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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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das ich jetzt hier bin, habe ich, so oft ich auch in
den Tuilerien war, den Telegraphen noch nicht ein¬
mal arbeiten gesehen. In Friedenszeiten hat der
Telegraph nur gesetzwidrige Befehle zu überbringen.
Die Herrschaft der Gesetze bedarf keiner solchen Eile
und duldet keine solche Kürze. Wie schön und früh¬
lingswarm war es gestern in den Tuilerien! Dort
habe ich Paris am liebsten. Die Wege sind so
breit, und breite Wege sind zu eng für Philister;
da fürchte ich keinem zu begegnen, schlenkere sorglos
umher und sehe Jedem ins Gesicht. Es ist nicht
möglich, in den Tuilerien kleinstädtisch zu bleiben.
-- Gestern bemerkte ich wieder eine artige Pariser
Charlatanerie. Auf der Straße sah ich eine Art
Deligence, angefüllt mit Knaben, und auf allen Sei¬
ten des Wagens stand mit großen Buchstaben ge¬
schrieben: Institut von Herrn N. zu Passy, Straße,
Nr., und so wurden die fröhlichen Kinder als le¬
bendige Musterkarten eines Instituts in Paris her¬
umgefahren, andere Kinder und ihre Eltern anzulocken.
Hier verstehet man die Geschäfte.


das ich jetzt hier bin, habe ich, ſo oft ich auch in
den Tuilerien war, den Telegraphen noch nicht ein¬
mal arbeiten geſehen. In Friedenszeiten hat der
Telegraph nur geſetzwidrige Befehle zu überbringen.
Die Herrſchaft der Geſetze bedarf keiner ſolchen Eile
und duldet keine ſolche Kürze. Wie ſchön und früh¬
lingswarm war es geſtern in den Tuilerien! Dort
habe ich Paris am liebſten. Die Wege ſind ſo
breit, und breite Wege ſind zu eng für Philiſter;
da fürchte ich keinem zu begegnen, ſchlenkere ſorglos
umher und ſehe Jedem ins Geſicht. Es iſt nicht
möglich, in den Tuilerien kleinſtädtiſch zu bleiben.
— Geſtern bemerkte ich wieder eine artige Pariſer
Charlatanerie. Auf der Straße ſah ich eine Art
Deligence, angefüllt mit Knaben, und auf allen Sei¬
ten des Wagens ſtand mit großen Buchſtaben ge¬
ſchrieben: Inſtitut von Herrn N. zu Paſſy, Straße,
Nr., und ſo wurden die fröhlichen Kinder als le¬
bendige Muſterkarten eines Inſtituts in Paris her¬
umgefahren, andere Kinder und ihre Eltern anzulocken.
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[171/0185] das ich jetzt hier bin, habe ich, ſo oft ich auch in den Tuilerien war, den Telegraphen noch nicht ein¬ mal arbeiten geſehen. In Friedenszeiten hat der Telegraph nur geſetzwidrige Befehle zu überbringen. Die Herrſchaft der Geſetze bedarf keiner ſolchen Eile und duldet keine ſolche Kürze. Wie ſchön und früh¬ lingswarm war es geſtern in den Tuilerien! Dort habe ich Paris am liebſten. Die Wege ſind ſo breit, und breite Wege ſind zu eng für Philiſter; da fürchte ich keinem zu begegnen, ſchlenkere ſorglos umher und ſehe Jedem ins Geſicht. Es iſt nicht möglich, in den Tuilerien kleinſtädtiſch zu bleiben. — Geſtern bemerkte ich wieder eine artige Pariſer Charlatanerie. Auf der Straße ſah ich eine Art Deligence, angefüllt mit Knaben, und auf allen Sei¬ ten des Wagens ſtand mit großen Buchſtaben ge¬ ſchrieben: Inſtitut von Herrn N. zu Paſſy, Straße, Nr., und ſo wurden die fröhlichen Kinder als le¬ bendige Muſterkarten eines Inſtituts in Paris her¬ umgefahren, andere Kinder und ihre Eltern anzulocken. Hier verſtehet man die Geſchäfte.

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/185>, abgerufen am 17.05.2024.