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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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niglichen Familie waren auch anwesend. Ich sah sie
zum Erstenmale ganz in der Nähe. Die jungen
Prinzen sehr charmant. Wären sie nur legitim ge¬
wesen, ich hätte sie küssen mögen. Sie wurden mit
lauter und herzlicher Liebe empfangen. Ich war auf
dem Vorplatze und hörte auch den Jubel von innen
heraus. Es soll ein ganz herrlicher Anblick gewesen
sein, wie beim Eintritte des Königs alle die vielen
Tausend Menschen sich von ihren Sitzen erhoben und
ihn begrüßten. Dieses Eine nicht gesehen zu haben,
that mir am meisten leid. Um Mitternacht lag ich
schon im Bette, ganz herzlich froh, daß mein Ver¬
gnügen ein Ende hatte, und die armen Menschen be¬
jammernd, die noch auf dem Balle waren. Die
Hitze war zum Ersticken. Lieber in einer arabischen
Sandwüste weilen, wo man doch wenigstens nicht den
verdorbenen Athem anderer Menschenn einzuhauchen
braucht. Ich habe so viele französische Luft einge¬
sogen, daß ich begierig bin, was es für Folgen haben,
und welche Veränderung es in meiner deutschen Na¬
tur hervorbringen wird. Ich wollte, ein Arostat
hinge mir ein Schiffchen an die Beine und versuchte
mich. Um halb acht Uhr Morgens fuhren die letzten
Wagen fort. Ich habe kleine Berechnungen angestellt,
wie viel ein solcher Ball kostet, und wie viel Geld er in
Umlauf bringt. In Paris gehet alles gleich in's Große

niglichen Familie waren auch anweſend. Ich ſah ſie
zum Erſtenmale ganz in der Nähe. Die jungen
Prinzen ſehr charmant. Wären ſie nur legitim ge¬
weſen, ich hätte ſie küſſen mögen. Sie wurden mit
lauter und herzlicher Liebe empfangen. Ich war auf
dem Vorplatze und hörte auch den Jubel von innen
heraus. Es ſoll ein ganz herrlicher Anblick geweſen
ſein, wie beim Eintritte des Königs alle die vielen
Tauſend Menſchen ſich von ihren Sitzen erhoben und
ihn begrüßten. Dieſes Eine nicht geſehen zu haben,
that mir am meiſten leid. Um Mitternacht lag ich
ſchon im Bette, ganz herzlich froh, daß mein Ver¬
gnügen ein Ende hatte, und die armen Menſchen be¬
jammernd, die noch auf dem Balle waren. Die
Hitze war zum Erſticken. Lieber in einer arabiſchen
Sandwüſte weilen, wo man doch wenigſtens nicht den
verdorbenen Athem anderer Menſchenn einzuhauchen
braucht. Ich habe ſo viele franzöſiſche Luft einge¬
ſogen, daß ich begierig bin, was es für Folgen haben,
und welche Veränderung es in meiner deutſchen Na¬
tur hervorbringen wird. Ich wollte, ein Aroſtat
hinge mir ein Schiffchen an die Beine und verſuchte
mich. Um halb acht Uhr Morgens fuhren die letzten
Wagen fort. Ich habe kleine Berechnungen angeſtellt,
wie viel ein ſolcher Ball koſtet, und wie viel Geld er in
Umlauf bringt. In Paris gehet alles gleich in's Große

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[228/0242] niglichen Familie waren auch anweſend. Ich ſah ſie zum Erſtenmale ganz in der Nähe. Die jungen Prinzen ſehr charmant. Wären ſie nur legitim ge¬ weſen, ich hätte ſie küſſen mögen. Sie wurden mit lauter und herzlicher Liebe empfangen. Ich war auf dem Vorplatze und hörte auch den Jubel von innen heraus. Es ſoll ein ganz herrlicher Anblick geweſen ſein, wie beim Eintritte des Königs alle die vielen Tauſend Menſchen ſich von ihren Sitzen erhoben und ihn begrüßten. Dieſes Eine nicht geſehen zu haben, that mir am meiſten leid. Um Mitternacht lag ich ſchon im Bette, ganz herzlich froh, daß mein Ver¬ gnügen ein Ende hatte, und die armen Menſchen be¬ jammernd, die noch auf dem Balle waren. Die Hitze war zum Erſticken. Lieber in einer arabiſchen Sandwüſte weilen, wo man doch wenigſtens nicht den verdorbenen Athem anderer Menſchenn einzuhauchen braucht. Ich habe ſo viele franzöſiſche Luft einge¬ ſogen, daß ich begierig bin, was es für Folgen haben, und welche Veränderung es in meiner deutſchen Na¬ tur hervorbringen wird. Ich wollte, ein Aroſtat hinge mir ein Schiffchen an die Beine und verſuchte mich. Um halb acht Uhr Morgens fuhren die letzten Wagen fort. Ich habe kleine Berechnungen angeſtellt, wie viel ein ſolcher Ball koſtet, und wie viel Geld er in Umlauf bringt. In Paris gehet alles gleich in's Große

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/242>, abgerufen am 17.05.2024.