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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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aber bleibt ebenfalls im Totemsinne, was sie ist, nämlich
Büffel. Die Kinder der Linie Bär-Büffel aber werden --
und das ist das Entscheidende -- nicht Bär, wie der Vater,
sondern Büffel wie die Mutter.

Sie gehören unter allen Umständen dem Totem der Mutter
an. Sie wachsen auf in den Rechten und Bräuchen dieses und
nicht des väterlichen Totem. Ja sie erhalten in dieser ihrer
Sippe noch eine Art besonderen Sippenvormundes neben ihrem
leiblichen Vater, meist einen Bruder der Mutter, also einen Onkel.

[Abbildung]

Du hast in diesem zunächst ja höchst kuriosen Brauch ein
prächtiges Exempel vor dir dessen, was man mit einem etwas
hochtönenden Namen in der Völkerkunde als "Mutterherrschaft"
oder "Mutterrecht" bezeichnet hat.

Wie der Totemismus sich durch die ganze Naturgeschichte
des Menschen teils in noch lebendigen Beispielen, teils in
allerlei Resten und geschichtlichen Überlieferungen nachweisen
läßt, so auch dieses eigentümliche Vorrecht der Mutter, ihre
Kinder ihrem Stamme und nicht dem des Vaters einzuverleiben.
Die nordamerikanischen Indianer sind ja selbst heute nur noch
eine kleine Ruine, hinsterbend unter den Händen der Kultur
wie die Bisons ihrer Prärie, wie die Biber ihrer Gewässer.
Mit ihnen stirbt ihre Totemwirtschaft auch aus. So aus¬
gestorben ist sie aber bei anderen Völkern bereits innerhalb
der geschichtlichen Überlieferung durch fortschreitende soziale
Entwickelung oder völlige Verwandlung der ganzen Völker.

Die Sippe der Irokesen wiederholt sich in der europäischen
Geschichte so sinnfällig in der gens der Römer, daß von dem
genialen modernen Geschichtsschreiber jener Indianersitten,
Morgan, das lateinische Wort geradezu dorthin übertragen
werden konnte. Andere Parallelstufen stecken im alten Griechen¬

aber bleibt ebenfalls im Totemſinne, was ſie iſt, nämlich
Büffel. Die Kinder der Linie Bär-Büffel aber werden —
und das iſt das Entſcheidende — nicht Bär, wie der Vater,
ſondern Büffel wie die Mutter.

Sie gehören unter allen Umſtänden dem Totem der Mutter
an. Sie wachſen auf in den Rechten und Bräuchen dieſes und
nicht des väterlichen Totem. Ja ſie erhalten in dieſer ihrer
Sippe noch eine Art beſonderen Sippenvormundes neben ihrem
leiblichen Vater, meiſt einen Bruder der Mutter, alſo einen Onkel.

[Abbildung]

Du haſt in dieſem zunächſt ja höchſt kurioſen Brauch ein
prächtiges Exempel vor dir deſſen, was man mit einem etwas
hochtönenden Namen in der Völkerkunde als „Mutterherrſchaft“
oder „Mutterrecht“ bezeichnet hat.

Wie der Totemismus ſich durch die ganze Naturgeſchichte
des Menſchen teils in noch lebendigen Beiſpielen, teils in
allerlei Reſten und geſchichtlichen Überlieferungen nachweiſen
läßt, ſo auch dieſes eigentümliche Vorrecht der Mutter, ihre
Kinder ihrem Stamme und nicht dem des Vaters einzuverleiben.
Die nordamerikaniſchen Indianer ſind ja ſelbſt heute nur noch
eine kleine Ruine, hinſterbend unter den Händen der Kultur
wie die Biſons ihrer Prärie, wie die Biber ihrer Gewäſſer.
Mit ihnen ſtirbt ihre Totemwirtſchaft auch aus. So aus¬
geſtorben iſt ſie aber bei anderen Völkern bereits innerhalb
der geſchichtlichen Überlieferung durch fortſchreitende ſoziale
Entwickelung oder völlige Verwandlung der ganzen Völker.

Die Sippe der Irokeſen wiederholt ſich in der europäiſchen
Geſchichte ſo ſinnfällig in der gens der Römer, daß von dem
genialen modernen Geſchichtsſchreiber jener Indianerſitten,
Morgan, das lateiniſche Wort geradezu dorthin übertragen
werden konnte. Andere Parallelſtufen ſtecken im alten Griechen¬

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[220/0234] aber bleibt ebenfalls im Totemſinne, was ſie iſt, nämlich Büffel. Die Kinder der Linie Bär-Büffel aber werden — und das iſt das Entſcheidende — nicht Bär, wie der Vater, ſondern Büffel wie die Mutter. Sie gehören unter allen Umſtänden dem Totem der Mutter an. Sie wachſen auf in den Rechten und Bräuchen dieſes und nicht des väterlichen Totem. Ja ſie erhalten in dieſer ihrer Sippe noch eine Art beſonderen Sippenvormundes neben ihrem leiblichen Vater, meiſt einen Bruder der Mutter, alſo einen Onkel. [Abbildung] Du haſt in dieſem zunächſt ja höchſt kurioſen Brauch ein prächtiges Exempel vor dir deſſen, was man mit einem etwas hochtönenden Namen in der Völkerkunde als „Mutterherrſchaft“ oder „Mutterrecht“ bezeichnet hat. Wie der Totemismus ſich durch die ganze Naturgeſchichte des Menſchen teils in noch lebendigen Beiſpielen, teils in allerlei Reſten und geſchichtlichen Überlieferungen nachweiſen läßt, ſo auch dieſes eigentümliche Vorrecht der Mutter, ihre Kinder ihrem Stamme und nicht dem des Vaters einzuverleiben. Die nordamerikaniſchen Indianer ſind ja ſelbſt heute nur noch eine kleine Ruine, hinſterbend unter den Händen der Kultur wie die Biſons ihrer Prärie, wie die Biber ihrer Gewäſſer. Mit ihnen ſtirbt ihre Totemwirtſchaft auch aus. So aus¬ geſtorben iſt ſie aber bei anderen Völkern bereits innerhalb der geſchichtlichen Überlieferung durch fortſchreitende ſoziale Entwickelung oder völlige Verwandlung der ganzen Völker. Die Sippe der Irokeſen wiederholt ſich in der europäiſchen Geſchichte ſo ſinnfällig in der gens der Römer, daß von dem genialen modernen Geſchichtsſchreiber jener Indianerſitten, Morgan, das lateiniſche Wort geradezu dorthin übertragen werden konnte. Andere Parallelſtufen ſtecken im alten Griechen¬

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/234>, abgerufen am 30.11.2024.