Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Fahne hinzupflanzen. Es gibt nichts Theatralische¬ Fahne hinzupflanzen. Es gibt nichts Theatraliſche¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0030" n="16"/> Fahne hinzupflanzen. Es gibt nichts Theatraliſche¬<lb/> res als dieſe Stellung, und doch hat ſie der Maler<lb/> gewiß nur nachgeahmt, nicht erfunden. Darin haben<lb/> es die Franzoſen gut, daß ſie vermögen mit jeder<lb/> Großthat im weiten Felde zugleich das Drama zu<lb/> dichten, das jene Großthat im engen Felde darſtellt.<lb/> Sie ſind zugleich Helden und Schauſpieler. Man<lb/> ſiehet es ganz deutlich an dieſem Jünglinge mit der<lb/> Fahne, wie er ſeiner Kühnheit und ſeiner theatrali¬<lb/> ſchen Stellung zugleich froh war. Noch eine andere<lb/> ſchöne Gruppe zeichnete ſich aus. Ein Mann aus<lb/> dem Volke, Bruſt und Schultern nackt, kniet auf die<lb/> Erde, in dem rechten Arm einen verwundeten hin¬<lb/> ſinkenden Knaben haltend, die linke Fauſt gegen die<lb/> hintenſtehenden Soldaten ballend, die den Knaben<lb/> wohl eben getroffen. An der Schwelle eines Hau¬<lb/> ſes liegt die Leiche eines Frauenzimmers. Daß mit¬<lb/> ten im Kugelregen mehrere Frauenzimmer uner¬<lb/> ſchrocken weilen, um den Verwundeten beizuſtehen,<lb/> hat mich weniger gewundert, (ſie trieb das Mitleid)<lb/> als daß andere ohne Furcht zu den Fenſtern hinaus<lb/> ſehen. Im Hintergrunde, am Waſſer, ſtehen die<lb/> königlichen Soldaten. Jenſeits ſchießen die Studen¬<lb/> ten herüber. Ich habe unter den Kämpfern wieder<lb/> gute Röcke geſucht, vornehme und reiche Leute, die<lb/> mehrere hundert Franken Steuern zahlen und Wäh¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0030]
Fahne hinzupflanzen. Es gibt nichts Theatraliſche¬
res als dieſe Stellung, und doch hat ſie der Maler
gewiß nur nachgeahmt, nicht erfunden. Darin haben
es die Franzoſen gut, daß ſie vermögen mit jeder
Großthat im weiten Felde zugleich das Drama zu
dichten, das jene Großthat im engen Felde darſtellt.
Sie ſind zugleich Helden und Schauſpieler. Man
ſiehet es ganz deutlich an dieſem Jünglinge mit der
Fahne, wie er ſeiner Kühnheit und ſeiner theatrali¬
ſchen Stellung zugleich froh war. Noch eine andere
ſchöne Gruppe zeichnete ſich aus. Ein Mann aus
dem Volke, Bruſt und Schultern nackt, kniet auf die
Erde, in dem rechten Arm einen verwundeten hin¬
ſinkenden Knaben haltend, die linke Fauſt gegen die
hintenſtehenden Soldaten ballend, die den Knaben
wohl eben getroffen. An der Schwelle eines Hau¬
ſes liegt die Leiche eines Frauenzimmers. Daß mit¬
ten im Kugelregen mehrere Frauenzimmer uner¬
ſchrocken weilen, um den Verwundeten beizuſtehen,
hat mich weniger gewundert, (ſie trieb das Mitleid)
als daß andere ohne Furcht zu den Fenſtern hinaus
ſehen. Im Hintergrunde, am Waſſer, ſtehen die
königlichen Soldaten. Jenſeits ſchießen die Studen¬
ten herüber. Ich habe unter den Kämpfern wieder
gute Röcke geſucht, vornehme und reiche Leute, die
mehrere hundert Franken Steuern zahlen und Wäh¬
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