eigenartigen Fall eines lebendig gebärenden Amphibiums fest¬ gestellt. Aber seine Kröte ist in Wahrheit ein Männchen, und die mysteriöse Trommel ist nichts anderes als der erweiterte, unter den ganzen Bauch herabgeschwollene Kehlsack, also nach gewöhnlichem Krötenbrauch der schöne Resonanzboden für die liebenswürdigen Gesangesleistungen dieser Sumpfnachtigallen.
Mit einiger Mühe wird endlich folgende Historie vom Nasenvater klargelegt. Wenn die Frau Mutter ihre Eier glück¬ lich abgesetzt hat, so schluckt sie der Vater. Das heißt: er schluckt sie nicht in den Magen hinein, sondern bloß (um nach Menschenart das Bild auszudrücken) bis in den Kehlkopf. Hier kugeln sie hinterwärts in den bewußten Kehlsack, der von der Last fast zum Bersten schwillt wie ein überstopfter Tornister. Aber er birst nicht und bald giebt es Leben da drinnen. Im Ei entstehen Kaulquäppchen und aus diesen (das Wasser ist hier ganz ausgeschaltet) endlich leibhaftige junge Kröten. Kein Zweifel, daß das Mitführen dieser angenehmen Menagerie dem Vater in diesem Falle eine wahre Leidenszeit bedeutet. Da die Botanisiertrommel mit ihrem Lebensinhalt den Magen über sich zu einem Minimum zusammenpreßt, ist Diät selbstverständlich: sie entwickelt sich für eine gewisse Zeit allem Anschein nach zur vollkommenen Askese -- der Vater hungert um seiner Liebe willen und magert zum Gerippe ab, trotz der dicken Trommel. Noch ist nicht beobachtet worden, wie er endlich die Geister, die er sich durch seinen kühnen Schluck beschworen, wieder los wird, -- es bleibt wohl kein Ausweg, als daß die Nestlinge, eines Tages frech geworden, ihm zum Halse wieder herausspringen, -- immerhin keine besonders hübsche Situation. Aber die Natur hat einmal wieder eine Art gerettet, und das ist die Hauptsache.
[Abbildung]
eigenartigen Fall eines lebendig gebärenden Amphibiums feſt¬ geſtellt. Aber ſeine Kröte iſt in Wahrheit ein Männchen, und die myſteriöſe Trommel iſt nichts anderes als der erweiterte, unter den ganzen Bauch herabgeſchwollene Kehlſack, alſo nach gewöhnlichem Krötenbrauch der ſchöne Reſonanzboden für die liebenswürdigen Geſangesleiſtungen dieſer Sumpfnachtigallen.
Mit einiger Mühe wird endlich folgende Hiſtorie vom Naſenvater klargelegt. Wenn die Frau Mutter ihre Eier glück¬ lich abgeſetzt hat, ſo ſchluckt ſie der Vater. Das heißt: er ſchluckt ſie nicht in den Magen hinein, ſondern bloß (um nach Menſchenart das Bild auszudrücken) bis in den Kehlkopf. Hier kugeln ſie hinterwärts in den bewußten Kehlſack, der von der Laſt faſt zum Berſten ſchwillt wie ein überſtopfter Torniſter. Aber er birſt nicht und bald giebt es Leben da drinnen. Im Ei entſtehen Kaulquäppchen und aus dieſen (das Waſſer iſt hier ganz ausgeſchaltet) endlich leibhaftige junge Kröten. Kein Zweifel, daß das Mitführen dieſer angenehmen Menagerie dem Vater in dieſem Falle eine wahre Leidenszeit bedeutet. Da die Botaniſiertrommel mit ihrem Lebensinhalt den Magen über ſich zu einem Minimum zuſammenpreßt, iſt Diät ſelbſtverſtändlich: ſie entwickelt ſich für eine gewiſſe Zeit allem Anſchein nach zur vollkommenen Askeſe — der Vater hungert um ſeiner Liebe willen und magert zum Gerippe ab, trotz der dicken Trommel. Noch iſt nicht beobachtet worden, wie er endlich die Geiſter, die er ſich durch ſeinen kühnen Schluck beſchworen, wieder los wird, — es bleibt wohl kein Ausweg, als daß die Neſtlinge, eines Tages frech geworden, ihm zum Halſe wieder herausſpringen, — immerhin keine beſonders hübſche Situation. Aber die Natur hat einmal wieder eine Art gerettet, und das iſt die Hauptſache.
[Abbildung]
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0247"n="233"/>
eigenartigen Fall eines lebendig gebärenden Amphibiums feſt¬<lb/>
geſtellt. Aber ſeine Kröte iſt in Wahrheit ein Männchen, und<lb/>
die myſteriöſe Trommel iſt nichts anderes als der erweiterte,<lb/>
unter den ganzen Bauch herabgeſchwollene Kehlſack, alſo nach<lb/>
gewöhnlichem Krötenbrauch der ſchöne Reſonanzboden für die<lb/>
liebenswürdigen Geſangesleiſtungen dieſer Sumpfnachtigallen.</p><lb/><p>Mit einiger Mühe wird endlich folgende Hiſtorie vom<lb/>
Naſenvater klargelegt. Wenn die Frau Mutter ihre Eier glück¬<lb/>
lich abgeſetzt hat, ſo ſchluckt ſie der Vater. Das heißt: er<lb/>ſchluckt ſie nicht in den Magen hinein, ſondern bloß (um nach<lb/>
Menſchenart das Bild auszudrücken) bis in den Kehlkopf. Hier<lb/>
kugeln ſie hinterwärts in den bewußten Kehlſack, der von der<lb/>
Laſt faſt zum Berſten ſchwillt wie ein überſtopfter Torniſter.<lb/>
Aber er birſt nicht und bald giebt es Leben da drinnen. Im<lb/>
Ei entſtehen Kaulquäppchen und aus dieſen (das Waſſer iſt<lb/>
hier ganz ausgeſchaltet) endlich leibhaftige junge Kröten. Kein<lb/>
Zweifel, daß das Mitführen dieſer angenehmen Menagerie dem<lb/>
Vater in dieſem Falle eine wahre Leidenszeit bedeutet. Da die<lb/>
Botaniſiertrommel mit ihrem Lebensinhalt den Magen über ſich<lb/>
zu einem Minimum zuſammenpreßt, iſt Diät ſelbſtverſtändlich:<lb/>ſie entwickelt ſich für eine gewiſſe Zeit allem Anſchein nach zur<lb/>
vollkommenen Askeſe — der Vater hungert um ſeiner Liebe<lb/>
willen und magert zum Gerippe ab, trotz der dicken Trommel.<lb/>
Noch iſt nicht beobachtet worden, wie er endlich die Geiſter, die<lb/>
er ſich durch ſeinen kühnen Schluck beſchworen, wieder los wird,<lb/>— es bleibt wohl kein Ausweg, als daß die Neſtlinge, eines<lb/>
Tages frech geworden, ihm zum Halſe wieder herausſpringen, —<lb/>
immerhin keine beſonders hübſche Situation. Aber die Natur<lb/>
hat einmal wieder eine Art gerettet, und das iſt die Hauptſache.</p><lb/><figure/></div></body></text></TEI>
[233/0247]
eigenartigen Fall eines lebendig gebärenden Amphibiums feſt¬
geſtellt. Aber ſeine Kröte iſt in Wahrheit ein Männchen, und
die myſteriöſe Trommel iſt nichts anderes als der erweiterte,
unter den ganzen Bauch herabgeſchwollene Kehlſack, alſo nach
gewöhnlichem Krötenbrauch der ſchöne Reſonanzboden für die
liebenswürdigen Geſangesleiſtungen dieſer Sumpfnachtigallen.
Mit einiger Mühe wird endlich folgende Hiſtorie vom
Naſenvater klargelegt. Wenn die Frau Mutter ihre Eier glück¬
lich abgeſetzt hat, ſo ſchluckt ſie der Vater. Das heißt: er
ſchluckt ſie nicht in den Magen hinein, ſondern bloß (um nach
Menſchenart das Bild auszudrücken) bis in den Kehlkopf. Hier
kugeln ſie hinterwärts in den bewußten Kehlſack, der von der
Laſt faſt zum Berſten ſchwillt wie ein überſtopfter Torniſter.
Aber er birſt nicht und bald giebt es Leben da drinnen. Im
Ei entſtehen Kaulquäppchen und aus dieſen (das Waſſer iſt
hier ganz ausgeſchaltet) endlich leibhaftige junge Kröten. Kein
Zweifel, daß das Mitführen dieſer angenehmen Menagerie dem
Vater in dieſem Falle eine wahre Leidenszeit bedeutet. Da die
Botaniſiertrommel mit ihrem Lebensinhalt den Magen über ſich
zu einem Minimum zuſammenpreßt, iſt Diät ſelbſtverſtändlich:
ſie entwickelt ſich für eine gewiſſe Zeit allem Anſchein nach zur
vollkommenen Askeſe — der Vater hungert um ſeiner Liebe
willen und magert zum Gerippe ab, trotz der dicken Trommel.
Noch iſt nicht beobachtet worden, wie er endlich die Geiſter, die
er ſich durch ſeinen kühnen Schluck beſchworen, wieder los wird,
— es bleibt wohl kein Ausweg, als daß die Neſtlinge, eines
Tages frech geworden, ihm zum Halſe wieder herausſpringen, —
immerhin keine beſonders hübſche Situation. Aber die Natur
hat einmal wieder eine Art gerettet, und das iſt die Hauptſache.
[Abbildung]
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/247>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.