Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.machte blos die Reise hierher, um im Conzert, das 4*
machte blos die Reiſe hierher, um im Conzert, das 4*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0065" n="51"/> machte blos die Reiſe hierher, um im Conzert, das<lb/> morgen über acht Tage für die Polen gegeben wird,<lb/> mitzuſpielen. Der alte Lafayette leitet das alles.<lb/> Daß iſt doch gewiß der glücklichſte Menſch in der<lb/> ganzen Weltgeſchichte. Ihm ging die Sonne heiter<lb/> auf, ſie geht ihm heiter unter, und bei jedem Sturme<lb/> in der Mitte ſeines Lebens, fand er ein Obdach un¬<lb/> ter ſeinem Glauben. Für die Polen fürchte ich jetzt<lb/> nichts mehr, als ſie ſelbſt. Ich kann nicht wiſſen,<lb/> wie es im Lande ausſieht. Mächtig dort iſt nur der<lb/> Adel allein, der Bürgerſtand iſt noch ſchwach. Wenn<lb/> nun dem Adel mehr daran gelegen wäre, Polens<lb/> Unabhängigkeit als Polens Freiheit zu erlangen! Ich<lb/> las ſchon einigemal in den Blättern, man habe die<lb/> polniſche Krone dem Erzherzog Carl angeboten, und<lb/> Oeſterreich wolle ſie annehmen und hundert tauſend<lb/> Mann gegen die Ruſſen ſchicken. Es wäre entſetz¬<lb/> lich. Oeſterreich zum Vormunde einer jungen Frei¬<lb/> heit! Ich kann nicht einmal lachen darüber! Mich<lb/> beruhigt nur Metternichs Pedanterie und kindiſche<lb/> Furcht; er fürchtet ſelbſt die Maske der Freiheit auf<lb/> ſeinem eigenen Geſichte. Auch in Belgien war der<lb/> Erzherzog Carl der dritte Thron-Candidat, und hatte<lb/> nach dem Herzog von Leuchtenberg die meiſten Stim¬<lb/> men! Mit Zittern habe ich da geſehen, welch einen<lb/> mächtigen Einfluß noch Oeſterreich hat.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">4*<lb/></fw> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0065]
machte blos die Reiſe hierher, um im Conzert, das
morgen über acht Tage für die Polen gegeben wird,
mitzuſpielen. Der alte Lafayette leitet das alles.
Daß iſt doch gewiß der glücklichſte Menſch in der
ganzen Weltgeſchichte. Ihm ging die Sonne heiter
auf, ſie geht ihm heiter unter, und bei jedem Sturme
in der Mitte ſeines Lebens, fand er ein Obdach un¬
ter ſeinem Glauben. Für die Polen fürchte ich jetzt
nichts mehr, als ſie ſelbſt. Ich kann nicht wiſſen,
wie es im Lande ausſieht. Mächtig dort iſt nur der
Adel allein, der Bürgerſtand iſt noch ſchwach. Wenn
nun dem Adel mehr daran gelegen wäre, Polens
Unabhängigkeit als Polens Freiheit zu erlangen! Ich
las ſchon einigemal in den Blättern, man habe die
polniſche Krone dem Erzherzog Carl angeboten, und
Oeſterreich wolle ſie annehmen und hundert tauſend
Mann gegen die Ruſſen ſchicken. Es wäre entſetz¬
lich. Oeſterreich zum Vormunde einer jungen Frei¬
heit! Ich kann nicht einmal lachen darüber! Mich
beruhigt nur Metternichs Pedanterie und kindiſche
Furcht; er fürchtet ſelbſt die Maske der Freiheit auf
ſeinem eigenen Geſichte. Auch in Belgien war der
Erzherzog Carl der dritte Thron-Candidat, und hatte
nach dem Herzog von Leuchtenberg die meiſten Stim¬
men! Mit Zittern habe ich da geſehen, welch einen
mächtigen Einfluß noch Oeſterreich hat.
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