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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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gegessen? Die Tochter der Wirthin erwiederte dar¬
auf: ich hatte sehr gut zu Nacht gegessen, ich hätte
ein Supreme de Volaille. gehabt. Dieses Supreme
de Volaille
war nichts als ein Dreieck von dem
Leibe eines Huhns, in dessen einem Winkel eine kalte
Krebsscheere stak, welche irgend ein Passagier viel¬
leicht schon vor der Revolution ausgehöhlt hatte.
Ich glaube, die Suprematie dieses Gerichts bestand
blos in dieser hohlen Krebsscheere, denn das Uebrige
war etwas ganz Gewöhnliches. Ich ward heftig
und antwortete der Tochter: Que me parlez-vous
d'un Supreme de Volaille? Vous etes un Su¬
preme de Canaille
! Kaum hatte ich das Zorn¬
wort ausgesprochen, als ich es bereute. Erstens aus
Höflichkeit, und zweitens aus Furcht; denn der Koch
war mit seinem langen Messer hinzugetreten, und ich
dachte, er würde mich auf der Stelle schlachten.
Aber zu meinem Erstaunen achteten Wirthin, Toch¬
ter und Koch gar nicht auf mein Schimpfen, sie
verzogen keine Miene und es war, als hätten sie es
gar nicht gehört. Ich kann mir diese Unempfindlich¬
keit nicht anders erklären, als daß ich zu feines
Französisch gesprochen, welches die Kleinstädter nicht
verstanden.

Ich bezahlte meine Rechnung, um mich aber
an den Leuten zu rächen und sie zu ärgern, ließ ich
meine Sachen in das gerade gegenüber liegende

gegeſſen? Die Tochter der Wirthin erwiederte dar¬
auf: ich hatte ſehr gut zu Nacht gegeſſen, ich hätte
ein Suprême de Volaille. gehabt. Dieſes Suprême
de Volaille
war nichts als ein Dreieck von dem
Leibe eines Huhns, in deſſen einem Winkel eine kalte
Krebsſcheere ſtak, welche irgend ein Paſſagier viel¬
leicht ſchon vor der Revolution ausgehöhlt hatte.
Ich glaube, die Suprematie dieſes Gerichts beſtand
blos in dieſer hohlen Krebsſcheere, denn das Uebrige
war etwas ganz Gewöhnliches. Ich ward heftig
und antwortete der Tochter: Que me parlez-vous
d'un Suprême de Volaille? Vous êtes un Su¬
prême de Canaille
! Kaum hatte ich das Zorn¬
wort ausgeſprochen, als ich es bereute. Erſtens aus
Höflichkeit, und zweitens aus Furcht; denn der Koch
war mit ſeinem langen Meſſer hinzugetreten, und ich
dachte, er würde mich auf der Stelle ſchlachten.
Aber zu meinem Erſtaunen achteten Wirthin, Toch¬
ter und Koch gar nicht auf mein Schimpfen, ſie
verzogen keine Miene und es war, als hätten ſie es
gar nicht gehört. Ich kann mir dieſe Unempfindlich¬
keit nicht anders erklären, als daß ich zu feines
Franzöſiſch geſprochen, welches die Kleinſtädter nicht
verſtanden.

Ich bezahlte meine Rechnung, um mich aber
an den Leuten zu rächen und ſie zu ärgern, ließ ich
meine Sachen in das gerade gegenüber liegende

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[27/0041] gegeſſen? Die Tochter der Wirthin erwiederte dar¬ auf: ich hatte ſehr gut zu Nacht gegeſſen, ich hätte ein Suprême de Volaille. gehabt. Dieſes Suprême de Volaille war nichts als ein Dreieck von dem Leibe eines Huhns, in deſſen einem Winkel eine kalte Krebsſcheere ſtak, welche irgend ein Paſſagier viel¬ leicht ſchon vor der Revolution ausgehöhlt hatte. Ich glaube, die Suprematie dieſes Gerichts beſtand blos in dieſer hohlen Krebsſcheere, denn das Uebrige war etwas ganz Gewöhnliches. Ich ward heftig und antwortete der Tochter: Que me parlez-vous d'un Suprême de Volaille? Vous êtes un Su¬ prême de Canaille! Kaum hatte ich das Zorn¬ wort ausgeſprochen, als ich es bereute. Erſtens aus Höflichkeit, und zweitens aus Furcht; denn der Koch war mit ſeinem langen Meſſer hinzugetreten, und ich dachte, er würde mich auf der Stelle ſchlachten. Aber zu meinem Erſtaunen achteten Wirthin, Toch¬ ter und Koch gar nicht auf mein Schimpfen, ſie verzogen keine Miene und es war, als hätten ſie es gar nicht gehört. Ich kann mir dieſe Unempfindlich¬ keit nicht anders erklären, als daß ich zu feines Franzöſiſch geſprochen, welches die Kleinſtädter nicht verſtanden. Ich bezahlte meine Rechnung, um mich aber an den Leuten zu rächen und ſie zu ärgern, ließ ich meine Sachen in das gerade gegenüber liegende

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/41>, abgerufen am 01.05.2024.