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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Affenkäfigs gerade bei dem ästhetisch und erotisch verfeinerten
Menschen ihr stärkster Widersacher gewesen. Diese offene Liebes¬
sprache nackter, unförmlich angeschwollener, mit schreienden Farben
einer Narrenkappe herausfordernder Rückseiten macht den Naiven
blöde lachen, -- dem Denkenden aber hat sie zunächst etwas
Grausiges. In diese Welt hinab soll der Mensch! In solchem
Augenblick pflegt vergessen zu werden, bis zu welchen grotesken
Ungeheuerlichkeiten auch die Liebe des Erdentieres Mensch sich
in Völkern, Zeiten und Individuen verstiegen hat. Unwill¬
kürlich wird doch immer nur gemessen an einem idealen Bilde,
wie es jene liebliche Lotosnixe symbolisch trifft. Das -- und
das. Das -- daher?

Doch die Schicksalsspinne webt. Und die Gedankenspinne
webt ihr nach. Gegen Gott hilft niemand als Gott. Gedanken
werden nur überwunden durch noch tiefere Gedanken. Gerade
an dieser Stelle spinnt sich der geheimnisvollste Faden an.

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Warum ist der Mensch nackt? Nicht als Paradiesier,
sondern als Säugetier. Das Säugetier bestreitest du ja in
seiner heiligen Verklärung mütterlicher Reine auch dem Lotos¬
nixlein nicht.

Aber gerade das Säugetier war in der Stunde seiner
Entstehung sozusagen verbrieft und eingeschworen auf das dicke,
wärmende Hauthaar, auf den Pelz.

In uralten Tagen, in jener Triaszeit der Schachtelhalme
und der Meerdrachen, taucht das Säugetier auf als ein Triumph
der Entwickelungssteigerung über das Kriechtier hinaus: dauernd
warmblütig, nicht mehr abhängig in ewigem Wechsel von der
äußeren Lufttemperatur. Um diese Warmblütigkeit zu schützen,
trägt es den neuen Rock: das Haar, den Pelz. Vielleicht hat

Affenkäfigs gerade bei dem äſthetiſch und erotiſch verfeinerten
Menſchen ihr ſtärkſter Widerſacher geweſen. Dieſe offene Liebes¬
ſprache nackter, unförmlich angeſchwollener, mit ſchreienden Farben
einer Narrenkappe herausfordernder Rückſeiten macht den Naiven
blöde lachen, — dem Denkenden aber hat ſie zunächſt etwas
Grauſiges. In dieſe Welt hinab ſoll der Menſch! In ſolchem
Augenblick pflegt vergeſſen zu werden, bis zu welchen grotesken
Ungeheuerlichkeiten auch die Liebe des Erdentieres Menſch ſich
in Völkern, Zeiten und Individuen verſtiegen hat. Unwill¬
kürlich wird doch immer nur gemeſſen an einem idealen Bilde,
wie es jene liebliche Lotosnixe ſymboliſch trifft. Das — und
das. Das — daher?

Doch die Schickſalsſpinne webt. Und die Gedankenſpinne
webt ihr nach. Gegen Gott hilft niemand als Gott. Gedanken
werden nur überwunden durch noch tiefere Gedanken. Gerade
an dieſer Stelle ſpinnt ſich der geheimnisvollſte Faden an.

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Warum iſt der Menſch nackt? Nicht als Paradieſier,
ſondern als Säugetier. Das Säugetier beſtreiteſt du ja in
ſeiner heiligen Verklärung mütterlicher Reine auch dem Lotos¬
nixlein nicht.

Aber gerade das Säugetier war in der Stunde ſeiner
Entſtehung ſozuſagen verbrieft und eingeſchworen auf das dicke,
wärmende Hauthaar, auf den Pelz.

In uralten Tagen, in jener Triaszeit der Schachtelhalme
und der Meerdrachen, taucht das Säugetier auf als ein Triumph
der Entwickelungsſteigerung über das Kriechtier hinaus: dauernd
warmblütig, nicht mehr abhängig in ewigem Wechſel von der
äußeren Lufttemperatur. Um dieſe Warmblütigkeit zu ſchützen,
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[15/0029] Affenkäfigs gerade bei dem äſthetiſch und erotiſch verfeinerten Menſchen ihr ſtärkſter Widerſacher geweſen. Dieſe offene Liebes¬ ſprache nackter, unförmlich angeſchwollener, mit ſchreienden Farben einer Narrenkappe herausfordernder Rückſeiten macht den Naiven blöde lachen, — dem Denkenden aber hat ſie zunächſt etwas Grauſiges. In dieſe Welt hinab ſoll der Menſch! In ſolchem Augenblick pflegt vergeſſen zu werden, bis zu welchen grotesken Ungeheuerlichkeiten auch die Liebe des Erdentieres Menſch ſich in Völkern, Zeiten und Individuen verſtiegen hat. Unwill¬ kürlich wird doch immer nur gemeſſen an einem idealen Bilde, wie es jene liebliche Lotosnixe ſymboliſch trifft. Das — und das. Das — daher? Doch die Schickſalsſpinne webt. Und die Gedankenſpinne webt ihr nach. Gegen Gott hilft niemand als Gott. Gedanken werden nur überwunden durch noch tiefere Gedanken. Gerade an dieſer Stelle ſpinnt ſich der geheimnisvollſte Faden an. [Abbildung] Warum iſt der Menſch nackt? Nicht als Paradieſier, ſondern als Säugetier. Das Säugetier beſtreiteſt du ja in ſeiner heiligen Verklärung mütterlicher Reine auch dem Lotos¬ nixlein nicht. Aber gerade das Säugetier war in der Stunde ſeiner Entſtehung ſozuſagen verbrieft und eingeſchworen auf das dicke, wärmende Hauthaar, auf den Pelz. In uralten Tagen, in jener Triaszeit der Schachtelhalme und der Meerdrachen, taucht das Säugetier auf als ein Triumph der Entwickelungsſteigerung über das Kriechtier hinaus: dauernd warmblütig, nicht mehr abhängig in ewigem Wechſel von der äußeren Lufttemperatur. Um dieſe Warmblütigkeit zu ſchützen, trägt es den neuen Rock: das Haar, den Pelz. Vielleicht hat

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/29>, abgerufen am 24.11.2024.