Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

und den anmuthigsten aller englischen Orte bezahlen
helfe; es ist aber nichts zu Stande gekommen. Die
Einen und die Andern wollten nicht Geld genug
hergeben, oder können auch nicht mehr bei den arm¬
seligen Verhältnissen, in welchen sich die meisten deut¬
schen Blätter befinden. Die Hamburger Zeitung,
welche, da sie einen bedeutenden Absatz hat, mir
meine Forderungen vielleicht bewilligt hätte, machte
mir die Bedingung, ich müßte mich auf Thatsa¬
chen
beschränken und dürfe nicht resonniren. Da
ich aber nicht nach Frankreich gereist bin, um ein
Stockfisch zu werden, sondern gerade wegen des Ge¬
gentheils, brach ich die Unterhandlung ab.

-- -- Eine ganze Stunde habe ich das Schrei¬
ben unterbrochen und darüber von dem langen Briefe,
den ich im Kopfe hatte, den größten Theil ver¬
gessen. Mich beschäftigte eine Kritik meiner gesam¬
melten Schriften, welche in den neuesten Blättern
der Berliner Jahrbücher steht, und die mir ein
Freund zugeschickt. Es darf Sie nicht wundern, daß
ich mich dadurch zerstreuen ließ; mit einer Recension
könnte man einen Schriftsteller selbst vom Sterben
abhalten. Ich bin mit meinem Kritiker sehr zufrie¬
den, und alles was er sagt, hat mir Freude ge¬
macht. Er lobt mich von Herzen und tadelt mich
mit Verstand. So oft von meinen politischen Ansich¬
ten und Gesinnungen die Rede ist, stellt er sich frei¬

5 *

und den anmuthigſten aller engliſchen Orte bezahlen
helfe; es iſt aber nichts zu Stande gekommen. Die
Einen und die Andern wollten nicht Geld genug
hergeben, oder können auch nicht mehr bei den arm¬
ſeligen Verhältniſſen, in welchen ſich die meiſten deut¬
ſchen Blätter befinden. Die Hamburger Zeitung,
welche, da ſie einen bedeutenden Abſatz hat, mir
meine Forderungen vielleicht bewilligt hätte, machte
mir die Bedingung, ich müßte mich auf Thatſa¬
chen
beſchränken und dürfe nicht reſonniren. Da
ich aber nicht nach Frankreich gereiſt bin, um ein
Stockfiſch zu werden, ſondern gerade wegen des Ge¬
gentheils, brach ich die Unterhandlung ab.

— — Eine ganze Stunde habe ich das Schrei¬
ben unterbrochen und darüber von dem langen Briefe,
den ich im Kopfe hatte, den größten Theil ver¬
geſſen. Mich beſchäftigte eine Kritik meiner geſam¬
melten Schriften, welche in den neueſten Blättern
der Berliner Jahrbücher ſteht, und die mir ein
Freund zugeſchickt. Es darf Sie nicht wundern, daß
ich mich dadurch zerſtreuen ließ; mit einer Recenſion
könnte man einen Schriftſteller ſelbſt vom Sterben
abhalten. Ich bin mit meinem Kritiker ſehr zufrie¬
den, und alles was er ſagt, hat mir Freude ge¬
macht. Er lobt mich von Herzen und tadelt mich
mit Verſtand. So oft von meinen politiſchen Anſich¬
ten und Geſinnungen die Rede iſt, ſtellt er ſich frei¬

5 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="67"/>
und den anmuthig&#x017F;ten aller engli&#x017F;chen Orte bezahlen<lb/>
helfe; es i&#x017F;t aber nichts zu Stande gekommen. Die<lb/>
Einen und die Andern wollten nicht Geld genug<lb/>
hergeben, oder können auch nicht mehr bei den arm¬<lb/>
&#x017F;eligen Verhältni&#x017F;&#x017F;en, in welchen &#x017F;ich die mei&#x017F;ten deut¬<lb/>
&#x017F;chen Blätter befinden. Die <hi rendition="#g">Hamburger</hi> Zeitung,<lb/>
welche, da &#x017F;ie einen bedeutenden Ab&#x017F;atz hat, mir<lb/>
meine Forderungen vielleicht bewilligt hätte, machte<lb/>
mir die Bedingung, ich müßte mich auf <hi rendition="#g">That&#x017F;<lb/>
chen</hi> be&#x017F;chränken und dürfe nicht <hi rendition="#g">re&#x017F;onniren</hi>. Da<lb/>
ich aber nicht nach Frankreich gerei&#x017F;t bin, um ein<lb/>
Stockfi&#x017F;ch zu werden, &#x017F;ondern gerade wegen des Ge¬<lb/>
gentheils, brach ich die Unterhandlung ab.</p><lb/>
          <p>&#x2014; &#x2014; Eine ganze Stunde habe ich das Schrei¬<lb/>
ben unterbrochen und darüber von dem langen Briefe,<lb/>
den ich im Kopfe hatte, den größten Theil ver¬<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en. Mich be&#x017F;chäftigte eine Kritik meiner ge&#x017F;am¬<lb/>
melten Schriften, welche in den neue&#x017F;ten Blättern<lb/>
der Berliner Jahrbücher &#x017F;teht, und die mir ein<lb/>
Freund zuge&#x017F;chickt. Es darf Sie nicht wundern, daß<lb/>
ich mich dadurch zer&#x017F;treuen ließ; mit einer Recen&#x017F;ion<lb/>
könnte man einen Schrift&#x017F;teller &#x017F;elb&#x017F;t vom Sterben<lb/>
abhalten. Ich bin mit meinem Kritiker &#x017F;ehr zufrie¬<lb/>
den, und alles was er &#x017F;agt, hat mir Freude ge¬<lb/>
macht. Er lobt mich von Herzen und tadelt mich<lb/>
mit Ver&#x017F;tand. So oft von meinen <choice><sic>poli&#x017F;chen</sic><corr>politi&#x017F;chen</corr></choice> An&#x017F;ich¬<lb/>
ten und Ge&#x017F;innungen die Rede i&#x017F;t, &#x017F;tellt er &#x017F;ich frei¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">5 *<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0081] und den anmuthigſten aller engliſchen Orte bezahlen helfe; es iſt aber nichts zu Stande gekommen. Die Einen und die Andern wollten nicht Geld genug hergeben, oder können auch nicht mehr bei den arm¬ ſeligen Verhältniſſen, in welchen ſich die meiſten deut¬ ſchen Blätter befinden. Die Hamburger Zeitung, welche, da ſie einen bedeutenden Abſatz hat, mir meine Forderungen vielleicht bewilligt hätte, machte mir die Bedingung, ich müßte mich auf Thatſa¬ chen beſchränken und dürfe nicht reſonniren. Da ich aber nicht nach Frankreich gereiſt bin, um ein Stockfiſch zu werden, ſondern gerade wegen des Ge¬ gentheils, brach ich die Unterhandlung ab. — — Eine ganze Stunde habe ich das Schrei¬ ben unterbrochen und darüber von dem langen Briefe, den ich im Kopfe hatte, den größten Theil ver¬ geſſen. Mich beſchäftigte eine Kritik meiner geſam¬ melten Schriften, welche in den neueſten Blättern der Berliner Jahrbücher ſteht, und die mir ein Freund zugeſchickt. Es darf Sie nicht wundern, daß ich mich dadurch zerſtreuen ließ; mit einer Recenſion könnte man einen Schriftſteller ſelbſt vom Sterben abhalten. Ich bin mit meinem Kritiker ſehr zufrie¬ den, und alles was er ſagt, hat mir Freude ge¬ macht. Er lobt mich von Herzen und tadelt mich mit Verſtand. So oft von meinen politiſchen Anſich¬ ten und Geſinnungen die Rede iſt, ſtellt er ſich frei¬ 5 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/81
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/81>, abgerufen am 17.05.2024.