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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Kindlein, als habe er es in Schmerzen geboren. Er bläst es
an, wenn es schwach ist. Er achtet, ob der Rest der Nabelschnur
richtig abheilt. Die acht Tage, die das dauert, sind seine
strengste Zeit. Die Hängematte darf er darin nicht verlassen
außer zur Befriedigung der Notdurft. Sollte die Frau doch
auch noch in der Zeit unpäßlich sein oder das Kind wegen
Schwäche der Doppelhülfe dauernd benötigen, so hängen die
Wöchnerin und der "Wöchner" ernsthaft nebeneinander in
ihren Matten. Steinen fand so in gleicher Hütte eine Wochen¬
stube mit vier Hängematten, zwei mit Weiblein, zwei mit
Männlein. Die ausschließliche Nahrung der armen mithaften¬
den Ehemänner war ein ganz dünnes Süpplein mit etwas
Mandiokaeinlage.

Das ist aber schon eine Bevorzugung, denn bei anderen
Indianerstämmen darf der traurige Ehemann in den ersten
fünf Tagen überhaupt nichts essen. Dann giebt es weitere
vier Tage nur Mehlsuppe und so schrittweise etwas mehr.
Fleischkost bleibt aber für mehrere Monate noch versagt. Und
zu diesem Leidenszustand färbt der Wöchner sich schwarz wie
ein Schornsteinfeger.

Je nach der Stammessitte, wird die Sache noch so oder
so überhaupt erschwert. Wo das Stilleliegen und Diäthalten
selbst in die Monate geht, da ersteht der Arme aus dem
"Männerkindbett" abgemagert zum Skelett. Aber mehr noch.
Es giebt Stämme dieser Südamerikaner, die das Spiel noch
weiter in den Ernst zu treiben suchen. Der Vater soll nicht
nur stille liegen und fasten: er soll bluten, soll sich in
Schmerzen winden wie die Mutter. Da muß das unentwegte
Probatmittel des Schneidens und Brennens nur schon wieder
heran.

Nach Ablauf der ersten vierzig Tage ist der Unglücks¬
mann verpflichtet, ein Diner zu geben. Die Anverwanden ver¬
sammeln sich um ihn und essen zunächst feierlich die sämtlichen
Brodkrusten auf, die sich in den vierzig Tagen bei ihm auf¬

Kindlein, als habe er es in Schmerzen geboren. Er bläſt es
an, wenn es ſchwach iſt. Er achtet, ob der Reſt der Nabelſchnur
richtig abheilt. Die acht Tage, die das dauert, ſind ſeine
ſtrengſte Zeit. Die Hängematte darf er darin nicht verlaſſen
außer zur Befriedigung der Notdurft. Sollte die Frau doch
auch noch in der Zeit unpäßlich ſein oder das Kind wegen
Schwäche der Doppelhülfe dauernd benötigen, ſo hängen die
Wöchnerin und der „Wöchner“ ernſthaft nebeneinander in
ihren Matten. Steinen fand ſo in gleicher Hütte eine Wochen¬
ſtube mit vier Hängematten, zwei mit Weiblein, zwei mit
Männlein. Die ausſchließliche Nahrung der armen mithaften¬
den Ehemänner war ein ganz dünnes Süpplein mit etwas
Mandiokaeinlage.

Das iſt aber ſchon eine Bevorzugung, denn bei anderen
Indianerſtämmen darf der traurige Ehemann in den erſten
fünf Tagen überhaupt nichts eſſen. Dann giebt es weitere
vier Tage nur Mehlſuppe und ſo ſchrittweiſe etwas mehr.
Fleiſchkoſt bleibt aber für mehrere Monate noch verſagt. Und
zu dieſem Leidenszuſtand färbt der Wöchner ſich ſchwarz wie
ein Schornſteinfeger.

Je nach der Stammesſitte, wird die Sache noch ſo oder
ſo überhaupt erſchwert. Wo das Stilleliegen und Diäthalten
ſelbſt in die Monate geht, da erſteht der Arme aus dem
„Männerkindbett“ abgemagert zum Skelett. Aber mehr noch.
Es giebt Stämme dieſer Südamerikaner, die das Spiel noch
weiter in den Ernſt zu treiben ſuchen. Der Vater ſoll nicht
nur ſtille liegen und faſten: er ſoll bluten, ſoll ſich in
Schmerzen winden wie die Mutter. Da muß das unentwegte
Probatmittel des Schneidens und Brennens nur ſchon wieder
heran.

Nach Ablauf der erſten vierzig Tage iſt der Unglücks¬
mann verpflichtet, ein Diner zu geben. Die Anverwanden ver¬
ſammeln ſich um ihn und eſſen zunächſt feierlich die ſämtlichen
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[235/0249] Kindlein, als habe er es in Schmerzen geboren. Er bläſt es an, wenn es ſchwach iſt. Er achtet, ob der Reſt der Nabelſchnur richtig abheilt. Die acht Tage, die das dauert, ſind ſeine ſtrengſte Zeit. Die Hängematte darf er darin nicht verlaſſen außer zur Befriedigung der Notdurft. Sollte die Frau doch auch noch in der Zeit unpäßlich ſein oder das Kind wegen Schwäche der Doppelhülfe dauernd benötigen, ſo hängen die Wöchnerin und der „Wöchner“ ernſthaft nebeneinander in ihren Matten. Steinen fand ſo in gleicher Hütte eine Wochen¬ ſtube mit vier Hängematten, zwei mit Weiblein, zwei mit Männlein. Die ausſchließliche Nahrung der armen mithaften¬ den Ehemänner war ein ganz dünnes Süpplein mit etwas Mandiokaeinlage. Das iſt aber ſchon eine Bevorzugung, denn bei anderen Indianerſtämmen darf der traurige Ehemann in den erſten fünf Tagen überhaupt nichts eſſen. Dann giebt es weitere vier Tage nur Mehlſuppe und ſo ſchrittweiſe etwas mehr. Fleiſchkoſt bleibt aber für mehrere Monate noch verſagt. Und zu dieſem Leidenszuſtand färbt der Wöchner ſich ſchwarz wie ein Schornſteinfeger. Je nach der Stammesſitte, wird die Sache noch ſo oder ſo überhaupt erſchwert. Wo das Stilleliegen und Diäthalten ſelbſt in die Monate geht, da erſteht der Arme aus dem „Männerkindbett“ abgemagert zum Skelett. Aber mehr noch. Es giebt Stämme dieſer Südamerikaner, die das Spiel noch weiter in den Ernſt zu treiben ſuchen. Der Vater ſoll nicht nur ſtille liegen und faſten: er ſoll bluten, ſoll ſich in Schmerzen winden wie die Mutter. Da muß das unentwegte Probatmittel des Schneidens und Brennens nur ſchon wieder heran. Nach Ablauf der erſten vierzig Tage iſt der Unglücks¬ mann verpflichtet, ein Diner zu geben. Die Anverwanden ver¬ ſammeln ſich um ihn und eſſen zunächſt feierlich die ſämtlichen Brodkruſten auf, die ſich in den vierzig Tagen bei ihm auf¬

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/249>, abgerufen am 22.11.2024.