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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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sich zeitweise geschlossen findet. Soll ein endgültiges Hemmnis
geschaffen werden, so weiß die Australierin schon Mittel, die
Eierstöcke zu zerstören, etwas gröber, aber fast so gut, als es
leichtsinnige Pariser Ärzte heute willigen Patientinnen besorgen.
Von der grausigen Mikaoperation, die gar das Mannesglied
seitwärts anbohrt, um die Leitung zu stören, haben wir schon
gesprochen.

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Summa Summarum ist klar, daß diese "Möglichkeit" in
alle zuletzt geschilderten Prozesse stark eingreifen mußte. Sie
muß von früh an ihre Rolle gespielt haben bei den Probe¬
versuchen der Jugend. Immerhin war sie hier ungefährlicher,
da ja doch die Ehe stets als Ziel dieser Versuche hoch auf¬
recht ragte. Sie beschränkte die Zahl der vorehelichen Kinder
auch bei weitestem Spielraum für die Probewahl, ohne die
Ehe selbst zu berühren. Wo aber das "Flötenhaus" die Ehe
zu bedrohen begann, da war plötzlich die wirkliche Gefahr da.

Es ist ein hochinteressantes Schauspiel immer wieder,
wie in der Naturentwickelung allem Raum gegeben wird, sich
zunächst einmal zu entfalten. Erst in der Praxis werden die
tollen Linien dann allmählich ad absurdum geführt, um end¬
lich so zu sagen an ihrer eigenen widerlogischen Lächerlichkeit
zu Grunde zu gehen. Diese Praxis mag ihre grausame Seite
haben vom Standpunkte der armen Versuchsopfer. Aber es
macht durchaus den Eindruck, daß sie nötig war, wie die
Dinge einmal lagen. Das Absurde durfte nicht verschwiegen,
unterdrückt werden, es mußte frei ans Tageslicht, mußte sich
offen zu Grunde leben. Nur so konnte es für immer heraus¬
gepaukt werden. Wer Gelegenheit gehabt hat, auch nur im
kleinen mit Menschen zu wirtschaften -- sei es selbst nur in
einem winzigen Verein, einer geringfügigen politischen oder

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ſich zeitweiſe geſchloſſen findet. Soll ein endgültiges Hemmnis
geſchaffen werden, ſo weiß die Auſtralierin ſchon Mittel, die
Eierſtöcke zu zerſtören, etwas gröber, aber faſt ſo gut, als es
leichtſinnige Pariſer Ärzte heute willigen Patientinnen beſorgen.
Von der grauſigen Mikaoperation, die gar das Mannesglied
ſeitwärts anbohrt, um die Leitung zu ſtören, haben wir ſchon
geſprochen.

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Summa Summarum iſt klar, daß dieſe „Möglichkeit“ in
alle zuletzt geſchilderten Prozeſſe ſtark eingreifen mußte. Sie
muß von früh an ihre Rolle geſpielt haben bei den Probe¬
verſuchen der Jugend. Immerhin war ſie hier ungefährlicher,
da ja doch die Ehe ſtets als Ziel dieſer Verſuche hoch auf¬
recht ragte. Sie beſchränkte die Zahl der vorehelichen Kinder
auch bei weiteſtem Spielraum für die Probewahl, ohne die
Ehe ſelbſt zu berühren. Wo aber das „Flötenhaus“ die Ehe
zu bedrohen begann, da war plötzlich die wirkliche Gefahr da.

Es iſt ein hochintereſſantes Schauſpiel immer wieder,
wie in der Naturentwickelung allem Raum gegeben wird, ſich
zunächſt einmal zu entfalten. Erſt in der Praxis werden die
tollen Linien dann allmählich ad absurdum geführt, um end¬
lich ſo zu ſagen an ihrer eigenen widerlogiſchen Lächerlichkeit
zu Grunde zu gehen. Dieſe Praxis mag ihre grauſame Seite
haben vom Standpunkte der armen Verſuchsopfer. Aber es
macht durchaus den Eindruck, daß ſie nötig war, wie die
Dinge einmal lagen. Das Abſurde durfte nicht verſchwiegen,
unterdrückt werden, es mußte frei ans Tageslicht, mußte ſich
offen zu Grunde leben. Nur ſo konnte es für immer heraus¬
gepaukt werden. Wer Gelegenheit gehabt hat, auch nur im
kleinen mit Menſchen zu wirtſchaften — ſei es ſelbſt nur in
einem winzigen Verein, einer geringfügigen politiſchen oder

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[259/0273] ſich zeitweiſe geſchloſſen findet. Soll ein endgültiges Hemmnis geſchaffen werden, ſo weiß die Auſtralierin ſchon Mittel, die Eierſtöcke zu zerſtören, etwas gröber, aber faſt ſo gut, als es leichtſinnige Pariſer Ärzte heute willigen Patientinnen beſorgen. Von der grauſigen Mikaoperation, die gar das Mannesglied ſeitwärts anbohrt, um die Leitung zu ſtören, haben wir ſchon geſprochen. [Abbildung] Summa Summarum iſt klar, daß dieſe „Möglichkeit“ in alle zuletzt geſchilderten Prozeſſe ſtark eingreifen mußte. Sie muß von früh an ihre Rolle geſpielt haben bei den Probe¬ verſuchen der Jugend. Immerhin war ſie hier ungefährlicher, da ja doch die Ehe ſtets als Ziel dieſer Verſuche hoch auf¬ recht ragte. Sie beſchränkte die Zahl der vorehelichen Kinder auch bei weiteſtem Spielraum für die Probewahl, ohne die Ehe ſelbſt zu berühren. Wo aber das „Flötenhaus“ die Ehe zu bedrohen begann, da war plötzlich die wirkliche Gefahr da. Es iſt ein hochintereſſantes Schauſpiel immer wieder, wie in der Naturentwickelung allem Raum gegeben wird, ſich zunächſt einmal zu entfalten. Erſt in der Praxis werden die tollen Linien dann allmählich ad absurdum geführt, um end¬ lich ſo zu ſagen an ihrer eigenen widerlogiſchen Lächerlichkeit zu Grunde zu gehen. Dieſe Praxis mag ihre grauſame Seite haben vom Standpunkte der armen Verſuchsopfer. Aber es macht durchaus den Eindruck, daß ſie nötig war, wie die Dinge einmal lagen. Das Abſurde durfte nicht verſchwiegen, unterdrückt werden, es mußte frei ans Tageslicht, mußte ſich offen zu Grunde leben. Nur ſo konnte es für immer heraus¬ gepaukt werden. Wer Gelegenheit gehabt hat, auch nur im kleinen mit Menſchen zu wirtſchaften — ſei es ſelbſt nur in einem winzigen Verein, einer geringfügigen politiſchen oder 17*

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/273>, abgerufen am 22.11.2024.