tischen poetischen Werken, in seinem Gegensatze mit der französischen Nationalität. Also je toller je besser; denn die romantische Poesie ist den Franzosen nicht wegen ihres schaffenden, sondern wegen ihres zerstörenden Prinzips heilsam. Es ist eine Freude zu sehen, wie die emsigen Romantiker alles anzünden und niederreißen, und große Karren voll Regeln und klassischem Schutte vom Brandplatze wegführen. Die Stockfische von Liberalen, deren Vortheil es wäre, die Zerstörung zu befördern, widersetzen sich ihr, und dieses Betragen ist ein Räthsel, das ich mir seit zehen Jahren vergebens zu lösen suche. Die armen Romantiker werden von ihren Gegnern ver¬ spottet und verfolgt, daß es zum Erbarmen ist, und man kann ihre herzbrechenden Klagen nicht ohne Thränen lesen. Aber warum klagen sie? Warum gehen sie nicht ihren Weg fort, unbekümmert, ob man sie lobe oder tadle? Ja, das ist's eben. Sie sind noch nicht romantisch genug; die Romantik ist nur erst in ihrem Kopfe, noch nicht in ihrem Her¬ zen; sie glauben ein Kunstwerk müsse einen unbe¬ strittenen Werth haben, wie eine Münze, und darum seufzen sie nach allgemeinem Beifall. Victor Hugo wiederholt in der Vorrede zu seinem Drama folgende Stelle aus einem Artikel, den er vor kurzem, als ein romantischer Dichter in der Blüthe seiner Jahre starb, in einem öffentlichen Blatte geschrieben hatte.
tiſchen poetiſchen Werken, in ſeinem Gegenſatze mit der franzöſiſchen Nationalität. Alſo je toller je beſſer; denn die romantiſche Poeſie iſt den Franzoſen nicht wegen ihres ſchaffenden, ſondern wegen ihres zerſtörenden Prinzips heilſam. Es iſt eine Freude zu ſehen, wie die emſigen Romantiker alles anzünden und niederreißen, und große Karren voll Regeln und klaſſiſchem Schutte vom Brandplatze wegführen. Die Stockfiſche von Liberalen, deren Vortheil es wäre, die Zerſtörung zu befördern, widerſetzen ſich ihr, und dieſes Betragen iſt ein Räthſel, das ich mir ſeit zehen Jahren vergebens zu löſen ſuche. Die armen Romantiker werden von ihren Gegnern ver¬ ſpottet und verfolgt, daß es zum Erbarmen iſt, und man kann ihre herzbrechenden Klagen nicht ohne Thränen leſen. Aber warum klagen ſie? Warum gehen ſie nicht ihren Weg fort, unbekümmert, ob man ſie lobe oder tadle? Ja, das iſt's eben. Sie ſind noch nicht romantiſch genug; die Romantik iſt nur erſt in ihrem Kopfe, noch nicht in ihrem Her¬ zen; ſie glauben ein Kunſtwerk müſſe einen unbe¬ ſtrittenen Werth haben, wie eine Münze, und darum ſeufzen ſie nach allgemeinem Beifall. Victor Hugo wiederholt in der Vorrede zu ſeinem Drama folgende Stelle aus einem Artikel, den er vor kurzem, als ein romantiſcher Dichter in der Blüthe ſeiner Jahre ſtarb, in einem öffentlichen Blatte geſchrieben hatte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0092"n="78"/>
tiſchen poetiſchen Werken, in ſeinem Gegenſatze mit<lb/>
der franzöſiſchen Nationalität. Alſo je toller je<lb/>
beſſer; denn die romantiſche Poeſie iſt den Franzoſen<lb/>
nicht wegen ihres ſchaffenden, ſondern wegen ihres<lb/>
zerſtörenden Prinzips heilſam. Es iſt eine Freude<lb/>
zu ſehen, wie die emſigen Romantiker alles anzünden<lb/>
und niederreißen, und große Karren voll Regeln und<lb/>
klaſſiſchem Schutte vom Brandplatze wegführen. Die<lb/>
Stockfiſche von Liberalen, deren Vortheil es wäre,<lb/>
die Zerſtörung zu befördern, widerſetzen ſich ihr,<lb/>
und dieſes Betragen iſt ein Räthſel, das ich mir<lb/>ſeit zehen Jahren vergebens zu löſen ſuche. Die<lb/>
armen Romantiker werden von ihren Gegnern ver¬<lb/>ſpottet und verfolgt, daß es zum Erbarmen iſt, und<lb/>
man kann ihre herzbrechenden Klagen nicht ohne<lb/>
Thränen leſen. Aber warum klagen ſie? Warum<lb/>
gehen ſie nicht ihren Weg fort, unbekümmert, ob<lb/>
man ſie lobe oder tadle? Ja, das iſt's eben. Sie<lb/>ſind noch nicht romantiſch genug; die Romantik iſt<lb/>
nur erſt in ihrem Kopfe, noch nicht in ihrem Her¬<lb/>
zen; ſie glauben ein Kunſtwerk müſſe einen unbe¬<lb/>ſtrittenen Werth haben, wie eine Münze, und darum<lb/>ſeufzen ſie nach <hirendition="#g">allgemeinem</hi> Beifall. Victor Hugo<lb/>
wiederholt in der Vorrede zu ſeinem Drama folgende<lb/>
Stelle aus einem Artikel, den er vor kurzem, als<lb/>
ein romantiſcher Dichter in der Blüthe ſeiner Jahre<lb/>ſtarb, in einem öffentlichen Blatte geſchrieben hatte.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[78/0092]
tiſchen poetiſchen Werken, in ſeinem Gegenſatze mit
der franzöſiſchen Nationalität. Alſo je toller je
beſſer; denn die romantiſche Poeſie iſt den Franzoſen
nicht wegen ihres ſchaffenden, ſondern wegen ihres
zerſtörenden Prinzips heilſam. Es iſt eine Freude
zu ſehen, wie die emſigen Romantiker alles anzünden
und niederreißen, und große Karren voll Regeln und
klaſſiſchem Schutte vom Brandplatze wegführen. Die
Stockfiſche von Liberalen, deren Vortheil es wäre,
die Zerſtörung zu befördern, widerſetzen ſich ihr,
und dieſes Betragen iſt ein Räthſel, das ich mir
ſeit zehen Jahren vergebens zu löſen ſuche. Die
armen Romantiker werden von ihren Gegnern ver¬
ſpottet und verfolgt, daß es zum Erbarmen iſt, und
man kann ihre herzbrechenden Klagen nicht ohne
Thränen leſen. Aber warum klagen ſie? Warum
gehen ſie nicht ihren Weg fort, unbekümmert, ob
man ſie lobe oder tadle? Ja, das iſt's eben. Sie
ſind noch nicht romantiſch genug; die Romantik iſt
nur erſt in ihrem Kopfe, noch nicht in ihrem Her¬
zen; ſie glauben ein Kunſtwerk müſſe einen unbe¬
ſtrittenen Werth haben, wie eine Münze, und darum
ſeufzen ſie nach allgemeinem Beifall. Victor Hugo
wiederholt in der Vorrede zu ſeinem Drama folgende
Stelle aus einem Artikel, den er vor kurzem, als
ein romantiſcher Dichter in der Blüthe ſeiner Jahre
ſtarb, in einem öffentlichen Blatte geſchrieben hatte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/92>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.