das Conversations-Lexikon; denn der Verleger Brock¬ haus hat in der neuesten Auflage aus Krämerei alles was das Buch an Geschichten und Meinungen Frei¬ sinniges enthielt, auslöschen oder bedecken lassen; wahrscheinlich, damit es, so gesäubert, im Oester¬ reichischen erlaubt werde. Ist es nicht entsetzlich, daß es in Deutschland Gelehrte gibt, die Geist, Herz und Ehre bogenweise einem Buchhändler ver¬ kaufen; daß das nützlichste und ausgebreiteste Buch in Deutschland, welches so vieles Gutes gestiftet hat und noch ferner hätte bewirken können, die Farbe der Lüge angenommen und daß es von der schnöden Gewinnsucht eines Krämers abhängen soll, was er das Volk lehren oder ihm verschweigen will? ..... Jetzt zurück zum Odeon.
Napoleon tritt zum erstenmal 1793 auf, da er in Toulon als Artillerie-Lieutenant diente. Da ist er noch ganz mager und trägt einen Zopf, das Haar ungepudert. In der vorausgehenden Ouvertüre wurde der Marseiller Marsch und Ca-ira gespielt, Melodieen, die mir seit meinen frühesten Kinderjahren im Herzen schlummerten. Es sind vielleicht vierzig Jahre, daß ich sie nicht gehört, und ich weinte Thränen des Entzückens. Frei seyn, es ist nichts. Aber es werden, die Genesung, da ist das Glück.
das Converſations-Lexikon; denn der Verleger Brock¬ haus hat in der neueſten Auflage aus Krämerei alles was das Buch an Geſchichten und Meinungen Frei¬ ſinniges enthielt, auslöſchen oder bedecken laſſen; wahrſcheinlich, damit es, ſo geſäubert, im Oeſter¬ reichiſchen erlaubt werde. Iſt es nicht entſetzlich, daß es in Deutſchland Gelehrte gibt, die Geiſt, Herz und Ehre bogenweiſe einem Buchhändler ver¬ kaufen; daß das nützlichſte und ausgebreiteſte Buch in Deutſchland, welches ſo vieles Gutes geſtiftet hat und noch ferner hätte bewirken können, die Farbe der Lüge angenommen und daß es von der ſchnöden Gewinnſucht eines Krämers abhängen ſoll, was er das Volk lehren oder ihm verſchweigen will? ..... Jetzt zurück zum Odeon.
Napoleon tritt zum erſtenmal 1793 auf, da er in Toulon als Artillerie-Lieutenant diente. Da iſt er noch ganz mager und trägt einen Zopf, das Haar ungepudert. In der vorausgehenden Ouvertüre wurde der Marſeiller Marſch und Ça-ira geſpielt, Melodieen, die mir ſeit meinen früheſten Kinderjahren im Herzen ſchlummerten. Es ſind vielleicht vierzig Jahre, daß ich ſie nicht gehört, und ich weinte Thränen des Entzückens. Frei ſeyn, es iſt nichts. Aber es werden, die Geneſung, da iſt das Glück.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0199"n="185"/>
das Converſations-Lexikon; denn der Verleger Brock¬<lb/>
haus hat in der neueſten Auflage aus Krämerei alles<lb/>
was das Buch an Geſchichten und Meinungen Frei¬<lb/>ſinniges enthielt, auslöſchen oder bedecken laſſen;<lb/>
wahrſcheinlich, damit es, ſo geſäubert, im Oeſter¬<lb/>
reichiſchen erlaubt werde. Iſt es nicht entſetzlich,<lb/>
daß es in Deutſchland Gelehrte gibt, die Geiſt,<lb/>
Herz und Ehre bogenweiſe einem Buchhändler ver¬<lb/>
kaufen; daß das nützlichſte und ausgebreiteſte Buch<lb/>
in Deutſchland, welches ſo vieles Gutes geſtiftet hat<lb/>
und noch ferner hätte bewirken können, die Farbe<lb/>
der Lüge angenommen und daß es <choice><sic>vou</sic><corr>von</corr></choice> der ſchnöden<lb/>
Gewinnſucht eines Krämers abhängen ſoll, was er<lb/>
das Volk lehren oder ihm verſchweigen will? .....<lb/>
Jetzt zurück zum Odeon.</p><lb/><p>Napoleon tritt zum erſtenmal 1793 auf, da er<lb/>
in Toulon als Artillerie-Lieutenant diente. Da iſt<lb/>
er noch ganz mager und trägt einen Zopf, das Haar<lb/>
ungepudert. In der vorausgehenden Ouvertüre<lb/>
wurde der Marſeiller Marſch und <hirendition="#aq">Ça-ira</hi> geſpielt,<lb/>
Melodieen, die mir ſeit meinen früheſten Kinderjahren<lb/>
im Herzen ſchlummerten. Es ſind vielleicht vierzig<lb/>
Jahre, daß ich ſie nicht gehört, und ich weinte<lb/>
Thränen des Entzückens. Frei <hirendition="#g">ſeyn</hi>, es iſt nichts.<lb/>
Aber es <hirendition="#g">werden</hi>, die Geneſung, da iſt das Glück.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[185/0199]
das Converſations-Lexikon; denn der Verleger Brock¬
haus hat in der neueſten Auflage aus Krämerei alles
was das Buch an Geſchichten und Meinungen Frei¬
ſinniges enthielt, auslöſchen oder bedecken laſſen;
wahrſcheinlich, damit es, ſo geſäubert, im Oeſter¬
reichiſchen erlaubt werde. Iſt es nicht entſetzlich,
daß es in Deutſchland Gelehrte gibt, die Geiſt,
Herz und Ehre bogenweiſe einem Buchhändler ver¬
kaufen; daß das nützlichſte und ausgebreiteſte Buch
in Deutſchland, welches ſo vieles Gutes geſtiftet hat
und noch ferner hätte bewirken können, die Farbe
der Lüge angenommen und daß es von der ſchnöden
Gewinnſucht eines Krämers abhängen ſoll, was er
das Volk lehren oder ihm verſchweigen will? .....
Jetzt zurück zum Odeon.
Napoleon tritt zum erſtenmal 1793 auf, da er
in Toulon als Artillerie-Lieutenant diente. Da iſt
er noch ganz mager und trägt einen Zopf, das Haar
ungepudert. In der vorausgehenden Ouvertüre
wurde der Marſeiller Marſch und Ça-ira geſpielt,
Melodieen, die mir ſeit meinen früheſten Kinderjahren
im Herzen ſchlummerten. Es ſind vielleicht vierzig
Jahre, daß ich ſie nicht gehört, und ich weinte
Thränen des Entzückens. Frei ſeyn, es iſt nichts.
Aber es werden, die Geneſung, da iſt das Glück.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/199>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.