der hier als Komponist und Klavierspieler in großer Achtung steht; Vitet, den Schriftsteller, der unter dem Namen Stendthal schreibt und noch viele andere Gelehrte und Künstler. Ein armer deutscher Ge¬ lehrter wird gelb vor Aerger und Neid, wenn er siehet, wie es den französischen Schriftstellern so gut gehet. Außer dem vielen Gelde, das sie durch ihre Werke verdienen, werden sie noch obendrein von der Regierung angestellt. Stendthal ist eben im Begriff nach Triest abzureisen, wo er eine Stelle als Con¬ sul erhalten. Vitet schreibt sogenannte historische Romane, die sehr schön sind: Henri III, les bar¬ ricades, les etats de Blois. Der hat jetzt eine Anstellung bekommen, um die ich ihn beneide. Er ist conservateur des monuments d'antiquite de la France. Diese Stelle bestand früher gar nicht und der Minister Guizot, der Vitet protegirte, hat sie erst für ihn geschaffen. Sein Geschäft bestehet darin, daß er jährlich ein paar Mal durch Frank¬ reich reist und die allen Bauwerke aus der römischen Zeit und aus dem Mittelalter, Tempel, Wasserlei¬ tungen, Amphitheater, Kirchen besichtiget und darauf siehet, daß sie nicht verfallen. Dafür hat er einen jährlichen Gehalt von funfzehn tausend Franken und die Reisekosten werden besonders bezahlt. Gäbe es eine angenehmere Stelle als diese für einen Menschen wie ich bin, der faul ist und gern reist? Möchte
der hier als Komponiſt und Klavierſpieler in großer Achtung ſteht; Vitet, den Schriftſteller, der unter dem Namen Stendthal ſchreibt und noch viele andere Gelehrte und Künſtler. Ein armer deutſcher Ge¬ lehrter wird gelb vor Aerger und Neid, wenn er ſiehet, wie es den franzöſiſchen Schriftſtellern ſo gut gehet. Außer dem vielen Gelde, das ſie durch ihre Werke verdienen, werden ſie noch obendrein von der Regierung angeſtellt. Stendthal iſt eben im Begriff nach Trieſt abzureiſen, wo er eine Stelle als Con¬ ſul erhalten. Vitet ſchreibt ſogenannte hiſtoriſche Romane, die ſehr ſchön ſind: Henri III, les bar¬ ricades, les états de Blois. Der hat jetzt eine Anſtellung bekommen, um die ich ihn beneide. Er iſt conservateur des monuments d'antiquité de la France. Dieſe Stelle beſtand früher gar nicht und der Miniſter Guizot, der Vitet protegirte, hat ſie erſt für ihn geſchaffen. Sein Geſchäft beſtehet darin, daß er jährlich ein paar Mal durch Frank¬ reich reiſt und die allen Bauwerke aus der römiſchen Zeit und aus dem Mittelalter, Tempel, Waſſerlei¬ tungen, Amphitheater, Kirchen beſichtiget und darauf ſiehet, daß ſie nicht verfallen. Dafür hat er einen jährlichen Gehalt von funfzehn tauſend Franken und die Reiſekoſten werden beſonders bezahlt. Gäbe es eine angenehmere Stelle als dieſe für einen Menſchen wie ich bin, der faul iſt und gern reiſt? Möchte
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der hier als Komponiſt und Klavierſpieler in großer
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dem Namen Stendthal ſchreibt und noch viele andere
Gelehrte und Künſtler. Ein armer deutſcher Ge¬
lehrter wird gelb vor Aerger und Neid, wenn er
ſiehet, wie es den franzöſiſchen Schriftſtellern ſo gut
gehet. Außer dem vielen Gelde, das ſie durch ihre
Werke verdienen, werden ſie noch obendrein von der
Regierung angeſtellt. Stendthal iſt eben im Begriff
nach Trieſt abzureiſen, wo er eine Stelle als Con¬
ſul erhalten. Vitet ſchreibt ſogenannte hiſtoriſche
Romane, die ſehr ſchön ſind: Henri III, les bar¬
ricades, les états de Blois. Der hat jetzt eine
Anſtellung bekommen, um die ich ihn beneide. Er
iſt conservateur des monuments d'antiquité de
la France. Dieſe Stelle beſtand früher gar nicht
und der Miniſter Guizot, der Vitet protegirte, hat
ſie erſt für ihn geſchaffen. Sein Geſchäft beſtehet
darin, daß er jährlich ein paar Mal durch Frank¬
reich reiſt und die allen Bauwerke aus der römiſchen
Zeit und aus dem Mittelalter, Tempel, Waſſerlei¬
tungen, Amphitheater, Kirchen beſichtiget und darauf
ſiehet, daß ſie nicht verfallen. Dafür hat er einen
jährlichen Gehalt von funfzehn tauſend Franken und
die Reiſekoſten werden beſonders bezahlt. Gäbe es
eine angenehmere Stelle als dieſe für einen Menſchen
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/101>, abgerufen am 27.07.2024.
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