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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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in die wechselnden rhythmischen Farbenplättchen seines Kaleidoskops
starrt. Gerade deshalb habe ich ja das Wort "Rhythmotropis¬
mus" dir gebildet, so ungelenk es ist, -- weil es nämlich
das geradezu Pflanzenhafte der rhythmischen Neigung ausdrücken
soll innerhalb des Seelischen. Wie die Wurzel ihrem Geo¬
tropismus folgt und senkrecht zur Schwere wächst: so stellt
sich diese Neigung genau so triebhaft-zwangsweise gegen das
Rhythmischere, ästhetisch Wirksamere ein.

Und eines Tages war es also die menschliche Nacktheit,
die so den Magnet im ästhetischen Kompaß bildete. Nicht
lange: und die Liebe hatte sie fixiert. Nun war sie dauernd
in der Welt auch über das Ästhetische hinaus, -- eine That¬
sache, die wieder für sich Wellen warf.

[Abbildung]

Die nächste Frage aber wäre wohl: warum hat denn
nun die Enthaarung doch nicht ganz gesiegt?

Da sitzen deine Kopfhaare. Und da sprossen dir just
gerade zur Zeit der Liebe, die alles fortgebracht haben soll, die
Achselhaare und die Haare über dem Organ der Mischliebe.

Was soll das? Der Filzlaus und Kopflaus zu Liebe
kann's doch nicht geschehen sein. Hier gilt's auf alle Fälle,
etwas in das Hauptbild noch hinein zu zeichnen. Beginnen
wir mit dem scheinbar ganz vertraktesten: dem Achsel- und
Schamhaar.

Ganz gewiß: durch sein nachträgliches Auftreten aus¬
gespart bei Männlein so Weiblein heute noch bei der Ge¬
schlechtsreife, verrät dieses Haar einen unzweideutigen Bezug
eben auf das Liebesleben, -- also das, was uns nach obiger
Deduktion enthaart haben soll.

Schaust du dir das heutige Verhalten dieser Zuwider-
Haare an, so hast du den Eindruck eines alten Kampfes mit

in die wechſelnden rhythmiſchen Farbenplättchen ſeines Kaleidoſkops
ſtarrt. Gerade deshalb habe ich ja das Wort „Rhythmotropis¬
mus“ dir gebildet, ſo ungelenk es iſt, — weil es nämlich
das geradezu Pflanzenhafte der rhythmiſchen Neigung ausdrücken
ſoll innerhalb des Seeliſchen. Wie die Wurzel ihrem Geo¬
tropismus folgt und ſenkrecht zur Schwere wächſt: ſo ſtellt
ſich dieſe Neigung genau ſo triebhaft-zwangsweiſe gegen das
Rhythmiſchere, äſthetiſch Wirkſamere ein.

Und eines Tages war es alſo die menſchliche Nacktheit,
die ſo den Magnet im äſthetiſchen Kompaß bildete. Nicht
lange: und die Liebe hatte ſie fixiert. Nun war ſie dauernd
in der Welt auch über das Äſthetiſche hinaus, — eine That¬
ſache, die wieder für ſich Wellen warf.

[Abbildung]

Die nächſte Frage aber wäre wohl: warum hat denn
nun die Enthaarung doch nicht ganz geſiegt?

Da ſitzen deine Kopfhaare. Und da ſproſſen dir juſt
gerade zur Zeit der Liebe, die alles fortgebracht haben ſoll, die
Achſelhaare und die Haare über dem Organ der Miſchliebe.

Was ſoll das? Der Filzlaus und Kopflaus zu Liebe
kann’s doch nicht geſchehen ſein. Hier gilt’s auf alle Fälle,
etwas in das Hauptbild noch hinein zu zeichnen. Beginnen
wir mit dem ſcheinbar ganz vertrakteſten: dem Achſel- und
Schamhaar.

Ganz gewiß: durch ſein nachträgliches Auftreten aus¬
geſpart bei Männlein ſo Weiblein heute noch bei der Ge¬
ſchlechtsreife, verrät dieſes Haar einen unzweideutigen Bezug
eben auf das Liebesleben, — alſo das, was uns nach obiger
Deduktion enthaart haben ſoll.

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Haare an, ſo haſt du den Eindruck eines alten Kampfes mit

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[64/0078] in die wechſelnden rhythmiſchen Farbenplättchen ſeines Kaleidoſkops ſtarrt. Gerade deshalb habe ich ja das Wort „Rhythmotropis¬ mus“ dir gebildet, ſo ungelenk es iſt, — weil es nämlich das geradezu Pflanzenhafte der rhythmiſchen Neigung ausdrücken ſoll innerhalb des Seeliſchen. Wie die Wurzel ihrem Geo¬ tropismus folgt und ſenkrecht zur Schwere wächſt: ſo ſtellt ſich dieſe Neigung genau ſo triebhaft-zwangsweiſe gegen das Rhythmiſchere, äſthetiſch Wirkſamere ein. Und eines Tages war es alſo die menſchliche Nacktheit, die ſo den Magnet im äſthetiſchen Kompaß bildete. Nicht lange: und die Liebe hatte ſie fixiert. Nun war ſie dauernd in der Welt auch über das Äſthetiſche hinaus, — eine That¬ ſache, die wieder für ſich Wellen warf. [Abbildung] Die nächſte Frage aber wäre wohl: warum hat denn nun die Enthaarung doch nicht ganz geſiegt? Da ſitzen deine Kopfhaare. Und da ſproſſen dir juſt gerade zur Zeit der Liebe, die alles fortgebracht haben ſoll, die Achſelhaare und die Haare über dem Organ der Miſchliebe. Was ſoll das? Der Filzlaus und Kopflaus zu Liebe kann’s doch nicht geſchehen ſein. Hier gilt’s auf alle Fälle, etwas in das Hauptbild noch hinein zu zeichnen. Beginnen wir mit dem ſcheinbar ganz vertrakteſten: dem Achſel- und Schamhaar. Ganz gewiß: durch ſein nachträgliches Auftreten aus¬ geſpart bei Männlein ſo Weiblein heute noch bei der Ge¬ ſchlechtsreife, verrät dieſes Haar einen unzweideutigen Bezug eben auf das Liebesleben, — alſo das, was uns nach obiger Deduktion enthaart haben ſoll. Schauſt du dir das heutige Verhalten dieſer Zuwider- Haare an, ſo haſt du den Eindruck eines alten Kampfes mit

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/78>, abgerufen am 23.11.2024.