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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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die Nachgeburt, sie muß in besonderem Topf im Hofraum bei¬
gesetzt werden, sonst fällt das Kind in schwere Krankheit, und
bei diesem Begräbnis muß die Hebamme beten: "Geh zu
Grunde, geh zu Grunde." Es ist ein böser Kobold, den sie
verscharrt. Auf Ambon macht man's poetischer. Da kommt
der Mutterkuchen in weißes Linnen und das in eine Frucht¬
hülse mit drei Löchern. Dieses Särglein wird feierlich begraben,
mit sieben lodernden Fackeln auf dem Hügel, die sieben Nächte
brennen müssen. Ein besonderer Wächter wird dabei angestellt,
der den Fleck zugleich beständig mit frischen Blumen bestreut.
In die sieben Tropenflämmchen hinein leuchtet dir aber ein
wilderes Licht. Aus Norwegen glüht es und ein kleiner
Scheiterhaufen ist's. Hier hat die Hebamme zuerst die böse
Nachgeburt regelrecht wie ein lebendiges wildes Tier mit dem
Messer abgestochen und nun verbrennt sie sie, denn sonst kriecht
doch noch der Unhold Utbor heraus, der sich klein machen kann
wie eine Maus und doch brüllen kann wie ein Stier und die
Mutter fressen will. Nun aber kommt gar ein Bratgeruch der
Küche herüber: brasilianische Indianerinnen sitzen beisammen
und verzehren die Nachgeburt. Auf Java wird sie ausgelost,
damit die glückliche Gewinnerin sie esse und damit selber die
Gewißheit erhalte, bald schwanger zu werden. Ein lieblicheres
Bild ist wieder das Schifflein, das dort, ebenfalls auf Java,
treibt: die Nachgeburt ist hier auf ein kleines Bambusfloß ge¬
bettet, Blumen und Früchte sind darum gruppiert und das
Ganze ist mit brennenden Kerzen umsteckt wie ein Geburtstags¬
kuchen. So treibt das Mosesschifflein den Strom hinab.
Schließlich werden die Krokodile es fressen. Aber in denen
wohnen ja die Seelen der Vorfahren, so kommt's an den
rechten Ort.

Die Kerzchen verglimmen, doch nun kommt ein Heiligen¬
schein. Wenn die Nachgeburt erscheint, so ist es nicht bloß
der Atmungsapparat des Kindes, die Plazenta oder der Mutter¬
kuchen, sondern auch noch das glasige Hüllkleid, in dem das

die Nachgeburt, ſie muß in beſonderem Topf im Hofraum bei¬
geſetzt werden, ſonſt fällt das Kind in ſchwere Krankheit, und
bei dieſem Begräbnis muß die Hebamme beten: „Geh zu
Grunde, geh zu Grunde.“ Es iſt ein böſer Kobold, den ſie
verſcharrt. Auf Ambon macht man's poetiſcher. Da kommt
der Mutterkuchen in weißes Linnen und das in eine Frucht¬
hülſe mit drei Löchern. Dieſes Särglein wird feierlich begraben,
mit ſieben lodernden Fackeln auf dem Hügel, die ſieben Nächte
brennen müſſen. Ein beſonderer Wächter wird dabei angeſtellt,
der den Fleck zugleich beſtändig mit friſchen Blumen beſtreut.
In die ſieben Tropenflämmchen hinein leuchtet dir aber ein
wilderes Licht. Aus Norwegen glüht es und ein kleiner
Scheiterhaufen iſt's. Hier hat die Hebamme zuerſt die böſe
Nachgeburt regelrecht wie ein lebendiges wildes Tier mit dem
Meſſer abgeſtochen und nun verbrennt ſie ſie, denn ſonſt kriecht
doch noch der Unhold Utbor heraus, der ſich klein machen kann
wie eine Maus und doch brüllen kann wie ein Stier und die
Mutter freſſen will. Nun aber kommt gar ein Bratgeruch der
Küche herüber: braſilianiſche Indianerinnen ſitzen beiſammen
und verzehren die Nachgeburt. Auf Java wird ſie ausgeloſt,
damit die glückliche Gewinnerin ſie eſſe und damit ſelber die
Gewißheit erhalte, bald ſchwanger zu werden. Ein lieblicheres
Bild iſt wieder das Schifflein, das dort, ebenfalls auf Java,
treibt: die Nachgeburt iſt hier auf ein kleines Bambusfloß ge¬
bettet, Blumen und Früchte ſind darum gruppiert und das
Ganze iſt mit brennenden Kerzen umſteckt wie ein Geburtstags¬
kuchen. So treibt das Moſesſchifflein den Strom hinab.
Schließlich werden die Krokodile es freſſen. Aber in denen
wohnen ja die Seelen der Vorfahren, ſo kommt's an den
rechten Ort.

Die Kerzchen verglimmen, doch nun kommt ein Heiligen¬
ſchein. Wenn die Nachgeburt erſcheint, ſo iſt es nicht bloß
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[318/0332] die Nachgeburt, ſie muß in beſonderem Topf im Hofraum bei¬ geſetzt werden, ſonſt fällt das Kind in ſchwere Krankheit, und bei dieſem Begräbnis muß die Hebamme beten: „Geh zu Grunde, geh zu Grunde.“ Es iſt ein böſer Kobold, den ſie verſcharrt. Auf Ambon macht man's poetiſcher. Da kommt der Mutterkuchen in weißes Linnen und das in eine Frucht¬ hülſe mit drei Löchern. Dieſes Särglein wird feierlich begraben, mit ſieben lodernden Fackeln auf dem Hügel, die ſieben Nächte brennen müſſen. Ein beſonderer Wächter wird dabei angeſtellt, der den Fleck zugleich beſtändig mit friſchen Blumen beſtreut. In die ſieben Tropenflämmchen hinein leuchtet dir aber ein wilderes Licht. Aus Norwegen glüht es und ein kleiner Scheiterhaufen iſt's. Hier hat die Hebamme zuerſt die böſe Nachgeburt regelrecht wie ein lebendiges wildes Tier mit dem Meſſer abgeſtochen und nun verbrennt ſie ſie, denn ſonſt kriecht doch noch der Unhold Utbor heraus, der ſich klein machen kann wie eine Maus und doch brüllen kann wie ein Stier und die Mutter freſſen will. Nun aber kommt gar ein Bratgeruch der Küche herüber: braſilianiſche Indianerinnen ſitzen beiſammen und verzehren die Nachgeburt. Auf Java wird ſie ausgeloſt, damit die glückliche Gewinnerin ſie eſſe und damit ſelber die Gewißheit erhalte, bald ſchwanger zu werden. Ein lieblicheres Bild iſt wieder das Schifflein, das dort, ebenfalls auf Java, treibt: die Nachgeburt iſt hier auf ein kleines Bambusfloß ge¬ bettet, Blumen und Früchte ſind darum gruppiert und das Ganze iſt mit brennenden Kerzen umſteckt wie ein Geburtstags¬ kuchen. So treibt das Moſesſchifflein den Strom hinab. Schließlich werden die Krokodile es freſſen. Aber in denen wohnen ja die Seelen der Vorfahren, ſo kommt's an den rechten Ort. Die Kerzchen verglimmen, doch nun kommt ein Heiligen¬ ſchein. Wenn die Nachgeburt erſcheint, ſo iſt es nicht bloß der Atmungsapparat des Kindes, die Plazenta oder der Mutter¬ kuchen, ſondern auch noch das glaſige Hüllkleid, in dem das

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/332>, abgerufen am 22.11.2024.