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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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ein. Der Samen unfruchtbarer Bäume, Weiden oder Pappeln,
in Theeaufguß, sollte Unfruchtbarkeit erzeugen, Gleiches durch
Gleiches. Der Volksaberglaube läßt sich noch heute den Weiden¬
thee, von dem die alten Griechen und Römer schon schrieben,
nicht ausreden. Eine andere Volkstheorie glaubte an die Un¬
fehlbarkeit von Birnen und Mispeln, die auf Hagedornstämme
okuliert waren. Alles umsonst. Zimmttinktur und englischer
Balsam, milder Honig und die schärfsten Drastika wie Aloe
und Myrrhen halfen nichts. Eine ganze schwarze Hexenküche ist
eingetrichtert worden. Die Natur aber schlug ihr Schnippchen.
So leicht ließ sie sich nicht dreinreden.

Gefährlich wurde der Feldzug erst, wo eine Grundthat¬
sache des ganzen Liebeslebens glücklich begriffen war: nämlich
die Rolle des männlichen Samens als eine auf alle Fälle
unumgänglich notwendige Voraussetzung.

Die Methoden, die auf einfaches Abdämmen des Lebens¬
quells von der Empfängnisstätte zielten, gelangten im Prinzip
alle wirklich ans Ziel, so wenig man auch eigentlich noch
ahnte, was da abgedämmt wurde. Jahrtausende, ehe das
Mikroskop das erste wirkliche Samentierchen, das Lebensfischlein
im heiligen Quell, wies, ist das durch kühnes Darauflosexperi¬
mentieren gefunden worden. Im alten Testament hast du
schon eine offizielle Sagengestalt dafür, den Onan. Dieser
Onan hat allerdings das weltgeschichtliche Verhängnis erfahren,
daß sein Name über ein ganz falsches Kapitel des menschlichen
Liebesbuches geraten ist: es wurde nach ihm die Onanie be¬
nannt. In Wahrheit verewigt er die Erinnerung an den
Brauch des Zurückziehens als eine uralte negative Möglichkeit
der Menschheit.

Dieser Brauch ist keineswegs eine raffinierte Kulturerfindung:
die Neger und andere Naturvölker üben ihn gelegentlich genau
so wie der Kulturmensch. Bei einzelnen Stämmen, besonders
in Indien und auf Java, wird auch durch künstliche Eingriffe
wohl die Gebärmutter verschoben, so daß die innere Pforte

ein. Der Samen unfruchtbarer Bäume, Weiden oder Pappeln,
in Theeaufguß, ſollte Unfruchtbarkeit erzeugen, Gleiches durch
Gleiches. Der Volksaberglaube läßt ſich noch heute den Weiden¬
thee, von dem die alten Griechen und Römer ſchon ſchrieben,
nicht ausreden. Eine andere Volkstheorie glaubte an die Un¬
fehlbarkeit von Birnen und Miſpeln, die auf Hagedornſtämme
okuliert waren. Alles umſonſt. Zimmttinktur und engliſcher
Balſam, milder Honig und die ſchärfſten Draſtika wie Aloe
und Myrrhen halfen nichts. Eine ganze ſchwarze Hexenküche iſt
eingetrichtert worden. Die Natur aber ſchlug ihr Schnippchen.
So leicht ließ ſie ſich nicht dreinreden.

Gefährlich wurde der Feldzug erſt, wo eine Grundthat¬
ſache des ganzen Liebeslebens glücklich begriffen war: nämlich
die Rolle des männlichen Samens als eine auf alle Fälle
unumgänglich notwendige Vorausſetzung.

Die Methoden, die auf einfaches Abdämmen des Lebens¬
quells von der Empfängnisſtätte zielten, gelangten im Prinzip
alle wirklich ans Ziel, ſo wenig man auch eigentlich noch
ahnte, was da abgedämmt wurde. Jahrtauſende, ehe das
Mikroſkop das erſte wirkliche Samentierchen, das Lebensfiſchlein
im heiligen Quell, wies, iſt das durch kühnes Darauflosexperi¬
mentieren gefunden worden. Im alten Teſtament haſt du
ſchon eine offizielle Sagengeſtalt dafür, den Onan. Dieſer
Onan hat allerdings das weltgeſchichtliche Verhängnis erfahren,
daß ſein Name über ein ganz falſches Kapitel des menſchlichen
Liebesbuches geraten iſt: es wurde nach ihm die Onanie be¬
nannt. In Wahrheit verewigt er die Erinnerung an den
Brauch des Zurückziehens als eine uralte negative Möglichkeit
der Menſchheit.

Dieſer Brauch iſt keineswegs eine raffinierte Kulturerfindung:
die Neger und andere Naturvölker üben ihn gelegentlich genau
ſo wie der Kulturmenſch. Bei einzelnen Stämmen, beſonders
in Indien und auf Java, wird auch durch künſtliche Eingriffe
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[258/0272] ein. Der Samen unfruchtbarer Bäume, Weiden oder Pappeln, in Theeaufguß, ſollte Unfruchtbarkeit erzeugen, Gleiches durch Gleiches. Der Volksaberglaube läßt ſich noch heute den Weiden¬ thee, von dem die alten Griechen und Römer ſchon ſchrieben, nicht ausreden. Eine andere Volkstheorie glaubte an die Un¬ fehlbarkeit von Birnen und Miſpeln, die auf Hagedornſtämme okuliert waren. Alles umſonſt. Zimmttinktur und engliſcher Balſam, milder Honig und die ſchärfſten Draſtika wie Aloe und Myrrhen halfen nichts. Eine ganze ſchwarze Hexenküche iſt eingetrichtert worden. Die Natur aber ſchlug ihr Schnippchen. So leicht ließ ſie ſich nicht dreinreden. Gefährlich wurde der Feldzug erſt, wo eine Grundthat¬ ſache des ganzen Liebeslebens glücklich begriffen war: nämlich die Rolle des männlichen Samens als eine auf alle Fälle unumgänglich notwendige Vorausſetzung. Die Methoden, die auf einfaches Abdämmen des Lebens¬ quells von der Empfängnisſtätte zielten, gelangten im Prinzip alle wirklich ans Ziel, ſo wenig man auch eigentlich noch ahnte, was da abgedämmt wurde. Jahrtauſende, ehe das Mikroſkop das erſte wirkliche Samentierchen, das Lebensfiſchlein im heiligen Quell, wies, iſt das durch kühnes Darauflosexperi¬ mentieren gefunden worden. Im alten Teſtament haſt du ſchon eine offizielle Sagengeſtalt dafür, den Onan. Dieſer Onan hat allerdings das weltgeſchichtliche Verhängnis erfahren, daß ſein Name über ein ganz falſches Kapitel des menſchlichen Liebesbuches geraten iſt: es wurde nach ihm die Onanie be¬ nannt. In Wahrheit verewigt er die Erinnerung an den Brauch des Zurückziehens als eine uralte negative Möglichkeit der Menſchheit. Dieſer Brauch iſt keineswegs eine raffinierte Kulturerfindung: die Neger und andere Naturvölker üben ihn gelegentlich genau ſo wie der Kulturmenſch. Bei einzelnen Stämmen, beſonders in Indien und auf Java, wird auch durch künſtliche Eingriffe wohl die Gebärmutter verſchoben, ſo daß die innere Pforte

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/272>, abgerufen am 25.11.2024.