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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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welche diesen Mittag durchkamen, waren keine Plätze
mehr. Heute Abend kommen die Andern und wenn
ich Glück habe wie bisher, werden sie gleichfalls be¬
setzt seyn, und ich vielleicht acht Tage in Dormans
bleiben müssen. Das wäre mein Tod. Und wel¬
cher Tod! Der Tod eines Bettlers. Denn man
wird hier auf eine so unerhörte Art geprellt, daß
ein achttägiger Aufenthalt meine Kasse erschöpfen,
und mir nicht so viel übrig bleiben würde, meine
Begräbnißkosten zu bestreiten. Hören Sie weiter
wie es mir ging.

Um, wenn der Wagen ankäme, nicht aufgehal¬
ten zu seyn, verlangte ich diesen Vormittag schon
meine Wirthshaus-Rechnung. Die Wirthin machte
die unverschämte Forderung von etlichen und zwanzig
Franken. Ich hatte gestern Abend nichts als Bra¬
ten und Dessert gehabt, ein elendes Schlafzimmer,
und diesen Morgen Kaffee. Der Bediente das nehm¬
liche und wahrscheinlich alles noch schlechter. Ich
sagte der Wirthin, sie sollte mir die Rechnung spe¬
zifiziren. Sie schrieb mir auf: Nachtessen 9 Fr.,
Zimmer 8, Frühstück 3, Zuckerwasser 1 Fr. und
für einige Lese-Bücher, die ich aus der Leihbibliothek
hatte holen lassen, 30 Sous. Ich fragte sie kalt
und giftig, ob sie bei dieser Forderung bestände, und
als sie erwiederte: sie könne nicht anders, nahm ich
die Rechnung und ging fort, die Wirthin zu verklagen.

welche dieſen Mittag durchkamen, waren keine Plätze
mehr. Heute Abend kommen die Andern und wenn
ich Glück habe wie bisher, werden ſie gleichfalls be¬
ſetzt ſeyn, und ich vielleicht acht Tage in Dormans
bleiben müſſen. Das wäre mein Tod. Und wel¬
cher Tod! Der Tod eines Bettlers. Denn man
wird hier auf eine ſo unerhörte Art geprellt, daß
ein achttägiger Aufenthalt meine Kaſſe erſchöpfen,
und mir nicht ſo viel übrig bleiben würde, meine
Begräbnißkoſten zu beſtreiten. Hören Sie weiter
wie es mir ging.

Um, wenn der Wagen ankäme, nicht aufgehal¬
ten zu ſeyn, verlangte ich dieſen Vormittag ſchon
meine Wirthshaus-Rechnung. Die Wirthin machte
die unverſchämte Forderung von etlichen und zwanzig
Franken. Ich hatte geſtern Abend nichts als Bra¬
ten und Deſſert gehabt, ein elendes Schlafzimmer,
und dieſen Morgen Kaffee. Der Bediente das nehm¬
liche und wahrſcheinlich alles noch ſchlechter. Ich
ſagte der Wirthin, ſie ſollte mir die Rechnung ſpe¬
zifiziren. Sie ſchrieb mir auf: Nachteſſen 9 Fr.,
Zimmer 8, Frühſtück 3, Zuckerwaſſer 1 Fr. und
für einige Leſe-Bücher, die ich aus der Leihbibliothek
hatte holen laſſen, 30 Sous. Ich fragte ſie kalt
und giftig, ob ſie bei dieſer Forderung beſtände, und
als ſie erwiederte: ſie könne nicht anders, nahm ich
die Rechnung und ging fort, die Wirthin zu verklagen.

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[24/0038] welche dieſen Mittag durchkamen, waren keine Plätze mehr. Heute Abend kommen die Andern und wenn ich Glück habe wie bisher, werden ſie gleichfalls be¬ ſetzt ſeyn, und ich vielleicht acht Tage in Dormans bleiben müſſen. Das wäre mein Tod. Und wel¬ cher Tod! Der Tod eines Bettlers. Denn man wird hier auf eine ſo unerhörte Art geprellt, daß ein achttägiger Aufenthalt meine Kaſſe erſchöpfen, und mir nicht ſo viel übrig bleiben würde, meine Begräbnißkoſten zu beſtreiten. Hören Sie weiter wie es mir ging. Um, wenn der Wagen ankäme, nicht aufgehal¬ ten zu ſeyn, verlangte ich dieſen Vormittag ſchon meine Wirthshaus-Rechnung. Die Wirthin machte die unverſchämte Forderung von etlichen und zwanzig Franken. Ich hatte geſtern Abend nichts als Bra¬ ten und Deſſert gehabt, ein elendes Schlafzimmer, und dieſen Morgen Kaffee. Der Bediente das nehm¬ liche und wahrſcheinlich alles noch ſchlechter. Ich ſagte der Wirthin, ſie ſollte mir die Rechnung ſpe¬ zifiziren. Sie ſchrieb mir auf: Nachteſſen 9 Fr., Zimmer 8, Frühſtück 3, Zuckerwaſſer 1 Fr. und für einige Leſe-Bücher, die ich aus der Leihbibliothek hatte holen laſſen, 30 Sous. Ich fragte ſie kalt und giftig, ob ſie bei dieſer Forderung beſtände, und als ſie erwiederte: ſie könne nicht anders, nahm ich die Rechnung und ging fort, die Wirthin zu verklagen.

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/38>, abgerufen am 02.05.2024.