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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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sie nehmlich unter dem Scheine des Einverständnisses
mit der jetzt völlig toll gewordenen Bundesversamm¬
lung ihre eigenen Pläne verfolgt. Anders kann ich
mir es nicht erklären. Aber vielleicht irre ich mich
auch; es giebt nichts Genialischeres als der Blödsinn
einer deutschen Regierung, er ist gar nicht zu be¬
rechnen.

Was mir an der polnischen Revolution am
besten gefällt, ist, daß man in Warschau den Chef
der geheimen Polizei gehenkt hat, und daß man die
Liste aller Polizei-Spione drucken läßt. Das wird,
hoffe ich, den Spionen anderer Länder zur War¬
nung dienen. Diese geheime Polizei gibt einer des¬
potischen Regierung weit mehr Sicherheit, als es
ihre Soldaten thun, und ohne sie wäre die Freiheit
schon in manchem andern Lande festgestellt. Die ge¬
heime Polizei hat in Warschau täglich 6000 Gulden
gekostet. Diese Notizen und andere Papiere, die sich
auf die Polizei beziehen, hat man in Constantins
Schlosse gefunden. Dreißig junge Leute von der
Cadettenschule drangen in das Schloß. Die Hälfte
davon ist geblieben. Drei Generale wurden im
Vorzimmer Constantins getödtet. Dieser rettete sich
mit Mühe. Die Verschwornen begegneten Constan¬
tins Frau, vor der sie sich sehr artig verneigten und
sagten, mit ihr hätten sie nichts zu schaffen, sie such¬
ten nur ihren Mann. Ich fürchte aber, den armen

ſie nehmlich unter dem Scheine des Einverſtändniſſes
mit der jetzt völlig toll gewordenen Bundesverſamm¬
lung ihre eigenen Pläne verfolgt. Anders kann ich
mir es nicht erklären. Aber vielleicht irre ich mich
auch; es giebt nichts Genialiſcheres als der Blödſinn
einer deutſchen Regierung, er iſt gar nicht zu be¬
rechnen.

Was mir an der polniſchen Revolution am
beſten gefällt, iſt, daß man in Warſchau den Chef
der geheimen Polizei gehenkt hat, und daß man die
Liſte aller Polizei-Spione drucken läßt. Das wird,
hoffe ich, den Spionen anderer Länder zur War¬
nung dienen. Dieſe geheime Polizei gibt einer des¬
potiſchen Regierung weit mehr Sicherheit, als es
ihre Soldaten thun, und ohne ſie wäre die Freiheit
ſchon in manchem andern Lande feſtgeſtellt. Die ge¬
heime Polizei hat in Warſchau täglich 6000 Gulden
gekoſtet. Dieſe Notizen und andere Papiere, die ſich
auf die Polizei beziehen, hat man in Conſtantins
Schloſſe gefunden. Dreißig junge Leute von der
Cadettenſchule drangen in das Schloß. Die Hälfte
davon iſt geblieben. Drei Generale wurden im
Vorzimmer Conſtantins getödtet. Dieſer rettete ſich
mit Mühe. Die Verſchwornen begegneten Conſtan¬
tins Frau, vor der ſie ſich ſehr artig verneigten und
ſagten, mit ihr hätten ſie nichts zu ſchaffen, ſie ſuch¬
ten nur ihren Mann. Ich fürchte aber, den armen

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[153/0167] ſie nehmlich unter dem Scheine des Einverſtändniſſes mit der jetzt völlig toll gewordenen Bundesverſamm¬ lung ihre eigenen Pläne verfolgt. Anders kann ich mir es nicht erklären. Aber vielleicht irre ich mich auch; es giebt nichts Genialiſcheres als der Blödſinn einer deutſchen Regierung, er iſt gar nicht zu be¬ rechnen. Was mir an der polniſchen Revolution am beſten gefällt, iſt, daß man in Warſchau den Chef der geheimen Polizei gehenkt hat, und daß man die Liſte aller Polizei-Spione drucken läßt. Das wird, hoffe ich, den Spionen anderer Länder zur War¬ nung dienen. Dieſe geheime Polizei gibt einer des¬ potiſchen Regierung weit mehr Sicherheit, als es ihre Soldaten thun, und ohne ſie wäre die Freiheit ſchon in manchem andern Lande feſtgeſtellt. Die ge¬ heime Polizei hat in Warſchau täglich 6000 Gulden gekoſtet. Dieſe Notizen und andere Papiere, die ſich auf die Polizei beziehen, hat man in Conſtantins Schloſſe gefunden. Dreißig junge Leute von der Cadettenſchule drangen in das Schloß. Die Hälfte davon iſt geblieben. Drei Generale wurden im Vorzimmer Conſtantins getödtet. Dieſer rettete ſich mit Mühe. Die Verſchwornen begegneten Conſtan¬ tins Frau, vor der ſie ſich ſehr artig verneigten und ſagten, mit ihr hätten ſie nichts zu ſchaffen, ſie ſuch¬ ten nur ihren Mann. Ich fürchte aber, den armen

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/167>, abgerufen am 17.05.2024.