Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwei und dreißigster Brief.

Ich bin jetzt mit den Briefen eines Ver¬
storbenen
zu Ende, und ich will Ihnen mittheilen,
was ich mir darüber gemerkt. Ich könnte mir die
Mühe des Abschreibens ersparen und Ihnen das
Blatt selbst schicken. Aber es ist mit Bleistift ge¬
schrieben, und ich bin klüger als der Kaiser von Ru߬
land, Preußens Mephistopheles, der seine hohen Mei¬
nungen mit Bleistift niederschreibt und dabei ruhig ist
-- ich denke: der liebe Gott kann das mit dem lei¬
sesten Hauche wieder auslöschen. Ich halte mich an
Dinte, die ist fest. Aber wie konnten Sie nur glau¬
ben, die todten Briefe wären vom lebendigen Heine?
Kein Athemzug von ihm darin. Es ist eine gewöhn¬
liche Reisebeschreibung -- ich sage aber nicht: die

3*
Zwei und dreißigſter Brief.

Ich bin jetzt mit den Briefen eines Ver¬
ſtorbenen
zu Ende, und ich will Ihnen mittheilen,
was ich mir darüber gemerkt. Ich könnte mir die
Mühe des Abſchreibens erſparen und Ihnen das
Blatt ſelbſt ſchicken. Aber es iſt mit Bleiſtift ge¬
ſchrieben, und ich bin klüger als der Kaiſer von Ru߬
land, Preußens Mephiſtopheles, der ſeine hohen Mei¬
nungen mit Bleiſtift niederſchreibt und dabei ruhig iſt
— ich denke: der liebe Gott kann das mit dem lei¬
ſeſten Hauche wieder auslöſchen. Ich halte mich an
Dinte, die iſt feſt. Aber wie konnten Sie nur glau¬
ben, die todten Briefe wären vom lebendigen Heine?
Kein Athemzug von ihm darin. Es iſt eine gewöhn¬
liche Reiſebeſchreibung — ich ſage aber nicht: die

3*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0049" n="[35]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Zwei und dreißig&#x017F;ter Brief.</hi><lb/>
          </head>
          <dateline> <hi rendition="#right">Paris, Donner&#x017F;tag, den 3. Februar 1831.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Ich bin jetzt mit den <hi rendition="#g">Briefen eines Ver¬<lb/>
&#x017F;torbenen</hi> zu Ende, und ich will Ihnen mittheilen,<lb/>
was ich mir darüber gemerkt. Ich könnte mir die<lb/>
Mühe des Ab&#x017F;chreibens er&#x017F;paren und Ihnen das<lb/>
Blatt &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chicken. Aber es i&#x017F;t mit Blei&#x017F;tift ge¬<lb/>
&#x017F;chrieben, und ich bin klüger als der Kai&#x017F;er von Ru߬<lb/>
land, Preußens Mephi&#x017F;topheles, der &#x017F;eine hohen Mei¬<lb/>
nungen mit Blei&#x017F;tift nieder&#x017F;chreibt und dabei ruhig i&#x017F;t<lb/>
&#x2014; ich denke: der liebe Gott kann das mit dem lei¬<lb/>
&#x017F;e&#x017F;ten Hauche wieder auslö&#x017F;chen. Ich halte mich an<lb/>
Dinte, die i&#x017F;t fe&#x017F;t. Aber wie konnten Sie nur glau¬<lb/>
ben, die todten Briefe wären vom lebendigen Heine?<lb/>
Kein Athemzug von ihm darin. Es i&#x017F;t eine gewöhn¬<lb/>
liche Rei&#x017F;ebe&#x017F;chreibung &#x2014; ich &#x017F;age aber nicht: die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[35]/0049] Zwei und dreißigſter Brief. Paris, Donnerſtag, den 3. Februar 1831. Ich bin jetzt mit den Briefen eines Ver¬ ſtorbenen zu Ende, und ich will Ihnen mittheilen, was ich mir darüber gemerkt. Ich könnte mir die Mühe des Abſchreibens erſparen und Ihnen das Blatt ſelbſt ſchicken. Aber es iſt mit Bleiſtift ge¬ ſchrieben, und ich bin klüger als der Kaiſer von Ru߬ land, Preußens Mephiſtopheles, der ſeine hohen Mei¬ nungen mit Bleiſtift niederſchreibt und dabei ruhig iſt — ich denke: der liebe Gott kann das mit dem lei¬ ſeſten Hauche wieder auslöſchen. Ich halte mich an Dinte, die iſt feſt. Aber wie konnten Sie nur glau¬ ben, die todten Briefe wären vom lebendigen Heine? Kein Athemzug von ihm darin. Es iſt eine gewöhn¬ liche Reiſebeſchreibung — ich ſage aber nicht: die 3*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/49
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. [35]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/49>, abgerufen am 24.11.2024.