Aber auch das ostpreußische Mädchen dort hat etwas in der Hand: es ist eine Fledermauskralle. Auch sie krallt ihr den Bräutigam als wehrloses Opfer fest. Die kleine nette Italienerin dort aus Calabrien bannt die Liebe in die Schnupftabaksdose. Aber der Schnupftabak besteht in Wahrheit aus dem zu Pulver zerstoßenen Dörrleibe einer in Wein er¬ säuften Eidechse, -- eine Prise, auf den Mann geworfen, macht ihn sterblich verliebt in die hübsche lebendige Lazerte.
Lies das Rezept auf der Flasche dort, die gewackelt kommt, -- es ist eine Liebesmedizin, die Sprödigkeit bricht, wie Chinarinde das Fieber: Lorbeerzweige, Sperlingshirn, die Knochen der linken Seite einer Kröte, die die Ameisen an¬ gefressen haben, Hoden vom Esel, Pferd und Hahn, und weib¬ liches Regelblut. Die Frau dahinter ist im Jahre 1859 in Berlin verhaftet worden, weil ihr nachgewiesen wurde, daß sie täglich mit ähnlichen Liebestränken die lukrativsten Geschäfte gemacht hatte.
Die Kröte, -- warum überall die Kröte in diesem Schattenschweif der Liebesphantasie? Dort die tiroler Bäuerin mag dich lehren. Sie wallfahrtet zu einem Mirakel wie der arme Jüngling nach Kevlaar. Aber sie trägt kein wächsernes Herz als gelobtes Opfer dahin. In ihrer Hand siehst du ein kleines Monstrum aus Wachs: ein leibhaftiges Krötenbild, fett, mit gespreizten Beinen. Der Unhold trägt um den Hals eine seidene Schnur, an der wird er neben dem Heiligtum, etwa dem Altarbild einer Kirche, aufgehängt werden. Schweres Leid wälzt die Arme in ihrer Hoffnung so vom eigenen Leibe. Denn diese Kröte da ist nichts anderes, als das Sinnbild einer Gebärmutter. Am Altar geweiht, wird sie die furcht¬ baren Schmerzen lindern, die im Leibe der Bäuerin von der wirklichen Gebärmutter ausgehen. Das Mystische wird sie umfließen und von ihr eindringen in ihr reales Urbild, heilend wie ein Arzt. Aber warum gerade das Krötenbild als Symbol?
Die Phantasie-Nixe hebt den Stab: ja wohl, sie ist nichts
Aber auch das oſtpreußiſche Mädchen dort hat etwas in der Hand: es iſt eine Fledermauskralle. Auch ſie krallt ihr den Bräutigam als wehrloſes Opfer feſt. Die kleine nette Italienerin dort aus Calabrien bannt die Liebe in die Schnupftabaksdoſe. Aber der Schnupftabak beſteht in Wahrheit aus dem zu Pulver zerſtoßenen Dörrleibe einer in Wein er¬ ſäuften Eidechſe, — eine Priſe, auf den Mann geworfen, macht ihn ſterblich verliebt in die hübſche lebendige Lazerte.
Lies das Rezept auf der Flaſche dort, die gewackelt kommt, — es iſt eine Liebesmedizin, die Sprödigkeit bricht, wie Chinarinde das Fieber: Lorbeerzweige, Sperlingshirn, die Knochen der linken Seite einer Kröte, die die Ameiſen an¬ gefreſſen haben, Hoden vom Eſel, Pferd und Hahn, und weib¬ liches Regelblut. Die Frau dahinter iſt im Jahre 1859 in Berlin verhaftet worden, weil ihr nachgewieſen wurde, daß ſie täglich mit ähnlichen Liebestränken die lukrativſten Geſchäfte gemacht hatte.
Die Kröte, — warum überall die Kröte in dieſem Schattenſchweif der Liebesphantaſie? Dort die tiroler Bäuerin mag dich lehren. Sie wallfahrtet zu einem Mirakel wie der arme Jüngling nach Kevlaar. Aber ſie trägt kein wächſernes Herz als gelobtes Opfer dahin. In ihrer Hand ſiehſt du ein kleines Monſtrum aus Wachs: ein leibhaftiges Krötenbild, fett, mit geſpreizten Beinen. Der Unhold trägt um den Hals eine ſeidene Schnur, an der wird er neben dem Heiligtum, etwa dem Altarbild einer Kirche, aufgehängt werden. Schweres Leid wälzt die Arme in ihrer Hoffnung ſo vom eigenen Leibe. Denn dieſe Kröte da iſt nichts anderes, als das Sinnbild einer Gebärmutter. Am Altar geweiht, wird ſie die furcht¬ baren Schmerzen lindern, die im Leibe der Bäuerin von der wirklichen Gebärmutter ausgehen. Das Myſtiſche wird ſie umfließen und von ihr eindringen in ihr reales Urbild, heilend wie ein Arzt. Aber warum gerade das Krötenbild als Symbol?
Die Phantaſie-Nixe hebt den Stab: ja wohl, ſie iſt nichts
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Aber auch das oſtpreußiſche Mädchen dort hat etwas in
der Hand: es iſt eine Fledermauskralle. Auch ſie krallt ihr
den Bräutigam als wehrloſes Opfer feſt. Die kleine nette
Italienerin dort aus Calabrien bannt die Liebe in die
Schnupftabaksdoſe. Aber der Schnupftabak beſteht in Wahrheit
aus dem zu Pulver zerſtoßenen Dörrleibe einer in Wein er¬
ſäuften Eidechſe, — eine Priſe, auf den Mann geworfen, macht
ihn ſterblich verliebt in die hübſche lebendige Lazerte.
Lies das Rezept auf der Flaſche dort, die gewackelt
kommt, — es iſt eine Liebesmedizin, die Sprödigkeit bricht,
wie Chinarinde das Fieber: Lorbeerzweige, Sperlingshirn, die
Knochen der linken Seite einer Kröte, die die Ameiſen an¬
gefreſſen haben, Hoden vom Eſel, Pferd und Hahn, und weib¬
liches Regelblut. Die Frau dahinter iſt im Jahre 1859 in
Berlin verhaftet worden, weil ihr nachgewieſen wurde, daß
ſie täglich mit ähnlichen Liebestränken die lukrativſten Geſchäfte
gemacht hatte.
Die Kröte, — warum überall die Kröte in dieſem
Schattenſchweif der Liebesphantaſie? Dort die tiroler Bäuerin
mag dich lehren. Sie wallfahrtet zu einem Mirakel wie der
arme Jüngling nach Kevlaar. Aber ſie trägt kein wächſernes
Herz als gelobtes Opfer dahin. In ihrer Hand ſiehſt du ein
kleines Monſtrum aus Wachs: ein leibhaftiges Krötenbild,
fett, mit geſpreizten Beinen. Der Unhold trägt um den Hals
eine ſeidene Schnur, an der wird er neben dem Heiligtum,
etwa dem Altarbild einer Kirche, aufgehängt werden. Schweres
Leid wälzt die Arme in ihrer Hoffnung ſo vom eigenen Leibe.
Denn dieſe Kröte da iſt nichts anderes, als das Sinnbild
einer Gebärmutter. Am Altar geweiht, wird ſie die furcht¬
baren Schmerzen lindern, die im Leibe der Bäuerin von der
wirklichen Gebärmutter ausgehen. Das Myſtiſche wird ſie
umfließen und von ihr eindringen in ihr reales Urbild, heilend
wie ein Arzt. Aber warum gerade das Krötenbild als Symbol?
Die Phantaſie-Nixe hebt den Stab: ja wohl, ſie iſt nichts
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/339>, abgerufen am 22.11.2024.
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