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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Zauberkönig, geholt worden. Einen dicken Batzen hat man
ihm in die Hand gedrückt: nun soll er das Haus vor Wieder¬
kehr solchen Schreckens schützen. Er hat also alle Kleider kon¬
fisziert als käme er von Koch und Pasteur zu einem Cholera¬
kranken: ein mystischer Antiseptiker, der den Gespensterbazillus
zu bannen hofft. Als probatestes Generalmittel aber hat er
angeordnet, daß keiner das Haus durch die Thür verlassen
dürfe, eine Gewaltöffnung ist zu brechen an der Hinterwand.
Hinterdrein humpelt aber auch noch eine alte Bauersfrau mitten
aus unserm lieben Deutschland und versichert dir, die Frau,
die Zwillinge bringt, sei es selber schuld, denn sie habe im
schwangeren Zustande zusammengewachsene Rüben gegessen.

Jetzt wieder die Ägypterin hier ist runde viertausend
Jahre alt. Sie will wissen, ob die Hand der Gottheit sie
berührt hat, ihr Geschlecht zu mehren. Sie trägt zwei Säcke
in ihren Händen, mit Weizen und mit Gerste. Die hat sie
in ihrem Urin geweicht. Wenn sie keimten, war ihr Wunsch
erfüllt. That es nur der Weizen, so giebts einen Knaben,
die Gerste aber bedeutet ein Mädchen. Die Zigeunerin aus
Siebenbürgen, die folgt, trägt einen Napf mit Wasser, in den
sie ein rohes Ei ausgegossen hat. Sie hat außerdem hinein¬
gespuckt und nun wird sich am anderen Morgen für sie die
Schwangerschaftsprobe entscheiden: schwimmt das Ei an der
Oberfläche, so ist sie so weit, -- hat sich der Dotter vom
Eiweiß getrennt, so ist's ein Sohn, haben die Teile des Eies
sich vermählt, so wird es eine Tochter. Jetzt geht sie in den
Abend hinaus und lugt, ob sie Gänse fliegen sieht: das giebt
ihr auch noch die Zeit, sie wird am Morgen gebären.

Die arme Wöchnerin, die dort schwankt, ist eine Negerin.
Bei ihrer Niederkunft umstanden sie die weisen Frauen des
Stammes. Kam das Kind mit den Füßen statt mit dem Kopf
zuerst, so wurde es von ihnen sofort getötet. Gleiches Los
traf natürlich Zwillinge. Auch später drohte dem Kinde noch
der Tod, wenn nämlich die Oberzähne zuerst bei ihm durch¬

Zauberkönig, geholt worden. Einen dicken Batzen hat man
ihm in die Hand gedrückt: nun ſoll er das Haus vor Wieder¬
kehr ſolchen Schreckens ſchützen. Er hat alſo alle Kleider kon¬
fisziert als käme er von Koch und Paſteur zu einem Cholera¬
kranken: ein myſtiſcher Antiſeptiker, der den Geſpenſterbazillus
zu bannen hofft. Als probateſtes Generalmittel aber hat er
angeordnet, daß keiner das Haus durch die Thür verlaſſen
dürfe, eine Gewaltöffnung iſt zu brechen an der Hinterwand.
Hinterdrein humpelt aber auch noch eine alte Bauersfrau mitten
aus unſerm lieben Deutſchland und verſichert dir, die Frau,
die Zwillinge bringt, ſei es ſelber ſchuld, denn ſie habe im
ſchwangeren Zuſtande zuſammengewachſene Rüben gegeſſen.

Jetzt wieder die Ägypterin hier iſt runde viertauſend
Jahre alt. Sie will wiſſen, ob die Hand der Gottheit ſie
berührt hat, ihr Geſchlecht zu mehren. Sie trägt zwei Säcke
in ihren Händen, mit Weizen und mit Gerſte. Die hat ſie
in ihrem Urin geweicht. Wenn ſie keimten, war ihr Wunſch
erfüllt. That es nur der Weizen, ſo giebts einen Knaben,
die Gerſte aber bedeutet ein Mädchen. Die Zigeunerin aus
Siebenbürgen, die folgt, trägt einen Napf mit Waſſer, in den
ſie ein rohes Ei ausgegoſſen hat. Sie hat außerdem hinein¬
geſpuckt und nun wird ſich am anderen Morgen für ſie die
Schwangerſchaftsprobe entſcheiden: ſchwimmt das Ei an der
Oberfläche, ſo iſt ſie ſo weit, — hat ſich der Dotter vom
Eiweiß getrennt, ſo iſt's ein Sohn, haben die Teile des Eies
ſich vermählt, ſo wird es eine Tochter. Jetzt geht ſie in den
Abend hinaus und lugt, ob ſie Gänſe fliegen ſieht: das giebt
ihr auch noch die Zeit, ſie wird am Morgen gebären.

Die arme Wöchnerin, die dort ſchwankt, iſt eine Negerin.
Bei ihrer Niederkunft umſtanden ſie die weiſen Frauen des
Stammes. Kam das Kind mit den Füßen ſtatt mit dem Kopf
zuerſt, ſo wurde es von ihnen ſofort getötet. Gleiches Los
traf natürlich Zwillinge. Auch ſpäter drohte dem Kinde noch
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[313/0327] Zauberkönig, geholt worden. Einen dicken Batzen hat man ihm in die Hand gedrückt: nun ſoll er das Haus vor Wieder¬ kehr ſolchen Schreckens ſchützen. Er hat alſo alle Kleider kon¬ fisziert als käme er von Koch und Paſteur zu einem Cholera¬ kranken: ein myſtiſcher Antiſeptiker, der den Geſpenſterbazillus zu bannen hofft. Als probateſtes Generalmittel aber hat er angeordnet, daß keiner das Haus durch die Thür verlaſſen dürfe, eine Gewaltöffnung iſt zu brechen an der Hinterwand. Hinterdrein humpelt aber auch noch eine alte Bauersfrau mitten aus unſerm lieben Deutſchland und verſichert dir, die Frau, die Zwillinge bringt, ſei es ſelber ſchuld, denn ſie habe im ſchwangeren Zuſtande zuſammengewachſene Rüben gegeſſen. Jetzt wieder die Ägypterin hier iſt runde viertauſend Jahre alt. Sie will wiſſen, ob die Hand der Gottheit ſie berührt hat, ihr Geſchlecht zu mehren. Sie trägt zwei Säcke in ihren Händen, mit Weizen und mit Gerſte. Die hat ſie in ihrem Urin geweicht. Wenn ſie keimten, war ihr Wunſch erfüllt. That es nur der Weizen, ſo giebts einen Knaben, die Gerſte aber bedeutet ein Mädchen. Die Zigeunerin aus Siebenbürgen, die folgt, trägt einen Napf mit Waſſer, in den ſie ein rohes Ei ausgegoſſen hat. Sie hat außerdem hinein¬ geſpuckt und nun wird ſich am anderen Morgen für ſie die Schwangerſchaftsprobe entſcheiden: ſchwimmt das Ei an der Oberfläche, ſo iſt ſie ſo weit, — hat ſich der Dotter vom Eiweiß getrennt, ſo iſt's ein Sohn, haben die Teile des Eies ſich vermählt, ſo wird es eine Tochter. Jetzt geht ſie in den Abend hinaus und lugt, ob ſie Gänſe fliegen ſieht: das giebt ihr auch noch die Zeit, ſie wird am Morgen gebären. Die arme Wöchnerin, die dort ſchwankt, iſt eine Negerin. Bei ihrer Niederkunft umſtanden ſie die weiſen Frauen des Stammes. Kam das Kind mit den Füßen ſtatt mit dem Kopf zuerſt, ſo wurde es von ihnen ſofort getötet. Gleiches Los traf natürlich Zwillinge. Auch ſpäter drohte dem Kinde noch der Tod, wenn nämlich die Oberzähne zuerſt bei ihm durch¬

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/327>, abgerufen am 22.11.2024.