Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

"Mensch. Man betrachte das Leben aller großen
"Männer, und man wird finden, daß der Ausnahmen,
"wenn es je welche gab, sehr wenig waren." Wie
wahr ist das Alles, und wie recht haben die Eltern
heirathbarer Töchter, wenn sie bei der Wahl ihrer
Schwiegersöhne, mehr auf Geld als Genie sehen.
Mir ist keine Frau bekannt, die ein dummer Mann
unglücklich gemacht hätte, und keine, die mit einem
genialischen glücklich gelebt. Moore, wie gesagt, be¬
müht sich den Lord Byron von aller Schuld freizu¬
sprechen. Aber unter der Beschuldigung, die er an¬
führt, um sie zu wiederlegen, ist eine, die er besser
nicht erwähnt hätte. Denn sie gründet sich so sehr
auf Byrons Charakter, auf seinen Stolz und seine
Reizbarkeit, daß selbst ein Billiger und Fremder wie
ich, sehr geneigt wird, sie für mehr als Verläumdung
zu halten. Lord Byron hatte um das Frauenzim¬
mer, das er später geheirathet, schon früher ange¬
halten; aber das Erstemal einen Korb bekommen.
Nun sagt Moore: "Man behauptete und glaubte
"selbst allgemein, daß der edle Lord den zweiten Hei¬
"rathsantrag an Miß Wilbank, nur in der Absicht
"gemacht habe, um sich für den Schimpf der früheren
"Abweisung zu rächen; und man ging sogar so weit
"zu sagen, daß er dies der Neuvermählten, als er

15*

„Menſch. Man betrachte das Leben aller großen
„Männer, und man wird finden, daß der Ausnahmen,
„wenn es je welche gab, ſehr wenig waren.“ Wie
wahr iſt das Alles, und wie recht haben die Eltern
heirathbarer Töchter, wenn ſie bei der Wahl ihrer
Schwiegerſöhne, mehr auf Geld als Genie ſehen.
Mir iſt keine Frau bekannt, die ein dummer Mann
unglücklich gemacht hätte, und keine, die mit einem
genialiſchen glücklich gelebt. Moore, wie geſagt, be¬
müht ſich den Lord Byron von aller Schuld freizu¬
ſprechen. Aber unter der Beſchuldigung, die er an¬
führt, um ſie zu wiederlegen, iſt eine, die er beſſer
nicht erwähnt hätte. Denn ſie gründet ſich ſo ſehr
auf Byrons Charakter, auf ſeinen Stolz und ſeine
Reizbarkeit, daß ſelbſt ein Billiger und Fremder wie
ich, ſehr geneigt wird, ſie für mehr als Verläumdung
zu halten. Lord Byron hatte um das Frauenzim¬
mer, das er ſpäter geheirathet, ſchon früher ange¬
halten; aber das Erſtemal einen Korb bekommen.
Nun ſagt Moore: „Man behauptete und glaubte
„ſelbſt allgemein, daß der edle Lord den zweiten Hei¬
„rathsantrag an Miß Wilbank, nur in der Abſicht
„gemacht habe, um ſich für den Schimpf der früheren
„Abweiſung zu rächen; und man ging ſogar ſo weit
„zu ſagen, daß er dies der Neuvermählten, als er

15*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0241" n="227"/>
&#x201E;Men&#x017F;ch. Man betrachte das Leben aller großen<lb/>
&#x201E;Männer, und man wird finden, daß der Ausnahmen,<lb/>
&#x201E;wenn es je welche gab, &#x017F;ehr wenig waren.&#x201C; Wie<lb/>
wahr i&#x017F;t das Alles, und wie recht haben die Eltern<lb/>
heirathbarer Töchter, wenn &#x017F;ie bei der Wahl ihrer<lb/>
Schwieger&#x017F;öhne, mehr auf Geld als Genie &#x017F;ehen.<lb/>
Mir i&#x017F;t keine Frau bekannt, die ein dummer Mann<lb/>
unglücklich gemacht hätte, und keine, die mit einem<lb/>
geniali&#x017F;chen glücklich gelebt. Moore, wie ge&#x017F;agt, be¬<lb/>
müht &#x017F;ich den Lord Byron von aller Schuld freizu¬<lb/>
&#x017F;prechen. Aber unter der Be&#x017F;chuldigung, die er an¬<lb/>
führt, um &#x017F;ie zu wiederlegen, i&#x017F;t eine, die er be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
nicht erwähnt hätte. Denn &#x017F;ie gründet &#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
auf Byrons Charakter, auf &#x017F;einen Stolz und &#x017F;eine<lb/>
Reizbarkeit, daß &#x017F;elb&#x017F;t ein Billiger und Fremder wie<lb/>
ich, &#x017F;ehr geneigt wird, &#x017F;ie für mehr als Verläumdung<lb/>
zu halten. Lord Byron hatte um das Frauenzim¬<lb/>
mer, das er &#x017F;päter geheirathet, &#x017F;chon früher ange¬<lb/>
halten; aber das Er&#x017F;temal einen Korb bekommen.<lb/>
Nun &#x017F;agt Moore: &#x201E;Man behauptete und glaubte<lb/>
&#x201E;&#x017F;elb&#x017F;t allgemein, daß der edle Lord den zweiten Hei¬<lb/>
&#x201E;rathsantrag an Miß Wilbank, nur in der Ab&#x017F;icht<lb/>
&#x201E;gemacht habe, um &#x017F;ich für den Schimpf der früheren<lb/>
&#x201E;Abwei&#x017F;ung zu rächen; und man ging &#x017F;ogar &#x017F;o weit<lb/>
&#x201E;zu &#x017F;agen, daß er dies der Neuvermählten, als er<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">15*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0241] „Menſch. Man betrachte das Leben aller großen „Männer, und man wird finden, daß der Ausnahmen, „wenn es je welche gab, ſehr wenig waren.“ Wie wahr iſt das Alles, und wie recht haben die Eltern heirathbarer Töchter, wenn ſie bei der Wahl ihrer Schwiegerſöhne, mehr auf Geld als Genie ſehen. Mir iſt keine Frau bekannt, die ein dummer Mann unglücklich gemacht hätte, und keine, die mit einem genialiſchen glücklich gelebt. Moore, wie geſagt, be¬ müht ſich den Lord Byron von aller Schuld freizu¬ ſprechen. Aber unter der Beſchuldigung, die er an¬ führt, um ſie zu wiederlegen, iſt eine, die er beſſer nicht erwähnt hätte. Denn ſie gründet ſich ſo ſehr auf Byrons Charakter, auf ſeinen Stolz und ſeine Reizbarkeit, daß ſelbſt ein Billiger und Fremder wie ich, ſehr geneigt wird, ſie für mehr als Verläumdung zu halten. Lord Byron hatte um das Frauenzim¬ mer, das er ſpäter geheirathet, ſchon früher ange¬ halten; aber das Erſtemal einen Korb bekommen. Nun ſagt Moore: „Man behauptete und glaubte „ſelbſt allgemein, daß der edle Lord den zweiten Hei¬ „rathsantrag an Miß Wilbank, nur in der Abſicht „gemacht habe, um ſich für den Schimpf der früheren „Abweiſung zu rächen; und man ging ſogar ſo weit „zu ſagen, daß er dies der Neuvermählten, als er 15*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/241
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/241>, abgerufen am 25.11.2024.