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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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auch hier ja so tausendfältig noch bei uns aus in den Freund¬
schaften, Heimlichkeiten, Solidaritäten des Backfisch-Daseins, die
in der Ferne immer schon auf den Mann schielen und mit der
Ehe spielen, aber zunächst doch alle ihre Sozialgefühle im An¬
schluß an das gleiche Geschlecht erschöpfen.

Mit der Existenz solcher außerehelichen Sozialverbände
siehst du dann weiter beim Menschen aber auch alle die Folgen
sich einstellen, die wir bei Tieren teils fanden, teils als geringe
logische Steigerungen erkannten.

Der Mensch scheint allenthalben diese logische Steigerung
einfach zu sein.

[Abbildung]

Da hast du die Gefahren der Inzucht.

Die Gefahr bedrohlich wachsender Inzucht war für den
sozial lebenden Menschen genau an der gleichen Stelle gegeben
wie beim Elefanten. Sobald sich nämlich kleine Genossen¬
schaften absonderten, die in sich eine Anzahl Ehen umfaßten --
und sobald solche Genossenschaften über eine Kette einander
folgender Generationen hinweg geschlossen zusammenhielten.

Eine solche Sippe heiratete schon von der zweiten Ge¬
neration ab immer nur wieder in die Sippe selbst hinein und
geriet mit der Folge der Geschlechter immer tiefer in die In¬
zucht. Nun war aber gerade der Zusammenschluß zu solchen
kleinen Sippen, Stämmen, Geschlechtern überall offenbar die
Grundlage aller menschlichen Sozialgliederung oberhalb der
Ehe. Wo immer du in die Geschichte der Völker gehst, stößt
du auf sie.

Sie lag so unendlich nahe. Nimm noch einmal das alte
eiszeitliche Höhlenbild. Die Höhle ist ein kostbarer Besitz.
Aber sie bietet mehr Raum als für zwei Menschenkinder. Sie

auch hier ja ſo tauſendfältig noch bei uns aus in den Freund¬
ſchaften, Heimlichkeiten, Solidaritäten des Backfiſch-Daſeins, die
in der Ferne immer ſchon auf den Mann ſchielen und mit der
Ehe ſpielen, aber zunächſt doch alle ihre Sozialgefühle im An¬
ſchluß an das gleiche Geſchlecht erſchöpfen.

Mit der Exiſtenz ſolcher außerehelichen Sozialverbände
ſiehſt du dann weiter beim Menſchen aber auch alle die Folgen
ſich einſtellen, die wir bei Tieren teils fanden, teils als geringe
logiſche Steigerungen erkannten.

Der Menſch ſcheint allenthalben dieſe logiſche Steigerung
einfach zu ſein.

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Da haſt du die Gefahren der Inzucht.

Die Gefahr bedrohlich wachſender Inzucht war für den
ſozial lebenden Menſchen genau an der gleichen Stelle gegeben
wie beim Elefanten. Sobald ſich nämlich kleine Genoſſen¬
ſchaften abſonderten, die in ſich eine Anzahl Ehen umfaßten —
und ſobald ſolche Genoſſenſchaften über eine Kette einander
folgender Generationen hinweg geſchloſſen zuſammenhielten.

Eine ſolche Sippe heiratete ſchon von der zweiten Ge¬
neration ab immer nur wieder in die Sippe ſelbſt hinein und
geriet mit der Folge der Geſchlechter immer tiefer in die In¬
zucht. Nun war aber gerade der Zuſammenſchluß zu ſolchen
kleinen Sippen, Stämmen, Geſchlechtern überall offenbar die
Grundlage aller menſchlichen Sozialgliederung oberhalb der
Ehe. Wo immer du in die Geſchichte der Völker gehſt, ſtößt
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Sie lag ſo unendlich nahe. Nimm noch einmal das alte
eiszeitliche Höhlenbild. Die Höhle iſt ein koſtbarer Beſitz.
Aber ſie bietet mehr Raum als für zwei Menſchenkinder. Sie

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[216/0230] auch hier ja ſo tauſendfältig noch bei uns aus in den Freund¬ ſchaften, Heimlichkeiten, Solidaritäten des Backfiſch-Daſeins, die in der Ferne immer ſchon auf den Mann ſchielen und mit der Ehe ſpielen, aber zunächſt doch alle ihre Sozialgefühle im An¬ ſchluß an das gleiche Geſchlecht erſchöpfen. Mit der Exiſtenz ſolcher außerehelichen Sozialverbände ſiehſt du dann weiter beim Menſchen aber auch alle die Folgen ſich einſtellen, die wir bei Tieren teils fanden, teils als geringe logiſche Steigerungen erkannten. Der Menſch ſcheint allenthalben dieſe logiſche Steigerung einfach zu ſein. [Abbildung] Da haſt du die Gefahren der Inzucht. Die Gefahr bedrohlich wachſender Inzucht war für den ſozial lebenden Menſchen genau an der gleichen Stelle gegeben wie beim Elefanten. Sobald ſich nämlich kleine Genoſſen¬ ſchaften abſonderten, die in ſich eine Anzahl Ehen umfaßten — und ſobald ſolche Genoſſenſchaften über eine Kette einander folgender Generationen hinweg geſchloſſen zuſammenhielten. Eine ſolche Sippe heiratete ſchon von der zweiten Ge¬ neration ab immer nur wieder in die Sippe ſelbſt hinein und geriet mit der Folge der Geſchlechter immer tiefer in die In¬ zucht. Nun war aber gerade der Zuſammenſchluß zu ſolchen kleinen Sippen, Stämmen, Geſchlechtern überall offenbar die Grundlage aller menſchlichen Sozialgliederung oberhalb der Ehe. Wo immer du in die Geſchichte der Völker gehſt, ſtößt du auf ſie. Sie lag ſo unendlich nahe. Nimm noch einmal das alte eiszeitliche Höhlenbild. Die Höhle iſt ein koſtbarer Beſitz. Aber ſie bietet mehr Raum als für zwei Menſchenkinder. Sie

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/230>, abgerufen am 30.11.2024.