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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Allerdings ist der einzige uns bisher greifbar zugängliche
Rest, der uns jenen Übertritt vom Gibbon zum Urmenschen
noch einigermaßen anschaulich macht, in den wirklichen Tropen,
auf Java, also fast unter dem Äquator, gefunden worden, --
der Pithekanthropus, den Dubois zu Anfang der neunziger
Jahre uns aus einem alten Flußbett im Vulkantuff ge¬
graben hat.

Aber dieser Affenmensch stammt unzweideutig vom äußersten
Ende schon der Tertiär-Zeit. Er liegt zusammen mit den Resten
von Elefanten und Nilpferden, die völlig den Eindruck machen, daß
sie eben eingewandert waren als Vorposten der großen tertiären
Tier-Flucht, die vom erkaltenden Norden gegen die Tropen
drängte. Sie wanderten ein, um wenig später schon zu er¬
liegen wie ein versprengter Auswandererposten ohne Glück und
Stern. Und mit ihnen mag das ebenso versprengte Häuflein
nordischer Affenmenschen dahingekommen sein, das offenbar
ebenso unfähig war, den Wechsel zu überstehen, denn es starb
ja ebenfalls aus bis auf den letzten Kopf. Im höchsten Grade
unwahrscheinlich aber scheint, daß dieser Zwischentypus von
Gibbon und Mensch damals, so spät, erst neu "entstanden"
sein sollte. Die Tierformen, mit denen er kam, gehen über
weite Zeiträume zurück, waren thatsächlich schon damals alt.
Und ihre Jugend lag höchstwahrscheinlich bei allen im Norden.
Warum soll er allein eine Ausnahme gebildet haben?

War dieser Pithekanthropus noch behaart, wie der Gibbon,
der Orang es sind? Die paar Knochen sagen darüber natür¬
lich nichts. Aber wenn unser Gedankenfaden oben richtig bis
zur Bruchstelle gelaufen ist, so muß er es als Tier, das aus
millionenalter Haartradition kam und das stets in einem
warmen Klima gelebt hatte, gewesen sein.

Nun aber. Der letzte Affenmensch, den wir kennen, liegt,
als ein versprengter, totgeweihter Flüchtling wahrscheinlich, und
ebenso wahrscheinlich affenhaft haarig, auf Java. Ungefähr
gleichzeitig bricht weiter nördlich die Eiszeit mit ihren vollen

Allerdings iſt der einzige uns bisher greifbar zugängliche
Reſt, der uns jenen Übertritt vom Gibbon zum Urmenſchen
noch einigermaßen anſchaulich macht, in den wirklichen Tropen,
auf Java, alſo faſt unter dem Äquator, gefunden worden, —
der Pithekanthropus, den Dubois zu Anfang der neunziger
Jahre uns aus einem alten Flußbett im Vulkantuff ge¬
graben hat.

Aber dieſer Affenmenſch ſtammt unzweideutig vom äußerſten
Ende ſchon der Tertiär-Zeit. Er liegt zuſammen mit den Reſten
von Elefanten und Nilpferden, die völlig den Eindruck machen, daß
ſie eben eingewandert waren als Vorpoſten der großen tertiären
Tier-Flucht, die vom erkaltenden Norden gegen die Tropen
drängte. Sie wanderten ein, um wenig ſpäter ſchon zu er¬
liegen wie ein verſprengter Auswandererpoſten ohne Glück und
Stern. Und mit ihnen mag das ebenſo verſprengte Häuflein
nordiſcher Affenmenſchen dahingekommen ſein, das offenbar
ebenſo unfähig war, den Wechſel zu überſtehen, denn es ſtarb
ja ebenfalls aus bis auf den letzten Kopf. Im höchſten Grade
unwahrſcheinlich aber ſcheint, daß dieſer Zwiſchentypus von
Gibbon und Menſch damals, ſo ſpät, erſt neu „entſtanden“
ſein ſollte. Die Tierformen, mit denen er kam, gehen über
weite Zeiträume zurück, waren thatſächlich ſchon damals alt.
Und ihre Jugend lag höchſtwahrſcheinlich bei allen im Norden.
Warum ſoll er allein eine Ausnahme gebildet haben?

War dieſer Pithekanthropus noch behaart, wie der Gibbon,
der Orang es ſind? Die paar Knochen ſagen darüber natür¬
lich nichts. Aber wenn unſer Gedankenfaden oben richtig bis
zur Bruchſtelle gelaufen iſt, ſo muß er es als Tier, das aus
millionenalter Haartradition kam und das ſtets in einem
warmen Klima gelebt hatte, geweſen ſein.

Nun aber. Der letzte Affenmenſch, den wir kennen, liegt,
als ein verſprengter, totgeweihter Flüchtling wahrſcheinlich, und
ebenſo wahrſcheinlich affenhaft haarig, auf Java. Ungefähr
gleichzeitig bricht weiter nördlich die Eiszeit mit ihren vollen

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[48/0062] Allerdings iſt der einzige uns bisher greifbar zugängliche Reſt, der uns jenen Übertritt vom Gibbon zum Urmenſchen noch einigermaßen anſchaulich macht, in den wirklichen Tropen, auf Java, alſo faſt unter dem Äquator, gefunden worden, — der Pithekanthropus, den Dubois zu Anfang der neunziger Jahre uns aus einem alten Flußbett im Vulkantuff ge¬ graben hat. Aber dieſer Affenmenſch ſtammt unzweideutig vom äußerſten Ende ſchon der Tertiär-Zeit. Er liegt zuſammen mit den Reſten von Elefanten und Nilpferden, die völlig den Eindruck machen, daß ſie eben eingewandert waren als Vorpoſten der großen tertiären Tier-Flucht, die vom erkaltenden Norden gegen die Tropen drängte. Sie wanderten ein, um wenig ſpäter ſchon zu er¬ liegen wie ein verſprengter Auswandererpoſten ohne Glück und Stern. Und mit ihnen mag das ebenſo verſprengte Häuflein nordiſcher Affenmenſchen dahingekommen ſein, das offenbar ebenſo unfähig war, den Wechſel zu überſtehen, denn es ſtarb ja ebenfalls aus bis auf den letzten Kopf. Im höchſten Grade unwahrſcheinlich aber ſcheint, daß dieſer Zwiſchentypus von Gibbon und Menſch damals, ſo ſpät, erſt neu „entſtanden“ ſein ſollte. Die Tierformen, mit denen er kam, gehen über weite Zeiträume zurück, waren thatſächlich ſchon damals alt. Und ihre Jugend lag höchſtwahrſcheinlich bei allen im Norden. Warum ſoll er allein eine Ausnahme gebildet haben? War dieſer Pithekanthropus noch behaart, wie der Gibbon, der Orang es ſind? Die paar Knochen ſagen darüber natür¬ lich nichts. Aber wenn unſer Gedankenfaden oben richtig bis zur Bruchſtelle gelaufen iſt, ſo muß er es als Tier, das aus millionenalter Haartradition kam und das ſtets in einem warmen Klima gelebt hatte, geweſen ſein. Nun aber. Der letzte Affenmenſch, den wir kennen, liegt, als ein verſprengter, totgeweihter Flüchtling wahrſcheinlich, und ebenſo wahrſcheinlich affenhaft haarig, auf Java. Ungefähr gleichzeitig bricht weiter nördlich die Eiszeit mit ihren vollen

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/62>, abgerufen am 24.11.2024.