feger als Philipp den Nikolaus fürchtet. Die Re¬ gierung wird alle Tage erbärmlicher; es macht einen ganz irre. Man weiß nicht mehr, wächst die Zeit oder wird die Regierung kleiner; das Mißverhältniß zwischen beiden steigt mit jeder Stunde. Jetzt, da der Krieg immer wahrscheinlicher wird, immer näher kommt; jetzt, da die Begeisterung des Volkes allein Frankreich retten kann, fürchtet man dieses Feuer wie ein verzweifelter Hausvater, und gießt halb todt von Schrecken alles Wasser hinein, was nur zu ha¬ ben ist. In ihrer Angst spucken sie in den Brand. Man will ein friedliches, ein unglaubliches Ministe¬ rium bilden. Wenn der Jude Rothschild König wäre, und sein Ministerium aus Wechselmäklern bildete, es könnte nicht niederträchtiger regiert werden. Ich gebe dem Orleans keine zehen Sous für seine Krone. Pfui! was ist das für ein Treiben! Man will sich bis zum ersten Flintenschusse den Schein geben, als hätte man ernstlich den Frieden gewollt, wäre aber zum Kriege herausgefordert worden, und so verklause¬ lirt man sich auf die lächerlichste Weise vor Notar und Zeugen, damit man, wenn der blutige Prozeß beginnt, die gestempelten Beweisstücke vorzeigen, und sein Recht bei allen Instanzen verfolgen könne. Als würde der Civilrichter das Schicksal der Menschheit entscheiden! Und das thut der König des mächtigsten Volks der Welt, das Gesetze geben und nicht em¬
feger als Philipp den Nikolaus fürchtet. Die Re¬ gierung wird alle Tage erbärmlicher; es macht einen ganz irre. Man weiß nicht mehr, wächſt die Zeit oder wird die Regierung kleiner; das Mißverhältniß zwiſchen beiden ſteigt mit jeder Stunde. Jetzt, da der Krieg immer wahrſcheinlicher wird, immer näher kommt; jetzt, da die Begeiſterung des Volkes allein Frankreich retten kann, fürchtet man dieſes Feuer wie ein verzweifelter Hausvater, und gießt halb todt von Schrecken alles Waſſer hinein, was nur zu ha¬ ben iſt. In ihrer Angſt ſpucken ſie in den Brand. Man will ein friedliches, ein unglaubliches Miniſte¬ rium bilden. Wenn der Jude Rothſchild König wäre, und ſein Miniſterium aus Wechſelmäklern bildete, es könnte nicht niederträchtiger regiert werden. Ich gebe dem Orleans keine zehen Sous für ſeine Krone. Pfui! was iſt das für ein Treiben! Man will ſich bis zum erſten Flintenſchuſſe den Schein geben, als hätte man ernſtlich den Frieden gewollt, wäre aber zum Kriege herausgefordert worden, und ſo verklauſe¬ lirt man ſich auf die lächerlichſte Weiſe vor Notar und Zeugen, damit man, wenn der blutige Prozeß beginnt, die geſtempelten Beweisſtücke vorzeigen, und ſein Recht bei allen Inſtanzen verfolgen könne. Als würde der Civilrichter das Schickſal der Menſchheit entſcheiden! Und das thut der König des mächtigſten Volks der Welt, das Geſetze geben und nicht em¬
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feger als Philipp den Nikolaus fürchtet. Die Re¬
gierung wird alle Tage erbärmlicher; es macht einen
ganz irre. Man weiß nicht mehr, wächſt die Zeit
oder wird die Regierung kleiner; das Mißverhältniß
zwiſchen beiden ſteigt mit jeder Stunde. Jetzt, da
der Krieg immer wahrſcheinlicher wird, immer näher
kommt; jetzt, da die Begeiſterung des Volkes allein
Frankreich retten kann, fürchtet man dieſes Feuer
wie ein verzweifelter Hausvater, und gießt halb todt
von Schrecken alles Waſſer hinein, was nur zu ha¬
ben iſt. In ihrer Angſt ſpucken ſie in den Brand.
Man will ein friedliches, ein unglaubliches Miniſte¬
rium bilden. Wenn der Jude Rothſchild König wäre,
und ſein Miniſterium aus Wechſelmäklern bildete,
es könnte nicht niederträchtiger regiert werden. Ich
gebe dem Orleans keine zehen Sous für ſeine Krone.
Pfui! was iſt das für ein Treiben! Man will ſich
bis zum erſten Flintenſchuſſe den Schein geben, als
hätte man ernſtlich den Frieden gewollt, wäre aber
zum Kriege herausgefordert worden, und ſo verklauſe¬
lirt man ſich auf die lächerlichſte Weiſe vor Notar
und Zeugen, damit man, wenn der blutige Prozeß
beginnt, die geſtempelten Beweisſtücke vorzeigen, und
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würde der Civilrichter das Schickſal der Menſchheit
entſcheiden! Und das thut der König des mächtigſten
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/150>, abgerufen am 16.02.2025.
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