Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Trinkgeld in die Hand stecken, und dann fortgehen
und von unserm Elende Beschreibungen mit Kupfer¬
stichen herausgeben. Unglückliches Volk! .. wird
ein Beduine mit stolzem Mitleide ausrufen.

-- Es gehet jetzt in der Kammer ganz erbärm¬
lich her. Man hört da von den ehemaligen Libe¬
ralen Reden gegen die Preßfreiheit halten, wie sie
der Metternich nicht besser wünschen kann. Es ist
ein Ekel, und ich mag gar nicht davon sprechen.
Benjamin Constant, Lafayette und noch einige Weni¬
gen sind die Einzigen, die der alten Freiheit treu
geblieben. Das Ministerium und die Kammer ha¬
ben Furcht und handeln darnach und haben freilich
die Masse der Nation auf ihrer Seite, nehmlich
den Teig, aber ohne die Hefen, nehmlich die
Industriellen, das heißt auf Deutsch: die mise¬
rablen Kaufleute und Krämer, die nichts haben als
Furcht und Geld. Da nun die letzte Revolution
ihren Zweck nicht erreicht hat (denn die jetzigen
Machthaber wollen darin nur eine Veränderung der
Dynastie sehen) und man den Franzosen nicht frei¬
willig gibt, um das sie gekämpft haben, wird eine
neue Revolution nöthig werden; und die bleibt ge¬
wiß nicht aus.

ein Trinkgeld in die Hand ſtecken, und dann fortgehen
und von unſerm Elende Beſchreibungen mit Kupfer¬
ſtichen herausgeben. Unglückliches Volk! .. wird
ein Beduine mit ſtolzem Mitleide ausrufen.

— Es gehet jetzt in der Kammer ganz erbärm¬
lich her. Man hört da von den ehemaligen Libe¬
ralen Reden gegen die Preßfreiheit halten, wie ſie
der Metternich nicht beſſer wünſchen kann. Es iſt
ein Ekel, und ich mag gar nicht davon ſprechen.
Benjamin Conſtant, Lafayette und noch einige Weni¬
gen ſind die Einzigen, die der alten Freiheit treu
geblieben. Das Miniſterium und die Kammer ha¬
ben Furcht und handeln darnach und haben freilich
die Maſſe der Nation auf ihrer Seite, nehmlich
den Teig, aber ohne die Hefen, nehmlich die
Induſtriellen, das heißt auf Deutſch: die miſe¬
rablen Kaufleute und Krämer, die nichts haben als
Furcht und Geld. Da nun die letzte Revolution
ihren Zweck nicht erreicht hat (denn die jetzigen
Machthaber wollen darin nur eine Veränderung der
Dynaſtie ſehen) und man den Franzoſen nicht frei¬
willig gibt, um das ſie gekämpft haben, wird eine
neue Revolution nöthig werden; und die bleibt ge¬
wiß nicht aus.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="92"/>
ein Trinkgeld in die Hand &#x017F;tecken, und dann fortgehen<lb/>
und von un&#x017F;erm Elende Be&#x017F;chreibungen mit Kupfer¬<lb/>
&#x017F;tichen herausgeben. Unglückliches Volk! .. wird<lb/>
ein Beduine mit &#x017F;tolzem Mitleide ausrufen.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Es gehet jetzt in der Kammer ganz erbärm¬<lb/>
lich her. Man hört da von den ehemaligen Libe¬<lb/>
ralen Reden gegen die Preßfreiheit halten, wie &#x017F;ie<lb/>
der Metternich nicht be&#x017F;&#x017F;er wün&#x017F;chen kann. Es i&#x017F;t<lb/>
ein Ekel, und ich mag gar nicht davon &#x017F;prechen.<lb/>
Benjamin Con&#x017F;tant, Lafayette und noch einige Weni¬<lb/>
gen &#x017F;ind die Einzigen, die der alten Freiheit treu<lb/>
geblieben. Das Mini&#x017F;terium und die Kammer ha¬<lb/>
ben Furcht und handeln darnach und haben freilich<lb/>
die <hi rendition="#g">Ma&#x017F;&#x017F;e</hi> der Nation auf ihrer Seite, nehmlich<lb/>
den Teig, aber ohne die Hefen, nehmlich die<lb/><hi rendition="#g">Indu&#x017F;triellen</hi>, das heißt auf Deut&#x017F;ch: die mi&#x017F;<lb/>
rablen Kaufleute und Krämer, die nichts haben als<lb/>
Furcht und Geld. Da nun die letzte Revolution<lb/>
ihren Zweck nicht erreicht hat (denn die jetzigen<lb/>
Machthaber wollen darin nur eine Veränderung der<lb/>
Dyna&#x017F;tie &#x017F;ehen) und man den Franzo&#x017F;en nicht frei¬<lb/>
willig gibt, um das &#x017F;ie gekämpft haben, wird eine<lb/>
neue Revolution nöthig werden; und die bleibt ge¬<lb/>
wiß nicht aus.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0106] ein Trinkgeld in die Hand ſtecken, und dann fortgehen und von unſerm Elende Beſchreibungen mit Kupfer¬ ſtichen herausgeben. Unglückliches Volk! .. wird ein Beduine mit ſtolzem Mitleide ausrufen. — Es gehet jetzt in der Kammer ganz erbärm¬ lich her. Man hört da von den ehemaligen Libe¬ ralen Reden gegen die Preßfreiheit halten, wie ſie der Metternich nicht beſſer wünſchen kann. Es iſt ein Ekel, und ich mag gar nicht davon ſprechen. Benjamin Conſtant, Lafayette und noch einige Weni¬ gen ſind die Einzigen, die der alten Freiheit treu geblieben. Das Miniſterium und die Kammer ha¬ ben Furcht und handeln darnach und haben freilich die Maſſe der Nation auf ihrer Seite, nehmlich den Teig, aber ohne die Hefen, nehmlich die Induſtriellen, das heißt auf Deutſch: die miſe¬ rablen Kaufleute und Krämer, die nichts haben als Furcht und Geld. Da nun die letzte Revolution ihren Zweck nicht erreicht hat (denn die jetzigen Machthaber wollen darin nur eine Veränderung der Dynaſtie ſehen) und man den Franzoſen nicht frei¬ willig gibt, um das ſie gekämpft haben, wird eine neue Revolution nöthig werden; und die bleibt ge¬ wiß nicht aus.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/106
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/106>, abgerufen am 23.11.2024.