ein toller Pinsel die grellsten impressionistischen Farbeneffekte in dicksten Klatschen aufgemalt zu haben. Die Nase ist schreiend blutrot wie eine aufgenagelte Stange Siegellack. Rechts und links wie zwei Flügel die Backenwülste vorgepustet und auf jedem ein Farbklatsch Kobaltblau, fettig dick, daß man ordentlich die Ölfarbe abkratzen möchte. Die gleiche Palette aber ist etwas verschwommener von hinten gegen den Leib des Schratts gehauen: Geschlecht und After in die pure Siegellackröte hinein, die dicken Schwielen des Gesäßes in ein Gemisch aus Rot und Himmelblau.
Es ist keine künstliche Malerei in Wahrheit, -- die Farben sind "angewachsen" an die nackte Haut. Aber das Gehirn des Kobolds hinter diesen schiefen, versteckt glühenden Satans¬ augen weiß wenigstens ganz genau darum. Um beide weiß er, -- die hinten und die vorn. Und die da hinten wertet er in ganz bestimmtem Gedankengange offenbar höher als die da vorn. Ganz richtig hat der alte Tierfreund des Kloster¬ folianten beobachtet: wenn er einem Weibe gefallen will, so kommt er rückwärts daher und entfaltet die Farbenskala dieser Körperwende als das Bestimmende. Dabei ist er, wohl be¬ merkt, ein uralter Darwinianer in der Praxis: ihm ver¬ schwimmt der Unterschied zwischen Affenmaid und Menschenmaid. Sitzt er, vom Menschentier zur Schaustellung gefangen, im Käfig und es naht sich eine Menschin, so verfährt er nach seinem Brauch. Ein junger Mandrill, der sich im Spiegel sah, spintisierte eine Weile, was das sei. Dann schien ihm ein Licht aufzugehen, ob's nicht ein zweiter Affe und am Ende ein weiblicher sei, -- und urplötzlich sah ihn der Beobachter sich wenden und dem Spiegelbilde sein unheimliches Rückspektrum zukehren.
Was wir Scham nennen, kennt er dabei nicht. Seine Liebesgedanken gehen sogleich aufs Ganze. Du erinnerst dich unserer alten Unterscheidungen der Distanceliebe und Mischliebe. Sobald das erste raumüberwindende Organ seiner Distance¬
ein toller Pinſel die grellſten impreſſioniſtiſchen Farbeneffekte in dickſten Klatſchen aufgemalt zu haben. Die Naſe iſt ſchreiend blutrot wie eine aufgenagelte Stange Siegellack. Rechts und links wie zwei Flügel die Backenwülſte vorgepuſtet und auf jedem ein Farbklatſch Kobaltblau, fettig dick, daß man ordentlich die Ölfarbe abkratzen möchte. Die gleiche Palette aber iſt etwas verſchwommener von hinten gegen den Leib des Schratts gehauen: Geſchlecht und After in die pure Siegellackröte hinein, die dicken Schwielen des Geſäßes in ein Gemiſch aus Rot und Himmelblau.
Es iſt keine künſtliche Malerei in Wahrheit, — die Farben ſind „angewachſen“ an die nackte Haut. Aber das Gehirn des Kobolds hinter dieſen ſchiefen, verſteckt glühenden Satans¬ augen weiß wenigſtens ganz genau darum. Um beide weiß er, — die hinten und die vorn. Und die da hinten wertet er in ganz beſtimmtem Gedankengange offenbar höher als die da vorn. Ganz richtig hat der alte Tierfreund des Kloſter¬ folianten beobachtet: wenn er einem Weibe gefallen will, ſo kommt er rückwärts daher und entfaltet die Farbenſkala dieſer Körperwende als das Beſtimmende. Dabei iſt er, wohl be¬ merkt, ein uralter Darwinianer in der Praxis: ihm ver¬ ſchwimmt der Unterſchied zwiſchen Affenmaid und Menſchenmaid. Sitzt er, vom Menſchentier zur Schauſtellung gefangen, im Käfig und es naht ſich eine Menſchin, ſo verfährt er nach ſeinem Brauch. Ein junger Mandrill, der ſich im Spiegel ſah, ſpintiſierte eine Weile, was das ſei. Dann ſchien ihm ein Licht aufzugehen, ob's nicht ein zweiter Affe und am Ende ein weiblicher ſei, — und urplötzlich ſah ihn der Beobachter ſich wenden und dem Spiegelbilde ſein unheimliches Rückſpektrum zukehren.
Was wir Scham nennen, kennt er dabei nicht. Seine Liebesgedanken gehen ſogleich aufs Ganze. Du erinnerſt dich unſerer alten Unterſcheidungen der Diſtanceliebe und Miſchliebe. Sobald das erſte raumüberwindende Organ ſeiner Diſtance¬
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ein toller Pinſel die grellſten impreſſioniſtiſchen Farbeneffekte in
dickſten Klatſchen aufgemalt zu haben. Die Naſe iſt ſchreiend
blutrot wie eine aufgenagelte Stange Siegellack. Rechts und
links wie zwei Flügel die Backenwülſte vorgepuſtet und auf
jedem ein Farbklatſch Kobaltblau, fettig dick, daß man ordentlich
die Ölfarbe abkratzen möchte. Die gleiche Palette aber iſt
etwas verſchwommener von hinten gegen den Leib des Schratts
gehauen: Geſchlecht und After in die pure Siegellackröte hinein,
die dicken Schwielen des Geſäßes in ein Gemiſch aus Rot
und Himmelblau.
Es iſt keine künſtliche Malerei in Wahrheit, — die Farben
ſind „angewachſen“ an die nackte Haut. Aber das Gehirn
des Kobolds hinter dieſen ſchiefen, verſteckt glühenden Satans¬
augen weiß wenigſtens ganz genau darum. Um beide weiß
er, — die hinten und die vorn. Und die da hinten wertet
er in ganz beſtimmtem Gedankengange offenbar höher als die
da vorn. Ganz richtig hat der alte Tierfreund des Kloſter¬
folianten beobachtet: wenn er einem Weibe gefallen will, ſo
kommt er rückwärts daher und entfaltet die Farbenſkala dieſer
Körperwende als das Beſtimmende. Dabei iſt er, wohl be¬
merkt, ein uralter Darwinianer in der Praxis: ihm ver¬
ſchwimmt der Unterſchied zwiſchen Affenmaid und Menſchenmaid.
Sitzt er, vom Menſchentier zur Schauſtellung gefangen, im
Käfig und es naht ſich eine Menſchin, ſo verfährt er nach
ſeinem Brauch. Ein junger Mandrill, der ſich im Spiegel
ſah, ſpintiſierte eine Weile, was das ſei. Dann ſchien ihm
ein Licht aufzugehen, ob's nicht ein zweiter Affe und am Ende
ein weiblicher ſei, — und urplötzlich ſah ihn der Beobachter
ſich wenden und dem Spiegelbilde ſein unheimliches Rückſpektrum
zukehren.
Was wir Scham nennen, kennt er dabei nicht. Seine
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/27>, abgerufen am 24.11.2024.
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