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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Aber diese geschichtlichen Dinge können in Wahrheit
ruhig dahinfallen.

Das Reich der Liebe als Ideal der Menschheit steht und
fällt keineswegs mit der mosaischen Kosmogonie, in der das
Paradies schon einmal am Anfang der Tage duftet. So
wenig wird der soziale Traum mit seiner Auflösung der Ehe
innerlich berührt von der Wahrheit oder Nichtwahrheit irgend
einer Theorie über die sozialen und ehelichen Anfänge des
Urmenschen.

Nur ein bisher immer erneutes, aber im Grunde doch
kindliches Streben steckt in dieser ewigen Suche nach einem
Wiederaufleben der höchsten Zukunft in der tiefsten Vergangen¬
heit, als wäre die Weltentwickelung wirklich nur das alte
Symbol der Schlange, die sich in den Schwanz beißt, und
nichts weiter. Es ist der gleiche Denkweg, der am Anfang
der Dinge sich eine sinnlose Materie konstruiert und dann nicht
rasten mag, bis er alle Herrlichkeit der Milchstraßen und
Menschenhirne wieder aufgelöst hat in dieses Chaos hinein.
Die wahren Beispiele der Entwickelung, die wir in der Natur
sehen, mit ihren geheimnisvollen Phänomenen der Zeugung,
der Verwandlung, der Überbietung, sie lauten nirgendwo so
einfach. Auch der Baum, der ein Jahrhundert lang gegrünt

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Aber dieſe geſchichtlichen Dinge können in Wahrheit
ruhig dahinfallen.

Das Reich der Liebe als Ideal der Menſchheit ſteht und
fällt keineswegs mit der moſaiſchen Kosmogonie, in der das
Paradies ſchon einmal am Anfang der Tage duftet. So
wenig wird der ſoziale Traum mit ſeiner Auflöſung der Ehe
innerlich berührt von der Wahrheit oder Nichtwahrheit irgend
einer Theorie über die ſozialen und ehelichen Anfänge des
Urmenſchen.

Nur ein bisher immer erneutes, aber im Grunde doch
kindliches Streben ſteckt in dieſer ewigen Suche nach einem
Wiederaufleben der höchſten Zukunft in der tiefſten Vergangen¬
heit, als wäre die Weltentwickelung wirklich nur das alte
Symbol der Schlange, die ſich in den Schwanz beißt, und
nichts weiter. Es iſt der gleiche Denkweg, der am Anfang
der Dinge ſich eine ſinnloſe Materie konſtruiert und dann nicht
raſten mag, bis er alle Herrlichkeit der Milchſtraßen und
Menſchenhirne wieder aufgelöſt hat in dieſes Chaos hinein.
Die wahren Beiſpiele der Entwickelung, die wir in der Natur
ſehen, mit ihren geheimnisvollen Phänomenen der Zeugung,
der Verwandlung, der Überbietung, ſie lauten nirgendwo ſo
einfach. Auch der Baum, der ein Jahrhundert lang gegrünt

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[291/0305] [Abbildung] Aber dieſe geſchichtlichen Dinge können in Wahrheit ruhig dahinfallen. Das Reich der Liebe als Ideal der Menſchheit ſteht und fällt keineswegs mit der moſaiſchen Kosmogonie, in der das Paradies ſchon einmal am Anfang der Tage duftet. So wenig wird der ſoziale Traum mit ſeiner Auflöſung der Ehe innerlich berührt von der Wahrheit oder Nichtwahrheit irgend einer Theorie über die ſozialen und ehelichen Anfänge des Urmenſchen. Nur ein bisher immer erneutes, aber im Grunde doch kindliches Streben ſteckt in dieſer ewigen Suche nach einem Wiederaufleben der höchſten Zukunft in der tiefſten Vergangen¬ heit, als wäre die Weltentwickelung wirklich nur das alte Symbol der Schlange, die ſich in den Schwanz beißt, und nichts weiter. Es iſt der gleiche Denkweg, der am Anfang der Dinge ſich eine ſinnloſe Materie konſtruiert und dann nicht raſten mag, bis er alle Herrlichkeit der Milchſtraßen und Menſchenhirne wieder aufgelöſt hat in dieſes Chaos hinein. Die wahren Beiſpiele der Entwickelung, die wir in der Natur ſehen, mit ihren geheimnisvollen Phänomenen der Zeugung, der Verwandlung, der Überbietung, ſie lauten nirgendwo ſo einfach. Auch der Baum, der ein Jahrhundert lang gegrünt 19 *

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/305>, abgerufen am 22.11.2024.