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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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In diesem Sinne ja!

Die große andere Frage aber ist, ob die Ehe nicht wäh¬
rend ihrer Existenz doch noch eine zweite und viel tiefere
Wurzel in das tiefste Erdreich der Menschheit an einer Stelle
getrieben hat, an die alle Sozialentwickelung nach unabänder¬
lichem Ratschluß der Weltentwickelung niemals heran kann.

Es fragt sich, ob in jenem Bilde die Ehe nicht außer
ihrer vergänglichen Rolle als Schutzhäuschen über dem Liebes¬
quell noch eine unlösbare Beziehung hat zu diesem Quell
selber, -- ob sie nicht auch die Leitung ist, in der dieser Quell
aus geheimnisvollen Urtiefen der Erde in den grünen Wald
heraufsprudelt, -- die Leitung, die auch der große soziale
Kulturgärtner dieses Waldes niemals verstopfen, sondern im
Gegenteil mit allem Fleiße heilig und unversehrt erhalten wird.

Das Einzige, was die Ehe in diesem Sinne halten
ann, ist ihr Verhältnis zum Individuellen.

Das klingt ja trivial. Gewiß, wenn alles vom Sozialen
verschlungen wird, wie von einer großen Sintflut, und es soll
doch noch eine Arche gerettet sein, so kann sie nur durch das
andere Extrem, den Individualismus, oben schwimmen. Die
Sache muß enger gesagt werden.

Im Getriebe der Dinge, wie wir sie überschauen, giebt
es zwei große feste Einschläge.

Der eine ist vorläufig überschaubar, berechenbar, durch¬
schaubar, ist greifbar, bewältigbar für unseren Verstand. Der
andere ist, vorerst wenigstens, dunkel, unberechenbar, er hat
etwas vom Walten von Imponderabilien; ich meine damit
nicht eine mystische Unfaßbarkeit, aber einstweilen eine Schranke
unseres objektiven Durchdringens.

Der erste hat sein Reich im Sozialen, der zweite im
Individuellen.

Aus dem Individuellen ergießen sich geheimnisvolle
Quellen, fort und fort. Ihren Grund sehen wir nicht. Diese
Quellen bilden aber, ans Licht getreten, alsbald ein ungeheures

In dieſem Sinne ja!

Die große andere Frage aber iſt, ob die Ehe nicht wäh¬
rend ihrer Exiſtenz doch noch eine zweite und viel tiefere
Wurzel in das tiefſte Erdreich der Menſchheit an einer Stelle
getrieben hat, an die alle Sozialentwickelung nach unabänder¬
lichem Ratſchluß der Weltentwickelung niemals heran kann.

Es fragt ſich, ob in jenem Bilde die Ehe nicht außer
ihrer vergänglichen Rolle als Schutzhäuschen über dem Liebes¬
quell noch eine unlösbare Beziehung hat zu dieſem Quell
ſelber, — ob ſie nicht auch die Leitung iſt, in der dieſer Quell
aus geheimnisvollen Urtiefen der Erde in den grünen Wald
heraufſprudelt, — die Leitung, die auch der große ſoziale
Kulturgärtner dieſes Waldes niemals verſtopfen, ſondern im
Gegenteil mit allem Fleiße heilig und unverſehrt erhalten wird.

Das Einzige, was die Ehe in dieſem Sinne halten
ann, iſt ihr Verhältnis zum Individuellen.

Das klingt ja trivial. Gewiß, wenn alles vom Sozialen
verſchlungen wird, wie von einer großen Sintflut, und es ſoll
doch noch eine Arche gerettet ſein, ſo kann ſie nur durch das
andere Extrem, den Individualismus, oben ſchwimmen. Die
Sache muß enger geſagt werden.

Im Getriebe der Dinge, wie wir ſie überſchauen, giebt
es zwei große feſte Einſchläge.

Der eine iſt vorläufig überſchaubar, berechenbar, durch¬
ſchaubar, iſt greifbar, bewältigbar für unſeren Verſtand. Der
andere iſt, vorerſt wenigſtens, dunkel, unberechenbar, er hat
etwas vom Walten von Imponderabilien; ich meine damit
nicht eine myſtiſche Unfaßbarkeit, aber einſtweilen eine Schranke
unſeres objektiven Durchdringens.

Der erſte hat ſein Reich im Sozialen, der zweite im
Individuellen.

Aus dem Individuellen ergießen ſich geheimnisvolle
Quellen, fort und fort. Ihren Grund ſehen wir nicht. Dieſe
Quellen bilden aber, ans Licht getreten, alsbald ein ungeheures

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[295/0309] In dieſem Sinne ja! Die große andere Frage aber iſt, ob die Ehe nicht wäh¬ rend ihrer Exiſtenz doch noch eine zweite und viel tiefere Wurzel in das tiefſte Erdreich der Menſchheit an einer Stelle getrieben hat, an die alle Sozialentwickelung nach unabänder¬ lichem Ratſchluß der Weltentwickelung niemals heran kann. Es fragt ſich, ob in jenem Bilde die Ehe nicht außer ihrer vergänglichen Rolle als Schutzhäuschen über dem Liebes¬ quell noch eine unlösbare Beziehung hat zu dieſem Quell ſelber, — ob ſie nicht auch die Leitung iſt, in der dieſer Quell aus geheimnisvollen Urtiefen der Erde in den grünen Wald heraufſprudelt, — die Leitung, die auch der große ſoziale Kulturgärtner dieſes Waldes niemals verſtopfen, ſondern im Gegenteil mit allem Fleiße heilig und unverſehrt erhalten wird. Das Einzige, was die Ehe in dieſem Sinne halten ann, iſt ihr Verhältnis zum Individuellen. Das klingt ja trivial. Gewiß, wenn alles vom Sozialen verſchlungen wird, wie von einer großen Sintflut, und es ſoll doch noch eine Arche gerettet ſein, ſo kann ſie nur durch das andere Extrem, den Individualismus, oben ſchwimmen. Die Sache muß enger geſagt werden. Im Getriebe der Dinge, wie wir ſie überſchauen, giebt es zwei große feſte Einſchläge. Der eine iſt vorläufig überſchaubar, berechenbar, durch¬ ſchaubar, iſt greifbar, bewältigbar für unſeren Verſtand. Der andere iſt, vorerſt wenigſtens, dunkel, unberechenbar, er hat etwas vom Walten von Imponderabilien; ich meine damit nicht eine myſtiſche Unfaßbarkeit, aber einſtweilen eine Schranke unſeres objektiven Durchdringens. Der erſte hat ſein Reich im Sozialen, der zweite im Individuellen. Aus dem Individuellen ergießen ſich geheimnisvolle Quellen, fort und fort. Ihren Grund ſehen wir nicht. Dieſe Quellen bilden aber, ans Licht getreten, alsbald ein ungeheures

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/309>, abgerufen am 22.11.2024.