Das Conzert Sonntag im Conservatoire, ist, wie ich mir denke, sehr schön gewesen. So ganz aus Erfahrung weiß ich es nicht. Ich saß in der zweiten Reihe Logen, warm wie in einem Treibhause, und versteckt hinter Frauenzimmern wie ein Gärtner hinter Blumen. An der Seite sperrten mir dumme dicke Säulen, vor mir dumme große Hüte, die Aus¬ sicht. Wir haben Revolutionen erlebt, die tausend¬ jährige Könige umgeworfen -- wird sich denn nicht einmal eine Revolution erheben, die diese fluchbela¬ steten Weiberhüte fortjagt? Sie werden mich fragen: Aber was hat man in einem Conzerte zu sehen? Aber eben darum darf das Sehen nicht gehindert seyn; denn das nicht sehen können beschäftigt die Augen am meisten. Was mich aber am verdrüßlich¬ sten machte, war, daß ich keine Lehne für meine Rücken hatte, so daß ich immerfort steif dasitzen mußte, wie vor funfzig Jahren ein deutsches Mäd¬ chen unter der Zucht einer französischen Gouvernante. Das Bischen, was mir von guter Laune noch übrig blieb, schenkte ich einer jungen Engländerin, die ne¬ ben mir saß. Blaue Augen, blondes Haar, ein Ge¬ sicht von Rosenblättern, und was sie in meinen Au¬ gen am meisten verschönte, ein Hut mit einem flachen
Dienſtag, den 1. Februar.
Das Conzert Sonntag im Conſervatoire, iſt, wie ich mir denke, ſehr ſchön geweſen. So ganz aus Erfahrung weiß ich es nicht. Ich ſaß in der zweiten Reihe Logen, warm wie in einem Treibhauſe, und verſteckt hinter Frauenzimmern wie ein Gärtner hinter Blumen. An der Seite ſperrten mir dumme dicke Säulen, vor mir dumme große Hüte, die Aus¬ ſicht. Wir haben Revolutionen erlebt, die tauſend¬ jährige Könige umgeworfen — wird ſich denn nicht einmal eine Revolution erheben, die dieſe fluchbela¬ ſteten Weiberhüte fortjagt? Sie werden mich fragen: Aber was hat man in einem Conzerte zu ſehen? Aber eben darum darf das Sehen nicht gehindert ſeyn; denn das nicht ſehen können beſchäftigt die Augen am meiſten. Was mich aber am verdrüßlich¬ ſten machte, war, daß ich keine Lehne für meine Rücken hatte, ſo daß ich immerfort ſteif daſitzen mußte, wie vor funfzig Jahren ein deutſches Mäd¬ chen unter der Zucht einer franzöſiſchen Gouvernante. Das Biſchen, was mir von guter Laune noch übrig blieb, ſchenkte ich einer jungen Engländerin, die ne¬ ben mir ſaß. Blaue Augen, blondes Haar, ein Ge¬ ſicht von Roſenblättern, und was ſie in meinen Au¬ gen am meiſten verſchönte, ein Hut mit einem flachen
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Dienſtag, den 1. Februar.
Das Conzert Sonntag im Conſervatoire, iſt,
wie ich mir denke, ſehr ſchön geweſen. So ganz
aus Erfahrung weiß ich es nicht. Ich ſaß in der
zweiten Reihe Logen, warm wie in einem Treibhauſe,
und verſteckt hinter Frauenzimmern wie ein Gärtner
hinter Blumen. An der Seite ſperrten mir dumme
dicke Säulen, vor mir dumme große Hüte, die Aus¬
ſicht. Wir haben Revolutionen erlebt, die tauſend¬
jährige Könige umgeworfen — wird ſich denn nicht
einmal eine Revolution erheben, die dieſe fluchbela¬
ſteten Weiberhüte fortjagt? Sie werden mich fragen:
Aber was hat man in einem Conzerte zu ſehen?
Aber eben darum darf das Sehen nicht gehindert
ſeyn; denn das nicht ſehen können beſchäftigt die
Augen am meiſten. Was mich aber am verdrüßlich¬
ſten machte, war, daß ich keine Lehne für meine
Rücken hatte, ſo daß ich immerfort ſteif daſitzen
mußte, wie vor funfzig Jahren ein deutſches Mäd¬
chen unter der Zucht einer franzöſiſchen Gouvernante.
Das Biſchen, was mir von guter Laune noch übrig
blieb, ſchenkte ich einer jungen Engländerin, die ne¬
ben mir ſaß. Blaue Augen, blondes Haar, ein Ge¬
ſicht von Roſenblättern, und was ſie in meinen Au¬
gen am meiſten verſchönte, ein Hut mit einem flachen
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/39>, abgerufen am 16.07.2024.
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