſen; er lehrte uns rechnen und nahm uns
den Muth, der nicht zählet. Er hat uns die Frei¬
heit, dreihundert Jahre ehe ſie fällig war, ausbezahlt
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